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Kirche in der Verfolgungszeit

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Generalvikariat Nikolsburg

Im Dritten Reiche wurde zu den österreichischen Diözesen von „Amtswegen“ auch das kleine Generalvikariat Nikolsburg gezählt — umfassend das geschlossene, deutsche Sprachgebiet ,3 ü d m ä h r e n“ an der Nordgrenze Niederösterreichs mit 180.000 Katholiken und 146 Priestern in 104 Pfarreien mit insgesamt 271 Ortschaften, die 30 Kilometer in das Innere Mährens bis zur tschechisdien Sprachgrenze reichten.

Das Generalvikariat mußte von dem Brünner Bischof Dr. Josef Kupka im Oktober 1938 sofort nach dem Einmärsche der Deutschen errichtet werden. Man wollte den Bischof von seinen Gläubigen absperren, aber die feste Haltung des Volkes und Klerus mit dem Generalvikar Propst Dr. Franz Linke an der Spitze, vereitelte diese Absichten. Je mehr die Verfolgung einsetzte, desto enger scharten sich alle Katholiken um ihre Kirche, so daß Kirchenbesuch und Sakrament empfang bis zu 90 Prozent stieg.

Die Verfolgung setzte mit aller Wucht ein. Als die Gestapo sich an den Generalvikar heranwagte, mußte sie sich wegen der kampfbereiten Stimmung im Volke zurückziehen. Dafür begann man mit der Vertreibung der Ordensschwestern aus dem Krankenhause in Znaim und setzte für sie „braune“ Pflegerinnen ein, die von den Kranken und von den Ärzten abgelehnt wurden. Die einzige katholische Schule im Mädchenpensionate zu Groß-Grillowitz wurde sofort aufgehoben und für andere Zwecke herangezogen, trotzdem diese Schule als die beste anerkannt war. Die Filialen der St.-Hedwigs-Schwestern aus Frischau wurden kassiert und das Piaristenkonvikt in Nikolsburg bechlagnahmt.

Die Gestapo begann zugleich mit der Verfolgung der Priester, und es gab fast keinen, der nicht mit ihr Bekanntschaft machen mußte. Mehrere wurden in jahrelange KZ-Haft verschleppt.

Bei den Hausdurchsuchungen der Gestapo verschwanden nicht nur Lebensmittel, sondern auch Geld. Ein Priester, der so Mi Schaden kam, machte im Gefühle sein Rechtes die Anzeige, was ihm che Beschwl-digung „staatsfeindlicher Gesinnung“ und vier Jahre Dachau eintrug. Ein älterer Priester, der bei der Erstkommunion das religiöse Verhalten der BdM rügte, wurde nach Wien und Dachau gebracht und dort bis zo Kriegsende festgehalten. Ein Pfarrer, dessen Kaplan in seiner Abwesenheit einem „Gott* gläubigen“, der die katholische Kirche verlassen hatte, das katholische Begräbnis verweigerte, wurde ohne Verhör drei Monate eingekerkert, trotzdem sein Kaplan sich der Gestapo als der „Schuldige“ stellte und seine Verhaftung statt des Pfarrers energisch forderte. Hundert Frauen marschierten bei der Gestapo auf, um die Freilassung ihres Seelsorgers zu verlangen. In einer anderen Gemeinde, in der die Schwestern ausgewiesen werden sollten, demonstrierten 250 Frauen und nahmen Kerker und' Verfolgung auf sich.

Ganz Südmähren ist nun von den Tschechen besetzt, es war durch 700 Jahre deutsch, seine fleißige Bevölkerung stets mustergültig durch ihre religiöse Haltung.

Das Generalvikariat Nikolsburg endete unmittelbar vor Kriegsende mit dem plötzlichen Tode des hochverdienten Generalvikars Propst Dr. Franz Linke. Die Priester

gingen zum Teil mit ihren unglücklichen, aus dem Lande als Bettler vertriebenen Pfarrangehörigen ins Exil, einzelne wurden noch bei der Auswanderung mit dem Tode bedroht, die noch zurückgebliebenen Seelsorger müssen ebenfalls das Gebiet verlassen, soweit sie nicht im Konzentrationslager oder eingekerkert sind ...

Diözese Seckau

Zu den uns zugegangenen Mitteilungen über die Kulturkampf-Schäden in Steiermark erhalten wir folgende ergänzende Berichtes

In Graz war auch die historische Jesuitenniederlassung an der St. Pauluskirche am 16. November 1939 durch die Verhaftung aller Ordens-* mitglieder, 5 Patres und 2 Laienbrüder, auf* gelöst worden. Nach zwei bis vier Wochen Haft wurden alle aus Steiermark ausgewiesen; Haus, Kirche und ein großer Bauplatz wurden von Berlin aus „der Gemeinde Graz eingewiesen“. Das Haus wurde von der Gestapo, NSV, NSDAP, HJ, SA und SS und der Gemeinde vollständig ausgeräumt, samt der großen wertvollen Bibliothek vermietet. Die Kirche wurde Möbelmag a-z i n, der „Bauplatz“ von der Gemeinde Graz parzelliert und verkauft. Später wurden noch drei Jesuiten, die zu Seelsorgearbeiten in Graz waren, ausgewiesen.

Die Barmherzigen Brüder verloren drei Spitäler, ebenso die Elisabethi nerinnen ihr Spital und Kloster.

In Graz wurden insgesamt über 50 kirchliche Gebäude weggenom-t men, 25 Kirchen und Kapellen geschlossen und profaniert, die Mitglieder von 12 Orden ausgewiesen, über 300 Ordensleute, meist Frauen, auf die Straße gesetzt.

Die Rückgabe der Kirchengüter geschieht jetzt langsam. Teilweise sind die zurückgegebenen Häuser und Kirchen in sehr schlimmem Zustande.

Die Zahl wichtiger Bildungsstätten, die m Steiermark der kulturkämpferischen Raserei der nazistischen Spitzen zum Opfer fielen, gehörte auch die theologische Ordenshochschule der Redemptoristen in Mautern in Obersteier, eine wissenschaftliche Anstalt von bedeutendem Rang, in

der wahrend ihres mehr als hundertjährigem Bestand Theologen aus aller Welt, zumal Frankreich, England und Amerika herangebildet wurden. Die Professoren für Philosophie, Moral und Pastoral und Bibelwissenschaft wurden bald nach dem Einmarsch der Hitlerarmee in den Gefängnissen in Leoben und Graz in langer Untersuchungshaft festgehalten; und das nicht aus politischen Vergehen. Nach oftmaligen Hausdurchsuchungen und Zurückdrängung auf immer kleineren

Raum wurde im Jänner 1939 unter sehr harten Bedingungen die Ordensschule gewaltsam aufgehoben. Nach der Vertreibung aus der Steiermark fand die Hochschule in Puchheim, Oberösterreich, eine Zufluchtsstätte, bis sie von selber aufhörte, da alle Theologen zum Militärdienst einrücken mußten. Nach der Befreiung Österreichs wurden sofort die ersten Schritte unternommen, um die alte ehrwürdige Stätte ihrem hohen Zwecke wieder zu eröffnen.

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