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Kein Leisetreter

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Beim nächsten Papstbesuch in Deutschland wird ein Mann in den Mittelpunkt rücken, dessen Seligsprechung die Kirche betreiben mußte, weil das Volk nicht lockerließ.

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Beim nächsten Papstbesuch in Deutschland wird ein Mann in den Mittelpunkt rücken, dessen Seligsprechung die Kirche betreiben mußte, weil das Volk nicht lockerließ.

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„Seligsprechung im Münchner Olympiastadion durch den Papst“: Das Wo und Wie dieses Ereignisses erschien unlängst sensationell genug für fette Schlagzeilen in der deutschen Presse. Die Person, um die es geht, wurde erst im Kleingedruckten erwähnt. Allein dieser Vorgang sagt schon viel aus über Pater Rupert Mayer, der am 3. Mai von

Papst Johannes Paul II. an besagter Wettkampfstätte zur Ehre der Altäre erhoben werden soll.

Denn der Jesuit, 1876 in Stuttgart geboren und fast die Hälfte seines Lebens in München tätig, war kein Mann spektakulärer Aktionen. Sein Wirken als Männerapostel, wie man ihn häufig nennt, außerdem als standhafter Prediger gegen Nationalsozialismus, geschah zwar in der Öffentlichkeit. Aber er tat dies ab 1912 bis zu seinem Tod am Allerheiligentag 1945 ausschließlich inmitten und für die Münchner. So wurde er hier schon zu Lebzeiten verehrt, während er außerhalb Bayerns heute selbst bei katholischen Christen kaum bekannt ist.

Der Seligsprechungsprozeß, bereits fünf Jahre nach seinem Tod von Kardinal Faulhaber ein-

geleitet, war denn auch trotz der langen Ahnentafel von Heiligen und Seligen ein seltener Vorgang in der Kirchengeschichte. Pater Rupert Mayer wurde nicht von Rom aus den Gläubigen präsentiert, vielmehr mußte sich die Kirche mit ihm befassen, weil das Volk nicht lockerließ. Das schilderte bei der Eröffnung einer sehenswerten Ausstellung über den Jesuiten im vergangenen Herbst in der Münchner Karmeliterkirche (jetzt Wanderausstellung) einer seiner Mitbrüder. Der unermüdliche Seelsorger verschied bald nach Kriegsende an den Folgen eines während seiner Predigt erlittenen Gehirnschlags. Schon drei Jahre nach seinem Tod, bei der Uberführung an seine heutige Ruhestätte, hätten sich rund 12.000 Menschen in der Neuhauserstra-ße gedrängt. Und heute beten täglich bis zu 3.000 Gläubige vor der schlichten Gruft in der Bürgersaalkirche, an verkaufsoffenen Samstagen sollen es oft bis zu 6.000

gezählte Besucher sein.

Die Ausstellung unter dem Titel „Ich schweige nicht!“ verfolgte die Lebensstationen von Rupert Mayer und konzentrierte sich in Fotos, Dokumenten, Presseausschnitten und Briefen auf die Zeit vor und nach der Machtübernahme. Rupert Mayer brachte damals durch seine furchtlosen Predigten gegen die nationalsozialistische Ideologie die Parteistrategen in arge Verlegenheit. Nicht ohne Grund wird er heute der „erste Befreiungstheologe“ seiner Zeit genannt.

Im April 1937 erhielt der Jesuit Redeverbot für das gesamte Reichsgebiet, zwei Monate später wurde er wegen Nichtbeachtung inhaftiert und vom Sondergericht München wegen „heimtückischer Angriffe auf Partei und Staat“ zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Ein Jahr danach erfolgte die zweite Verhaftung, Ende 1939 schließlich wurde Pater Mayer zum dritten Mal verhaftet und ins

KZ Sachsenhausen überführt.

Da sich sein Gesundheitszustand immer mehr verschlechterte, internierte ihn das NS-Regime im Benediktinerkloster Ettal: Die Nationalsozialisten wollten Rupert Mayer wegen seiner damals schon großen Beliebtheit beim Volk nicht zum Märtyrer machen. Ungebrochen klingen seine Briefe aus dem Gefängnis.

Der zweite, für Rupert Mayer wichtigste Strang seines Lebenswerks neben der Predigt war die Großstadtseelsorge. Bereits 1912 wurde er mit der Betreuung der zahlreichen Zuwanderer nach München beauftragt; seine Gemeinde setzte sich hauptsächlich aus einfachen Leuten zusammen: Arbeiter, Lehrlinge und Dienstmädchen. Viele Jahre lang leitete er die Marianische Männerkongregation mit 8.000 Mitgliedern, war Mitbegründer der Schwesternschaft zur Förderung und Erhaltung des katholischen Familienlebens, Vorstandsmitglied des Caritasverbandes und führte die zahlreich besuchten Frühgottesdienste im Hauptbahnhof für Ausflügler und Sportler ein. Bis zur körperlichen Erschöpfung nahm Rupert Mayer diese vielfältigen Aufgaben auf sich.

Das Verdienst der Ausstellung war sicherlich, daß sie einfach durch Fakten den Besuchern einen greif- und begreifbaren Menschen nahebrachte, der inmitten unserer Gegenwart beispielhaft gewirkthat. So heißt es denn auch in einer Begleitbroschüre“ zur Ausstellung: „Daß die Kirche aus übergroßer Vorsicht oft allzu lange, nicht selten mit einer Heiligsprechung Jahrhunderte gewartet hat, war häufig der Grund dafür, daß die Gläubigen zu diesem Heiligen aus einer weit zurückliegenden Zeit keine richtige Beziehung fanden. Diese Schwierigkeit dürfte zwischen Rupert Mayer und den Menschen unserer Zeit nicht entstehen. Er wird nach 42 Jahren, nach einer erstaunlich kurzen Zeit, in den Kanon der Heiligen und Seligen aufgenommen“.

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