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Kaiser Karl, bitte für uns...

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Papst Johannes Paul II. hat den Opus-Dei-Gründer Josemaria Escrivä de Balaguer und die sudanesische Nonne Josefina Bakhita seliggesprochen. Gibt es bald neue Selige aus Österreich?

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Papst Johannes Paul II. hat den Opus-Dei-Gründer Josemaria Escrivä de Balaguer und die sudanesische Nonne Josefina Bakhita seliggesprochen. Gibt es bald neue Selige aus Österreich?

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Besucher der Wiener Kapuzinergruft werden dort vielleicht schon bald zwei neuen Seligen der katholischen Kirche begegnen: dem Kapuzinermönch und Bußprediger Marco d'A-viaho, dessen Denkmal neben der Kapuzinerkirche unübersehbar ist, und dem letzten österreichischen Kaiser, Karl I., dessen Leichnam vermutlich eines nicht allzu fernen Tages von Manila nach Wien überführt wird. Beide haben gute Chancen, innerhalb der nächsten Jahre vom Papst seliggesprochen zu werden.

Wie Alois Diem, der Leiter des Referats für Seligsprechungen in der Erzdiözese Wien, erläutert, geht ein Seligsprechungsverfahren so vorsieh: Zunächst muß eine große gläubige Gruppe - etwa ein Orden oder eine Gebetsgemeinschaft - dahinter sein. Ein von dieser Gruppe beauftragter Postulator stellt in der zuständigen Diözese den Antrag auf einen Seligsprechungsprozeß, den der Bischof, nachdem er die Bischofskonferenz und Rom informiert hat, eröffnen kann. Die zuständige Diözese ist meist die, in welcher die betreffende Person gestorben ist (bei Hinrichtungen in der NS-Zeit gilt aber im allgemeinen die Heimatdiözese). Im Rahmen dieses Prozesses wird das ganze Leben des künftigen Seligen minutiös aufgerollt und geprüft, außerdem muß ein auf die Fürsprache des Betreffenden zurückführbares Wunder belegt werden können (was gerade im Fall Marco d'Aviano lange dauerte). Nach einem positiven Ende des Prozesses in der Diözese wird das Material nochmals in Rom von der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen geprüft, wobei ein in Rom ansässiger Postulator nötig ist. Hier - und schon vorher in der Diözese - können kirchenrechtlich versierte und für diese Aufgabe freigestellte Spezialisten, wie sie das Opus Dei im Fall Escrivä zweifellos aufgeboten hat, ein Verfahren sehr beschleunigen. Bei positiver Erledigung wird dem Papst eine Seligsprechung empfohlen.

Damit ist ein Fall in der „Opportu-nitätsphase", es fehlt nur noch der

Termin der Seligsprechung, der, je nachdem, wann es der Papst für opportun hält, früher oder später angesetzt wird.

In dieser letzten Phase befinden sich derzeit zwei Fälle aus Österreich:

□ Marco d'Aviano (1631 bis 1699), der auch wegen seiner Predigt von 1683, als das Entsatzheer die Türkenbelagerung beendete, berühmt ist,

□ Jakob Gapp (1897 bis 1943), ein Priester, den das NS-Regime in Berlin hinrichten ließ.

Einige weitere Fälle sind von Österreich aus abgeschlossen und nähern sich laut Alois Diem auch in Rom ihrem Ende:

□ Karl von Österreich (18.87 bis 1922), der ein Patron der Flüchtlinge und

Exilanten werden könnte,

□ Wilhelm Janauschek (1869 bis 1926), ein Redemptoristenpater, der ein vorbildhafter Seelsorger und gesuchter Beichtvater war,

□ Anton Maria Schwartz (1852 bis 1929), der Gründer der Arbeiterkongregation der Kalasantiner,

□ Jakob Kern (1897 bis 1924), ein jung verstorbener Sühnepriester,

□ Hildegard Burjart,(1883 bis 1933), die politisch hochaktive Gründerin der Caritas socialis.

Weit gediehen sind auch einige Prozesse von NS-Opfern, die voraussichtlich als Märtyrer anerkannt werden (in solchen Fällen muß kein eigener Wunderprozeß geführt werden):

□ Maria Restituta Helene Kafka (1894 bis 1943), die einzige während der

NS-Zeit im Wiener Landesgericht enthauptete Ordensfrau,

□ Angela Maria Cacilia Autsch (1900 bis 1944), der, JEngel von Auschwitz",

□ Otto Neururer( 1882 bis 1940), ein engagierter Tiroler Pfarrer, der im Konzentrationslager Buchenwald umgebracht wurde.

Damit ist die Liste derer, deren Seligsprechungsverfahren bald zu Ende gehen könnten, aber noch lange nicht erschöpft. Auch der Linzer Bischof Franz Josef Rudigier (1811 bis 1884), die steirische Lehrerin und Mystikerin Klara Fietz (1905 bis 1937), der Augenarzt Ladislaus Batthyany-Strattmann (1870 bis 1931) und die j ung verstorbene Steirerin Maria Lich-tenegger (1906 bis 1923) sind bereits im Stadium eingehender Überprüfung, und im Oktober 1991 hat in Wien auch noch der Prozeß für Peter Viktor Braun (1825 bis 1882), den aus der Diözese Versailles stammenden Gründer der Kongregation der Herz-Jesu-Schwestern, begonnen. Über den Oberösterreicher Franz Jägerstätter wird zwar viel geredet, offiziell ist aber, wie Alois Diem zu berichten weiß, noch gar nichts hinsichtlich eines Seligsprechungsprozesses unternommen worden.

Manches spricht dafür, daß der Papst einen Österreich-Besuch - seit einiger Zeit ist dafür das Ost-arrichi-Jubiläums-jahr 1996 im Gespräch - zum „opportunen" Anlaß nehmen könnte, um einige der Genannten auf österreichischem Boden seligzusprechen.

Fest steht, daß unter Papst Johannes Paul II. die Verfahren für Selig- und Heiligsprechungen vereinfacht und bedeutend vermehrt wurden, daß es noch unterkeinem Papst so viele neue Heilige und Selige gab und daß es bezüglich einzelner Verfahren (die Seligsprechung von Josemaria Escrivä de Balaguer ist ein Beispiel, die ins Auge gefaßte Seligsprechung der Königin Isabella von Kastillien ein anderes) selten zuvor in der jüngeren Kirchengeschichte so viel Aufregung gab, vielleicht auch deshalb, weil man andere Prozesse (etwa für Papst Johannes XXIII. oder Bischof Oscar Romero) inzwischen auf die lange Bank geschoben hat.

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