6578871-1951_05_13.jpg
Digital In Arbeit

Die Vorgeschichte der Planung

Werbung
Werbung
Werbung

Der Vatikan vermeidet das Wort „Reform“, weil es als eine unberechtigte kritische Beurteilung des Hergebrachten mißverstanden werden könnte; man spricht von einem „aggiornamento“, ein nicht leicht übersetzbarer Ausdruck, der soviel wie „auf das Laufende bringen“ bedeutet, nämlich im Sinn des Apostelwortes: „Nolite conformari huic saeculo, sed reformamini in novitate sensus vestri.“ Dieser Erneuerungsprozeß ist im Vatikan bereits seit 1944 bei einer eigenen Kommission in Studium und die Phase der Verwirklichung ist nahe. Die Männer, denen Pius XII. vor allem die vorbereitenden Arbeiten anvertraut hat, sind der bekannte Prediger P. L o m-b a r d i S. J., der organisatorisch begabte Präsident des päpstlichen Hilfswerkes Msg. B a 1 d e 11 i und der neue Präfekt der Kongregation für die religiösen Orden Kardinal M i c a r a. Der Kardinal ist erst vier Tage vor dem Kongreßbeginn in sein hohes Amt eingesetzt worden; er kommt von der vatikanischen Diplomatie her und man schätzt seine Fähigkeiten bei Verhandlungen, widerspruchsvolle Meinungen zu versöhnen, auszugleichen und auf einen Nenner zu bringen.

Man spricht davon, daß P. Lombardi bereits vor zwei Jahren den Sekreten Auftrag erhalten habe, den Kongreß vorzubereiten. Als dessen eigentlicher Organisator trat jedoch P. Larroana hervor. In den zehn Jahren seines Pon-tifikats hat Pius XII. immer wieder auf die Notwendigkeit des „aggiornamento“ hingewiesen. Seit 1944 sind diese Anspielungen immer häufiger geworden. Die Zeitschrift „Civiltä Cattolica“, der Pater Lombardi nahesteht, hat sich die Sache der Reform der religiösen Orden zu eigen gemacht. P. Lombardi schreibt darin: „Es genügt nicht, einen Gesetzeskodex zu haben und dessen Einhaltung wie ein Polizist zu überwachen; wir müssen die Augen öffnen für die Zeit um uns, sonst verwandeln wir einen lebendigen Körper in eine Mumie.“ Der Prediger hätte solches nicht ausgesprochen, wenn er sich nicht dazu befugt erachtete.

Die Ergebnisse des Kongresses werden jetzt ausgewertet und dann Pius XII. vorgelegt; sie sind, da die Kirche nicht demokratisch, sondern hierarchisch geordnet ist, zwar nicht verpflichtend, werden aber die Entscheidungen des Papstes mitbestimmen.

Die Zahl der Redner und Berichte war so groß, daß hier nur der Gegenstand angedeutet werden kann; lediglich der „Osservatore Romano“ war in der Lage, den Kongreßverlauf ausführlicher wiederzugeben: der Zutritt war den Laienjournalisten verwehrt, die Mehrzahl der Referate wurde in lateinischer Sprache gehalten. Die Tagespresse merkte bald, daß der Kongreß nicht „sensationell“ in ihrem Sinne war, daß zum Beispiel den Mönchen nicht anbefohlen wurde, das Ordenskleid abzulegen, wie von einigen Zeitungen voreilig angekündigt worden war. Es war diesen unbekannt, was der italienische Volksverstand seit langem weiß: daß nämlich das Kleid nicht den Mönch ausmacht. Sie wußten auch nicht, daß bereits in zahlreichen Fällen Ordenspriester zur besseren Erfüllung ihres

Apostolats den Talar ausgezogen und den Drillich des Bergmanns oder das Blauzeug des Industriearbeiters angelegt haben.

Gewiß wurde auch von solchen praktischen Dingen gesprochen und vor allem von den Widersprüchen, die sich dabei mit den Ordensregeln ergeben können, mit der Tageseinteilung, mit der Weltabkehr. „Aggiornamento“ des Lebens und der Disziplin, der Heranbildung und im Unterricht, des ordentlichen wie des außerordentlichen Apostolats standen zur Diskussion und führten oft zu heiklen juristischen Streitfragen, die jetzt vom Generalsekretär des Kongresses, P. Larroana, in allen ihren vielfältigen Aspekten gesichtet und analysiert werden. Als Beispiel für die moderne Arbeitsmethode mag der „Test“ des Professors Nosengo erwähnt werden, der einen 108 Fragen umfassenden Fragebogen unter den jungen Seminaristen von vier Instituten der Minoriten, Kapuziner, Karmeliter und Serviten zirkulieren ließ. Die Untersuchung, die zu überraschenden Ergebnissen führte, soll später auch auf die Institute anderer Orden ausgedehnt werden. Sie wird die Elemente für die Neuregelung der Priesterheranbildung liefern. Die Fragen waren dieser Art: „Hältst du dich für robust? Was denkst du von den reichen Leuten? Wie betrachtest du den Ehestand? Fällt es dir schwer, morgens aufzustehen? Deine Reinheit zu bewahren? Wie hilfst du dir dabei?“ Die Antworten drücken ganz allgemein ein größeres Bedürfnis nach körperlicher Betätigung aus. Jene die Geschlechtsfragen betreffenden führten zu ernsten Erkenntnissen, die sehr bald zu Reformen Anlaß geben werden. Nicht umsonst trat P. Berti, ein in strenger Askese lebender bekannter Jurist, für die Einführung des Fußballspiels in den Seminaren ein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung