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Blutzeugen für ihren Glauben

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In fünf Fällen sind österreichische Diözesen mit Verfahren zur Seligsprechung von NS-Op-fern befaßt, ein Prozeß ist praktisch abgeschlossen.

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In fünf Fällen sind österreichische Diözesen mit Verfahren zur Seligsprechung von NS-Op-fern befaßt, ein Prozeß ist praktisch abgeschlossen.

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Otto Neururer wird am 25. März 1882 in Piller/Oberinntal als letztes von zwölf Kindern einer Bauernfamilie geboren. Nach der Volksschule in Piller besucht er von 1895 bis 1903 das Bischöfliche Gymnasium Vinzenti-num in Brixen und tritt in das dortige Priesterseminar ein.

1907 wird er zum Priester geweiht. In der Folge wirkt Otto Neururer in zahlreichen Nordtiroler Gemeinden. 1932 wird er zum Pfarrer von Götzens bestellt.

Dort bemüht er sich besonders um die religiöse Erneuerung der Gemeinde, unter anderem durch eine Volksmission, bei der er mit dem 1945 wegen „Wehrkraftzersetzung” zum Tode verurteilten Jesuiten P. Johann Schwingshackl Bekanntschaft macht.

Neururers Bemühen um die Mitglieder seiner Gemeinde wird ihm zum Verhängnis: Er rät einer jungen Frau von der Heirat eines fanatischen Angehörigen der SA ab. Dies bringt ihm eine Anzeige wegen „Verhinderung einer deutschen Ehe” ein.

Am 15. Dezember 1938 wird der Seelsorger von der

Gestapo verhaftet. Nach einigen Wochen Polizeihaft in Innsbruck liefert man Neururer ins KZ Dachau ein, kurz darauf ins KZ Buchenwald. Als er dort einem als Taufbewerber getarnten Spion Glaubensunterricht erteilt, kommt er in den Todesbunker. Er stirbt am 30. Mai 1940, mit dem Kopf nach unten hängend, einen qualvollen Tod.

■ Seligsprechung: Am 19. Mai hat die

zuständige Theologenkommission in Born das Martyrium Otto Neururers anerkannt. Die entscheidende Hürde ist damit genommen. Als nächster Schritt wird jenes Kardinalskollegium tagen, das letztlich Papst Johannes Paul das Dekret „de martyrio” zur Unterzeichnung vorlegen wird.

Maria Cacilia Autsch wird am 26. März 1900 in Röllecken/Deutschland geboren. Sie ist das fünfte von sieben Kindern einer katholischen Arbeiterfamilie. Bereits am Tage ihrer Erstkommunion steht für sie Ordensschwester als Berufswunsch fest. Doch zunächst erlernt sie den Beruf der Verkäuferin. Durch die Mitarbeit in der tri-nitarischen Laienbewegung wird Maria Autsch mit der Spiritualität des Ordens vertraut. Am 4. Juli 1934 erhält sie in Mötz/Tirol das Ordenskleid und den Namen Sr. Angela Maria vom Heiligsten Herzen Jesu in der Gemeinde der Trinitarierschwestern. Früh erweist sie sich als klare Gegnerin des Nationalsozialismus. Als sie zum Kriegsbeginn äußert: „Der Hitler ist eine Geißel für ganz Europa”, verhaftet man sie wegen „Fünrerbeleidi-gung und Aufwiegelung der Bevölkerung”. Vom Innsbrucker Polizeigefängnis kommt Schwester Angela Autsch ins Frauen-KZ Ravensbrück, im März 1942 schließlich nach Auschwitz-Birkenau. Dort wird sie Leiterin und Wirtschafterin im Krankenrevier,

1943 Diätköchin im Lazarett der SS. Standhaft weigert sie sich, durch einen Ordensaustritt ihre Freilassung zu erkaufen. Im Oktober 1944 erkrankt der „Engel von Auschwitz” an Typhus. Angela Autsch stirbt am 23. Dezember

1944 bei der Detonation einer Fliegerbombe an Herzversagen. ■ Seligsprechung: In Bom ist die Po-sitio zur Causa Angela Autsch fertiggestellt und an die Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen übergeben worden. Ihr steht nun die Prüfung durch die verschiedenen Kongresse bevor, ehe das Dekret veröffentlicht werden kann.

Franz Jägerstätter wird am 20. Mai 1907 als Sohn der Bauernmagd Rosalia Huber in St. Radegund geboren. Das Kind wird von seiner Großmutter aufgezogen und besucht sieben Jahre lang die Volksschule des Dorfes. 1917 heiratet Franzens Mutter den Bauern Heinrich Jägerstätter, der den Buben adoptiert. Als Zwanzigjähriger arbeitet Franz für drei Jahre im stei-rischen Eisenerz.

