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FURCHE: In diesem Jahr wurde das Verfahren, das Selig- bzw. Heiligsprechungen vorausgeht, erneuert. Wie verläuft es eigentlich?

KARDINAL PALAZZINI: Es beginnt mit der Rekonstruktion des Lebenslaufes eines Kandidaten. Dazu überträgt der zuständige Diözesanbischof diė Vorbereitungsarbeiten einer Kommission von drei Geschichtswissenschaftlern. Ist der Kandidat erst vor kurzer Zeit verstorben, konzentriert sich die Arbeit auf die Einvernahme von Zeugen. Dann wird das ganze Material an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse geschickt. Dort wird es geprüft und daraus synthetische Studien geschichtlicher und theologischer Art erstellt. Außerdem werden sieben eigens dafür vorgebildete Theologen mit der Untersuchung beauftragt, inwieweit der Kandidat beim gläubigen Volk den Ruf eines heiligmäßigen Christen genoß und inwieweit er die Tugenden in einer Weise übte, die das Maß guter Christen deutlich übersteigt. Das Urteil der Theologen wird dann von der Vollversammlung der Kongregation geprüft. Fällt auch dieses Urteil positiv aus, wird das Material dem Heiligen Vater zugeleitet. Ihm bleibt es vorbehalten, das Dekret über den „heroischen Tugendgrad“ auszustellen oder nicht.

FURCHE: Welche weiteren Schritte sind zur feierlichen Seligsprechung nötig?

PALAZZINI: Es muß noch untersucht werden, ob Hinweise darauf schließen lassen, Gott be kräftige durch „himmlische Zeichen“ den Ruf der Heiligkeit eines Kandidaten und wünsche sozusagen dessen Seligsprechung. Unter solchen „himmlischen Zeichen“ versteht man Wunder.

FURCHE: Wie stellt die Kongregation solche Wunder fest?

PALAZZINI: In der Regel geht es um außergewöhnliche Heilungsvorgänge. Sie müssen auf der Grundlage der Erkenntnisse moderner Wissenschaft geprüft werden. Die Berichte über außergewöhnliche Heilungsvorgänge werden von Kommissionen aus sieben spezialisierten Ärzten geprüft. Sie haben festzustellen, ob die vorliegende Heilung rein natürlich erklärbar ist. Urteilen sie negativ, muß eine Theologenkommission beurteilen, ob ein Wunder vorliegt. Dieses Urteil wird dann der Vollversammlung der Kardinale zugeleitet, die — wenn sie den Heilungsvorgang auch als Wunder werten— schließlich den Akt dem Papst zur letzten Beurteilung vorlegen. Stellt dieser das Dekret über die Echtheit des Wunders aus, sind alle wichtigen Vorbereitungen für eine Seligsprechung geleistet.

FURCHE: Und wie sieht der Schritt von einer Selig- zu einer Heiligsprechung aus?

PALAZZINI: Zuerst muß offiziell erklärt werden, daß das Verfahren wieder aufgenommen wird, danach muß ein zweites Wunder festgestellt werden, welches nach der Seligsprechung erfolgte.

FURCHE: Scheinen nicht pastorale Überlegungen nahezulie gen, vor allem vorbildliche Katholiken selig- bzw. heiligzusprechen, die unserer Zeit nahestehen?

PALAZZINI: Diese Überlegungen wurden 1981 auch von einigen Teilnehmern der Außerordentlichen Vollversammlung unserer Kongregation geäußert. Sie konnten sich in den folgenden Jahren durchsetzen. Es geht ja darum, dem Volk Gottes richtungweisende Vorbilder zu geben. Wir müssen daher verstärkt Laien einbeziehen, die ein tiefes Glaubensleben mit ihrem Berufsleben zu verbinden wußten. Außerdem verfolgt die Kongregation gegenwärtig die Absicht zu achten, daß in den Selig- und Heiligsprechungen auch wirklich alle Ortskirchen berücksichtigt werden.

FURCHE: Was erwartet sich die Kongregation von den einzelnen Ortskirchen zur Förderung derjenigen Prozesse, die sie für besonders wichtig hält?

PALAZZINI: Wir sind uns heute alle darin einig, daß die Vertreter der einzelnen Ortskirchen mehr gehört werden müssen. Wir versuchen diejenigen Prozesse zu beschleunigen, für die die Ortskirchen besonderes Interesse äußern. Ja, wir wollen die Bischöfe geradezu ermutigen, uns die gewünschten Vorbilder zu benennen. Finanzielle Probleme dürfen keine wesentliche Rolle spielen. Der Kongregation steht für finanzschwache Diözesen ein Fonds zur Verfügung.

Das Interview mit Kardinal Pietro Palazzini führte P. Heinrich Sėgur SJ, Rektor des Kollegiums Kalksburg, der bis vor kurzem Leiter der deutschsprachigen Sendungen bei Radio Vatikan war.

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