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Geschäftigkeit und Eifersüchteleien

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Der Papst reist 1987 wieder nach Deutschland. Das weitestgehend bereits festgelegte Programm dieser Reise kann naturgemäß nicht den Wünschen aller gerecht werden.

Die Verwirrspiele um den bevorstehenden zweiten Papstbesuch in der Bundesrepublik Deutschland sind nun endlich zu klaren Umrissen herangereift. Es war längst an der Zeit. Johannes Paul II. wird vom 1. bis zum 4. Mai des kommenden Jahres die Städte Köln, Kevelar, Münster, München, Augsburg, Speyer sowie einen noch nicht endgültig bestimmten Ort im Ruhrgebiet aufsuchen.

Der Apostolische Nuntius in Bonn, Erzbischof Josef Uhac, hat inzwischen bestätigt, daß das Oberhaupt der katholischen Kirche seine Visite in Köln beginnen wird, um dort Edith Stein seligzusprechen, die als gebürtige Breslauer Jüdin den katholischen Glauben angenommen hatte und in den Karmelitinnenprden eingetreten war. Edith Stein lebte lange Jahre im Kölner Karmel, bevor sie von den Nationalsozialisten 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Seit 1962 dauert ihr Seligsprechungsprozeß, der bis zum Herbst in Rom abgeschlossen sein dürfte.

Aber da gibt es einen zweiten, gewichtigen Anlaß für die rheinische Domstadt als Startrampe des päpstlichen Besuchs: Der Kölner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joseph Höffner, begeht

' zu Weihnachten dieses Jahres seinen 80. Geburtstag, und die Wachablöse am Rhein dürfte kaum noch lange auf sich warten lassen. Eine päpstliche Verabschiedungsgeste für Höffner, die der kirchenpolitischen Bedeutung dieses Kardinals entspricht, wird allgemein erwartet.

Bevor der Pontifex — noch am Tag seiner Ankunft in Deutschland — per Hubschrauber zu einer Marienfeier in den Wallfahrtsort Kevelar weitereilt, wird er in Köln einen Festgottesdienst zelebrieren. Doch damit beginnt für die gründlich-deutschen Planer das Vorbereitungsgerangel: Während das Generalvikariat einer Messe im Dom den Vorzug zu geben scheint, kämpft der Katholikenausschuß der Stadt um einen Gottesdienst im Köln-Müngersdorfer Stadion, das für eine solche Veranstaltung rund 70.000 Menschen Platz böte. Immerhin, so argumentieren die Kölner Katholiken, haben 1980 rund 400.000 Bürger im strömenden Regen ausgeharrt, als der Papst zum erstenmal kam.

In München steht eine zweite, nicht minder aufsehenerregende Seligsprechung auf dem Reiseprogramm des Kirchenoberhauptes: Jene des Jesuitenpaters Ru-

“ pert Mayer, der ebenfalls durch seine Auflehnung gegen den NS-Terror bekannt geworden ist. Mayer starb nach seiner Inhaftierung durch die Gestapo 1945.

An Widerstandskämpfern ist die katholische Kirche Deutschlands zwar reich; doch dies könnte nicht bloß zu Genugtuung Anlaß geben, sondern gleichviel zu Rivalitäten. So kann denn der Papst gar nicht umhin, auch den Dom zu Münster und die hier befindliche Grabstätte des Kardinals Clemens August Graf von Galen zu besuchen, der in mutigen Predigten die Ermordungen Behinderter und Geisteskranker durch die Nationalsozialisten angeprangert hatte. Auch für Graf Galen läuft

j_derzeit im Vatikan ein Seligsprechungsprozeß, wenngleich kaum erwartet werden darf, daß er bis zum Papstbesuch seinen Abschluß findet.

Nach seiner Reverenz für den Münsteraner Bekennerbischof, auf dem Terminkalender am 2. Mai, wird das Kirchenoberhaupt per Helikopter in Richtung Ruhrgebiet fliegen, um im Industrie-Bistum Essen in eine Kohlengrube einzufahren, und einen Gottesdienst feiern. Uber den genauen Ort darf noch gerätselt werden. Vorletzte Station der Papstreise soll Augsburg sein, wo Johannes Paul II. ein Priesterseminar einweihen will. Den Abschluß der Visite in der Bundesrepublik bildet am Vormittag des 4. Mai ein Besuch in Speyer. Hier schließt sich der Kreis: In Speyer *var Edith Stein 1922 von Bischof Ludwig Sebastian gefirmt worden.

Neben vorauseilender Geschäftigkeit prägen wirksam artikulierte Wünsche das Warten auf den Papst. Der Speyerer Bischof Anton Schiembach hat bereits öffentlich die Hoffnung deponiert, die Papstvisite solle die Ökumene vorantreiben. Für den Staat formulierte der Bundeskanzler wohlklingend, die zweite Begegnung mit Johannes Paul II. auf deutschem Boden werde, wie schon die erste im November 1980, „eine neue Erfahrung für die Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bundesregierung“ bilden.

Zwischen verbale Festgirlan-' den mischt sich freilich da und dort so etwas wie fromme Eifersüchtelei. So etwa wegen der Vertröstung des Erzbistums Bamberg auf einen späteren Papstbesuch — trotz der aktuell anstehenden 750-Jahr-Feier des Bßmber-ger Doms. Und gar offerierUnmut wird aus der Erzdiözese Freiburg laut: Wenn der Papst Speyer die Ehre gebe, um dort Edith Stein seligzusprechen, warum komme er dann nicht auch nach Freiburg, um hier die Kreuzschwester Ulrike Nisch aus dem Kloster Hege in gleicher Weise auszuzeichnen?

Wohin müßte er eigentlich noch jagen, mit Hubschraubern, dahinrasenden Autokonvois und Sicherheits-Troß, zwischen dem 1. und 4. Mai?

Was die 1913 gestorbene Kreuzschwester Ulrike Nisch betrifft, soll, so verlautet unter der Hand, ihre Seligsprechung in Rom stattfinden. Anderenfalls nämlich könnten sich neben Freiburg, wo Ulrike Nisch gelebt hat, noch ihre Heimatdiözese Rottenburg-Stuttgart und schließlich das Schweizer Bistum, wo das Mutterhaus ihres Ordens steht, düpiert fühlen. Volksfrömmigkeit oder teutonisch Kleinkariertes am Ausgang des so pluralistischen 20. Jahrhunderts?

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