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Der frühere Mitherausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift „ana-lyse“, Dr. Ernst Burkhardt, hat am 5. August in der Madrider St. Michaelsbasilika zusammen mit 50 weiteren Mitgliedern des Opus Dei die Priesterweihe empfangen. Unter den 51 Mitgliedern der bekannten Laienvereinigung, denen der Erzbischof von Madrid, Kardinal Vicente Enrique y Tarancön, die Priesterweihe erteilte, befinden sich Akademiker aus 16 Ländern der Erde, darunter ein amerikanischer Master of Arts, Verfasser mehrerer verbreiteter Sprachlehrbücher, ein kanadischer Professor für Politikwissenschaft, ein mexikanischer Arzt, ein brasilianischer Professor für innere Medizin, ein chinesischer Facharzt für Tropenkrankheiten, ein japanischer Wirtschaftler, ein französischer Diplomingenieur für Elektronik, ein weiterer Journalist aus Venezuela ...

Dr. Emst Burkhart ist 28 Jahre alt und stammt aus Wien. Nach dem Jusstudium gab er die Zeitschrift „analyse“ heraus. Seine theologischen Studien schloß er in Rom mit dem Doktorat ab. Nach seiner Priesterweihe wird Burkhart in Österreich in der Seelsorge tätig sein. Der Vater des Neupriesters ist Komponist und Professor am Konservatorium der Stadt Wien.

Der Gründer des Opus Dei, Prälat Josemaria Escrivä de Balaguer, lebt seit 1947 in Rom, von wo aus er die Vereinigung leitet. Anläßlich dieser Priesterweihe erklärte er: „Es mag Staunen erregen, daß in einer Zeit des Priestermangels Priesterberufungen unter Christen entstehen, die — dank eigener, ernsthaft durchgeführter Arbeit — ihre Probleme hinsichtlich ihrer weltlichen und beruflichen Stellung bereits gelöst haben. Ich verstehe dieses Erstaunen, aber ich wäre nicht aufrichtig, wenn ich sagen wollte, daß ich es teile. Diese Männer, die freiwillig das Priester-tum gewählt haben, wissen, daß sie sich damit keine Entsagung auferlegen, Entsagung im üblichen Sinne dieses Wortes. Auf Grund ihrer Berufung zum Opus Dei widmeten sie alle seit langem schon ihr ganzes Leben dem Dienst an der Kirche und an den Menschen, folgten sie einer Berufung, die sie zur Heiligung der Alltagsarbeit, zur Selbstheiligung während jener Arbeit und zum Streben nach Heiligung des Mitmenschen bei eben dieser beruflichen Tätigkeit führte.“

In diesen Sätzen des Gründers finden wir den Geist des Opus Dei zusammengefaßt, denn dieses Werk — das heute mehr als 56.000 Mitglieder in allen Erdteilen zählt — hat viele Jahre vor dem II. Vatikanischen Konzil eine Spiritualität verbreitet, die — auf der Taufgnade beruhend

— Laien in ihrer Eigenständigkeit zur Fülle des christlichen Lebens anspornt, sowohl im Sinne der Beschaulichkeit mitten in der Welt, als auch im Sinne einer apostolischen Betätigung, die keine fromme Übung für die Freizeit ist, sondern die ganze Existenz umfaßt. Der einfache Gläubige hat durch die Taufe nicht nur das neue Leben der Gotteskinder erhalten, das sich bis zur vollen Umgestaltung in Christus — die man Heiligkeit nennt — entwickeln kann, sondern auch den Auftrag, Christus zu bezeugen und die frohe Botschaft in alle Strukturen dieser Welt hineinzutragen, ohne daß er dazu irgendeine Weltentfremdung — escha-tologisches Zeugnis der Ordensleute

— oder eine besondere „missio cano-nica“ — hierarchische Sendung — benötigte. Daher seine Freiheit, seine schöpferische Dynamik, seine Aktualität, die keiner Erneuerung bedarf, denn er schreitet mit dieser unserer Zeit voran, seine Liebe zur beruflichen Arbeit, die seinen spezifischen Dienst am Mitmenschen bestimmt. So notwendig für die Kirche das Zeugnis der Ordensleute auch immer sein wird, so nützlich die hierarchische Steuerung des Aposto-lates einiger Laien — wie etwa der „Katholischen Aktion“ als des verlängerten Armes des Kirchenamtes

— immer noch sein kann, so sehr ist für die Verlebendigung des ganzen Kirchenvolkes die Initiative von der Basis her unentbehrlich, daß nämlich die Gläubigen als solche nach der Fülle des christlichen Lebens streben und im familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Bereich Zeugnis dafür ablegen.

Das Opus Dei will dazu beitragen, daß sich Menschen aller gesellschaftlichen Schichten der Würde der christlichen Berufung in ihrer ganzen Tragweite bewußt werden. Die Vereinigung gibt ihren Mitglieder die Formung und die geistlichen Mittel, die für ein inmitten der Welt und der beruflichen Angelegenheiten konsequent aus dem Glauben gelebtes Leben erforderlich sind, ein Leben, das in persönlicher Freiheit und Eigenverantwortlichkeit verwirklicht wird.