Dem Nationalsozialismus steht er von Beginn an ablehnend gegenüber. Er sei für ihn mit dem Glauben nicht vereinbar.

Nach seiner Einberufung spricht Jägerstätter der Militärbehörde in Enns die Kriegsdienstverweigerung aus. Er erklärt sich jedoch bereit, aus christlicher Nächstenliebe als Sanitätssoldat Dienst zu tun. Franz Jägerstätter wird verhaftet, ist zwei Monate in Linz inhaftiert. Anfang Mai 1943 wird er an das Beichskriegsgericht nach Berlin überstellt. Das Gericht verurteilt ihn „wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode sowie zum Verlust der Ehrwürdigkeit und der bürgerlichen Bechte”.Am 9. August 1943 wird Franz Jägerstätter mit sechs weiteren Verweigerern nach Brandenburg gebracht und hingerichtet. ■ Seligsprechung: Am 4. Juli wird sich auf diözesaner Ebene eine historischtheologische Experten-Kommission zu ihrer ersten Sitzung zusammenfinden. Sie wird alle Dokumente prüfen und das Ergebnis abschließend dem Bischof vorlegen.

Helene Kafka wird am 1. Mai 1894 als sechstes von sieben Kindern in Brünn-Hussowitz (Husovice) geboren. Im Wiener Arbeiterbezirk Brigittenau wächst sie auf. Helene arbeitet zwei Jahre lang als Trafikantin, dann als Krankenpflegerin im Städtischen Krankenhaus Lainz. 1914 tritt sie dem „Orden des heiligen Franz Seraphinus von der christlichen Liebe” bei, der die Schwesternschaft für das Krankenhaus Wien-Mödling stellt. Dort wirkt sie als Operationsschwester. Im Spital befestigt sie Christuskreuze und weigert sich trotz Befehls von oben, diese abzunehmen. Aus ihrer anti-nationalsozialistischen Gesinnung macht sie keinen Hehl. Schwester Bestituta läßt pazifistische und österreichisch-patriotische Texte vervielfältigen, Flugblätter verteilen. Im Februar 1942 wird sie von der Gestapo verhaftet.

Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat” wird sie vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Selbst einige Gnadengesuche, darunter eines von Kardinal Innit-zer, helfen nicht: Am 30. März

1943 wird Schwester Bestituta enthauptet. Sie ist damit die einzige Ordensfrau im deutschsprachigen Machtbereich des NS-Regimes, die gerichtlich zum Tode verurteilt und hingerichtet wird.

Bis heute wird ihrer in Ehren gedacht: Die Straße vor dem Spital, im dem die unerschrockene Nonne gewirkt hat, wird nach einem Beschluß des Mödlinger Gemeinderats demnächst in „Schwester Restituta-Straße” umbenannt. ■ Seligsprechung: Zur Causa Sr. Restituta wird soeben in Rom die Posi-tio fertiggestellt. Ist sie erstellt, wird die Dokumentation an die Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen übergeben und von einzelnen Kongressen geprüft.

Jakob Gapp wird am 26. Juli 1897 als Arbeiterkind in Wattens/Tirol geboren. Nach der Volksschule in Wattens besucht er das Gymnasium der Franziskaner in Hall in Tirol. Im Mai 1915 rückt er bei den Tiroler Standschützen ein, wird verwundet und mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Einige Monate muß er in italienischer Kriegsgefangenschaft verbringen.

Am 27. September 1921 legt er sein erstes Ordensgelübde als Marianist ab. Gapp studiert am Priesterseminar der Gesellschaft Maria in Freiburg/Breisgau, 1930 folgt die Priesterweihe. Nach seiner Bückkehr nach Österreich arbeitet er als Reli-gionsprofessor und Spriritual in Freistadt, Lanzenkirchen und Graz.

Nach der Machtübernahme Hitlers muß Jakob Gapp zunächst Freistadt, dann Linz und schließlich Tirol verlassen, da er es als seine Pflicht ansieht, „als Priester der katholischen Kirche die Wahrheit zu lehren und den Irrtum zu bekämpfen”.

Er flieht nach Frankreich und schließlich nach Spanien. In Valencia gibt Pater Gapp zwei gut getarnten Gestapospitzeln Beligionsun-terricht. Bei einem gemeinsamen Ausflug wird er nach Frankreich entführt und verhaftet. In Berlin verurteilt man ihn wegen „Volksverrat” zum Tode, die Enthauptung folgt am 13. August 1943.

■ Seligsprechung: Das Dekret „de martyrio” über das Martyrium Jakob Gapps wurde am 6. April im Beisein von Papst Johannes Paul in Rom unterschrieben.

Das Verfahren ist damit abgeschlossen, Pater Jakob Gapp wird voraussichtlich beim nächsten Österreich-Besuch des Heiligen Vaters seliggesprochen.

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