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Grab in den Lüften

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Eine Ausstellung in der Wiener UNO-City behandelt Auschwitz, für dessen Kre- matorien Paul Celan in sei- ner „Todesfuge" die Meta- pher vom „Grab in den Lüf- ten" geprägt hat.

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Eine Ausstellung in der Wiener UNO-City behandelt Auschwitz, für dessen Kre- matorien Paul Celan in sei- ner „Todesfuge" die Meta- pher vom „Grab in den Lüf- ten" geprägt hat.

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Schon bei Beginn der Massen- vernichtung im August 1942 - man sprach von der „Generalprobe der Gaskammern" - waren mehre- re Österreicher unter den Opfern. So die Arbeiter und Widerstands- kämpfer Josef Nagl aus Wien, Franz Riegler aus der Steiermark und Alois Sindl aus St. Pölten. Ihnen folgten bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der ersten Republik, darunter die sozialdemo- kratischen Politiker Robert Dan- neberg und Edmund Reismann, die Anwälte Heinrich Steinitz und Egon Schönhof, der Librettist Franz Lehärs, Alexander Beda-Löhner, der Kabarettist Peter Hammer- schlag, die Sängerin Grete Holm, der Schriftsteller und Übersetzer Maurus Mezei, der Verleger Max Preger, der Literaturhistoriker Fritz Unger, der bekannte Sportler Willi Kurz, die Violinvirtuosin Alma Maria Rose und viele andere.

Auschwitz überlebt haben der weltbekannte Psychiater und Be- gründer der Logotherapie Viktor E. Frankl, der seine Auschwitz- Eindrücke in dem Buch: „Trotz- dem Ja zum Leben sagen. Ein Psy- • chologe erlebt das KZ" festgehal- ten hat, und Benedikt Kautsky, der Verfasser von „Teufel und Ver- dammte" . Bei einem Fluchtversuch erschossen wurde der kommunisti- sche Journalist und Widerstands- kämpfer Alfred Klahr. Erwähnt seien noch der Maler und Graphi- ker Heinrich Sussmann und der Häftlingsarzt Otto Wolken - ein Sozialdemokrat aus Niederöster- reich, der durch seine mutige und aufopfernde Tätigkeit zahlreichen Häftlingen das Leben retten konn- te.

Trotz der Gefahr bestand, wie in anderen Konzentrationslagern, in Auschwitz eine Widerstandsbewe- gung, in der Österreicher eine akti- ve Rolle spielten. Die Tätigkeit der Kampfgruppe Auschwitz, die na- türlich internationalen Charakter hatte, reichte von Solidaritätsak- ten für Leidensgefährten, morali- schem Zuspruch, Austausch von Informationen, Kontakten mit draußen (via polnische Zivilarbei- ter, mit denen man bei der Arbeit zusammenkam), Organisation von Fluchten in der Endphase bis zur konkreten Vorbereitung eines Auf- standes. Führend in diesem Bereich waren vor allem unsere Landsleute Ernst Burger und Hermann Lang- bein, weiter Heinrich Dürmayer und Ludwig Soswinski, der auch Ver- bindung zur Widerstandsgruppe im Frauenlager hatte, die unter der Führung von Herta Mehl stand.

Im Auftrag der Widerstandsbe- wegung flüchtete 1944 der Spanien- kämpfer Josef Meisel, der mit den polnischen Widerstandskämpfern im Raum von Krakau ein gemein- sames Vorgehen besprach. Beson- ders eng waren die Kontakte der Österreicher zu ihren polnischen Leidensgefährten, die die Mehrheit der Häftlinge bildeten. Noch am 3 0. Dezember 1944, wenige Wochen vor der Evakuierung, wurden Ernst Burger, Rudolf Friemel und Lud- wig Vesely gemeinsam mit den Polen Piotr Pionty und Bernard Swiercina auf dem Appellplatz gehenkt. Unter dem Galgen be- kannten sie sich zu einem freien Österreich beziehungsweise zur Freiheit Polens.

Im Frauenlager Auschwitz-Bir- kenau starb unter anderen Bene- dikt Kautskys Mutter Luise. Die Wiener Ärztin Ella Lingens-Reiner war wegen „Judenbegünstigung" nach Auschwitz gekommen. Auch sie stellte als Häftlingsärztin die Hilfe für ihre Schicksalsgefährtin- nen über die eigene Sicherheit, was nach dem Krieg auch international anerkannt wurde. In der Wider- standsgruppe waren ihre Lands- männinnen Wilma Geiringer und Lotte Sonntag aktiv, die im Som- mer 1944 von ihrem Arbeitskom- mando Material für Kampfmittel besorgten, das beim beabsichtigten Aufstand Verwendung hätte fin- den sollen. Betti Wenz leistete von der Häftlingsschreibstube aus Kurierdienste für die Widerstands- gruppe, mit deren Hilfe Anny Suss- mann die Flucht aus dem Lager gelang.

