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„Feindbegünstigung“

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Schon in aller Früh bin ich bei Euch und verhandle mit dem heben Gott und so geht es fort bis abends. Nachts schlafe ich sehr gut, doch trotz alledem bin ich bei Euch. Nachdem wir nicht sagen können, wir legen uns in die Federn, so sagen meine drei Zellengenossinnen und ich, wir legen uns in die Fetzen, doch eine schläft besser als die andere. Es bleibt doch das alte Sprichtwort wahr: Ein gutes Gewissen... Jeden Tag fragen wir uns, ob dies wohl der letzte sein wird, als Antwort kömmt dann immer: Wie Gott will, und dann geht es munter weiter... Oft denke ich mir, soviel wie in dieser Zeit hier gebetet wird, ist wohl in diesen Mauern noch nie gebetet worden. Und so manche, die es schon nicht mehr konnten, haben es wieder gelernt...“

Am 30. März sind es 35 Jahre, daß Schwester Restituta von der Kongregation der Schwestern des Dritten Ordens des heiligen Franziskus - die die-

sen Brief schrieb - im Wiener Landesgericht hingerichtet wurde. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung. Wer war diese Frau?

Die Tochter eines Amtsdieners im Wiener Innenministerium, in der Bri-gittenau mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Von ihrer jüngsten Schwester wird sie als ernstes und schweigsames Kind geschüdert, das sehr früh schon den Wunsch hatte, ins Kloster zu gehen. Der Ausbruch des Weltkrieges veranlaßt sie, sich zum Dienst für die Verwundeten zu melden. Sie beginnt im Lainzer Krankenhaus und kann von hier aus auch ihren anfangs sehr widerstrebenden Eltern begreiflich machen, daß ihr Leben den leidenden Mitmenschen und Gott gehört.

Als Operationsschwester ausgebildet, versieht sie von 1920 an bis zu ihrer Verhaftung am Aschermittwoch 1942 ihren Dienst im Mödlinger Krankenhaus, in einer Art, die ihr den Namen „Resoluta“ einträgt. Energisch, tüchtig, einsatzbereit, wo immer es nottut, mit allen ihren Kräften, aber auch wahrheits- und gerechtigkeitsfanatisch. Schonungslos gegen sich, genauso wie gegen andere.

„Die Ordensschwester und Operationsschwester am Städtischen Krankenhaus in Wien-Mödling, Helene Kafka, geb. am 1.5.1894 ...“ heißt es in der Anklageschrift, „klage ich an, während eines Krieges gegen das Reich der feindlichen Macht Vorschub zu leisten und der Kriegsmacht des Reiches einen Nachteil zuzufügen... Die Angeschuldigte hat ein Hetzgedicht, in dem die ostmärkischen Soldaten aufgefordert werden, die Waffen gegen ihre Kameraden aus dem Alt-reichzu erheben und für die Beseitigung der Nationalsozialistischen Staatsführung und die Losreißung der Ostmark vom Reiche zu kämpfen, sowie eine weitere Flugschrift staatsfeindlichen Inhaltes vervielfältigt und verbreitet... Bei diesen Flugblättern handelt es sich um das ... .Soldatenlied' sowie um eine mit den Worten .Deutsche katholische Jugend' beginnende Hetzschrift...“

Dieser letzten Tat war die verbotene Anbringung von Kreuzen in der neuerbauten Chirurgie des Krankenhauses vorausgegangen, dann die Weigerung, die Kreuze wieder abzunehmen.

In der Verhandlung am 29. Oktober 1942 wurde Schwester Restituta zum Tode verurteilt und - allen Begnadigungsgesuchen zum Trotz - am 30. März 1943 hingerichtet.

Als die Reihe an ihr war und sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen die Todeszelle verließ, drehte sie sich -wie der Anstaltsgeistliche berichtet -nochmals um und sagte zu den beiden zurückgebliebenen Zellengenossinnen: „Jetzt geht's zum Fest! Ich gehe in den Himmel!“

18.21 Uhr war es, vermeldet der Tagesbericht der Haftanstalt, als das Fallbeil fiel.

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