Gleich ihren Mitbürgern leben sie wie sie wollen und wo sie wollen, mit ihren Familien, oder dort, wo sie ihre berufliche Arbeit ausüben, wo sie aus familiären oder gesellschaftlichen Gründen wohnen müssen. Selten wohnen Mitglieder des Opus Dei zusammen, nur dann nämlich, wenn die Leitung korporativer Werke der Vereinigung dies unbedingt erfordert. Da die Mehrzahl der Mitglieder verheiratet ist, ist es selbstverständlich, daß sie nicht von der Ehefrau, dem Ehemann und den Kindern getrennt leben können, leben dürfen.

Natürlich stört es sie nicht, wenn man von ihrem apostolischen Eifer weiß, aber sie reden selbst nicht viel darüber; denn dergleichen gehört in den Bereich des Gewissens. „Wir verbergen nicht, was wir sind und was wir tun, aber wir tragen auch kein Schildchen auf dem Rücken, auf dem zu lesen steht: wir sind gute Christen, oder: wir wollen es sein.“ „Das Außergewöhnliche, nicht das Außergewöhnlichsein“ äst nach den Worte des Gründers ein Kennzeichen des Geistes des Opus Dei.

Ein weiterer, entscheidender Zug im Geiste des Opus Dei ist die Respektierung der persönlichen Freiheit. Die theologische und asketische Bildung, welche die Vereinigung ihren Mitgliedern vermittelt, will die Kenntnis des Glaubens und der Moral im Sinne des für alle Christen verbindlichen Lehramtes der Kirche vertiefen. Dabei wird den Mitgliedern keine bestimmte Auslegungsweise oder Schulmeinung auferlegt, sondern sie besitzen in allen theologischen Fragen, die der freien Meinungsbildung anheimgestellt sind, volle und umfassende Entscheidungsfreiheit. „Das Opus Dei wird niemals eine eigene philosophische oder theologische Schulmeinung vertreten oder verfechten.“ (Gespräche mit Msgr. Escrivä de Balaguer, Adamas-Verlag, Köln 1971.)

Wenn das Opus Dei schon auf philosophischem und theologischem Gebiet die Freiheit seiner Mitglieder respektiert, so dürfen erst recht „die Leiter der Vereinigung nicht versuchen“ wie der Gründer des Opus Dei erklärt, „den Mitgliedern eine bestimmte Meinung in zeitlichen Angelegenheiten aufzuerlegen, die Gott der freien Diskussion überlassen hat.“ Jeder denkt, spricht, schreibt und handelt nach seiner persönlichen Überzeugung auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem oder kulturellem Gebiet. Wird beispielsweise ein Mitglied des Opus Dei in irgendein öffentliches Amt gewählt, so wird der Betreffende dort nach seinen persönlichen Ansichten in politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht handeln. Die Vereinigung mischt sich nicht ein.

Diese Freiheit zeitigt naturgemäß eine volle und ausschließliche Eigenverantwortung. Erfolge in weltlichen Bereichen sind allein das Verdienst der jeweiligen Mitglieder.

Scheitern sie, so müssen sie selber vor dem Gesetz und vor ihren Mitbürgern für ihr Tun einstehen. Daher ist es keineswegs erstaunlich, daß es unter den Mitgliedern des Opus Dei, etwa in der Politik, verschiedene und sogar recht entgegen-gesetze Auffassungen gibt.

Die Vereinigung, die zwei voneinander völlig unabhängige Abteilungen, eine für Männer und eine für Frauen hat, umfaßt Menschen jeder Rasse, jedes Berufes und aller gesellschaftlichen Schichten, Verheiratete und Unverheiratete. Unter den Mitgliedern gibt es auch Weltpriester, die in der Diözese, in der sie leben, ihr geistliches Amt ausüben. Mitarbeiter des Opus Dei sind jene, die an der apostolischen Arbeit der Vereinigung teilnehmen, ohne selbst Mitglieder zu sein. Das Opus Dei ist die erste katholische Vereinigung, die mit Zustimmung des Heiligen Stuhles seit 1947 Nichtkatholiken und NichtChristen als Mitarbeiter aufnimmt. Die Vereinigung wird von einem Generalpräsidenten in Gemeinschaft mit dem Generalrat des Opus Dei geleitet. In jedem Land, in dem das Opus Dei arbeitet, besteht eine kollegiale Leitung unter dem Vorsitz eines Consiliarius. Die weibliche Abteilung ist analog strukturiert.

Die Hauptarbeit der Vereinigung besteht, wie schon erwähnt, darin, den Mitgliedern die notwendige geistliche Formung für ihr persönliches Apostolat zu geben. Darin aber erschöpft sich die Arbeit nicht. In allen Ländern, in denen das Opus Dei tätig ist, gibt es zahlreiche von ihm geleitete apostolische Unternehmungen auf dem Gebiet der Erziehung, der Fürsorge, der Erwachsenenbildung. So führt das Opus Dei in Wien zwei Studentenheime. Vor drei Jahren wurde den Priestern des Opus Dei die Seelsorge an der Wiener Kirche St. Peter übertragen.

Papst Paul VI. sagte über die Vereinigung: „Das Opus Dei ist in unserer Zeit als Ausdruck der immerwährenden Jugend der Kirche entstanden, die für die Erfordernisse eines modernen, täglich wirksameren, eindringlicheren und durchdachteren Apostolats weit offen steht.“ Ein Apostolat, das sich nach den Worten des II. Vatikanischen Konzils „aus der christlichen Berufung selbst herleitet“.

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