In Auschwitz-Birkenau war auch die Ordensschwester Cacilia Autsch - Sr. Angela aus Innsbruck -, die vor kurzem seliggesprochen wur- de. Sie wurde 1940 aus politischen Gründen verhaftet und kam 1942 vom Frauen-KZ Ravensbrück nach Auschwitz.

Nicht als Häftling, sondern als Krankenschwester im SS-Kran- kenrevier war die aus Vorarlberg stammende Maria Stromberger - gleichfalls aktive Katholikin - tä- tig. Obwohl sie damit täglich ihr Leben riskierte, zweigte sie, wo sie nur konnte, Lebensmittel und Medikamente für die Häftlinge ab und leistete Kurierdienste. Der hauptsächliche Kontaktmann für Schwester Maria war Hermann Langbein, der seine Tätigkeit beim SS-Standortarzt zu nutzen ver- stand.

Auschwitz war nicht nur Haupt- ort der „Endlösung der Judenfra- ge" und ein Massengrab für die Widerstandskämpfer aus allen von Hitlers Wehrmacht besetzten Ge- bieten Europas, sondern auch - im Sinne der NS-„Rassenhygiene" - Endstation für viele Zigeuner, auch für viele aus dem Burgenland. Be- reits im berüchtigten Lackenbach ist rund die Hälfte der dort Einge- lieferten aufgrund der Haftbedin- gungen gestorben. Für 2.897 Zi- geuner waren dann die Gaskam- mern von Auschwitz-Birkenau Endstation. (Siehe Erika Turner: „Das Zigeunerlager Lackenbach", Eisenstadt 1984)

Am 27. Jänner 1945 wurde mit der Räumung des Lagers begon- nen. Bei der Evakuierung gingerr noch viele Häftlinge zugrunde oder wurden von der SS erschossen. Zurück blieben Kranke und Häft- lingspfleger, deren Ermordung an- gesichts der schnell vorrückenden sowjetischen Truppen nicht mehr durchgeführt werden konnte. Un- ter den Geretteten waren auch eini- ge Österreicher, die sich unverzüg- lich als Österreich-Gruppe organi- sierten und ein Österreich-Zimmer einrichteten, das von Heinrich Suss- mann mit patriotischen Losungen versehen wurde. Von einer Wand grüßte bereits eine behelfsmäßig hergestellte rot weißrote Fahne. Der Verfasser sowie der spätere Poli- zeibeamte und Leiter der Gedenk- stätte Mauthausen Kurt Hacker gingen unverzüglich auf Suche nach Unterlagen und Dokumenten über den millionenfachen Massenmord in Auschwitz.

Die in den SS-Unterkünften ge- fundenen Listen, Anweisungen, Berichte und so weiter bildeten bei den späteren Gerichtsverfahren wichtiges Beweismaterial. Wir schlugen uns dann mit einigen Kameraden auf abenteuerliche und gefahrvolle Weise in die Heimat durch und bereits am 5. Mai 1945 brachte das „Neue Österreich" einen großen Artikel „Die Hölle von Auschwitz", in dem es einleitend hieß: „Den nachstehenden Bericht verdanken wir fünf Österreichern: Franz Danimann, Kurt Hacker, Hans Goldberger, Rolf Kosak und Emil Gmeiner, denen es gelungen ist, sich vor der geplanten Ermor- dung durch die SS zu retten. So ist es uns möglich, der österreichischen Öffentlichkeit fünf Zeugen vorzu- stellen, die mit ihrer Person für die Wahrheit ihrer Person einstehen."

Es war die erste öffentliche Er- wähnung der Verbrechen von Auschwitz in Österreich nach dem Krieg. Ehemalige österreichische Häftlinge waren auch Zeugen in et- lichen Prozessen gegen die Schul- digen, so im großen Auschwitz- Prozeß in Frankfurt 1963 bis 1965. Vor allem Hermann Langbein und Ella Lingens konnten dem Gericht das grauenhafte System der Ver- nichtung vermitteln. Weitere Zeu- gen aus Österreich waren Otto Wolken (der sich schon während der Haft unter Lebensgefahr Auf- zeichnungen über die Massenver- nichtung gemacht hatte), Heinrich Dürmayer, Hermann Reineck, Hans Sauer, Friedrich Skrein und Ernst Toch.

Der Autor ist Verfasser beziehungsweise Herausgeber mehrerer zeitgeschichtlicher Pu- blikationen und geschäftsfuhrender Vorsitzen- der der österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz. Dieser Beitrag ist die Kurzfassung einer in Vorbereitung befindlichen Dokumenta- tion. Die Ausstellung „Auschwitz, .lcrimeagoinst humanity" in Wiens UNO-City ist bis 25. Mai zu sehen. Montag bis Freitag, Schulen von 12, Ein- zelbesucher von 16 bis 18 Uhr, Checkpoint 1.

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