Knechtung des Gewissens

Werbung
Werbung
Werbung

Schon wieder eine Abrechnung mit dem Opus Dei!? Zumindest Dietmar Scharmitzers Schilderungen in einem neuen Buch beklemmen aufs Neue.

Literatur übers Opus Dei füllt Bücherwände. Auch wenn es stiller ums "Werk Gottes" geworden ist, eilt der streng konservativen katholischen Bewegung kein guter Ruf voraus. Zuletzt hielt Dan Browns Bestseller "Sakrileg" (2003/4) und dessen Verfilmung 2006 - wiewohl durch und durch Fiktion - dies am Köcheln.

Literatur, die sich kritisch mit dem Opus Dei auseinandersetzt, kann in zwei große Gruppen eingeteilt werden: Die eine analysiert dessen Äußerungen und Schriften, geht den (kirchen)politischen Implikationen und versucht, eine Spiritualität der Macht, die dem Werk innewohne, nachzuweisen. Die zweite große Gruppe besteht aus "Augenzeugenberichten", in denen ehemalige Opus-Dei-Mitglieder selbst Erlebtes darstellen. Der Rezensent verhehlt nicht, solch persönliche Schilderungen als authentischer erfahren zu haben, auch wenn das Opus Dei diese als wenig relevante Äußerungen Enttäuschter abzutun pflegt. Das Buch "Opus Dei - Das Irrenhaus Gottes?" bietet gleich beide beschriebenen Zugänge in einem Band an.

Der Wiener Gymnasiallehrer Dietmar Scharmitzer analysiert darin unaufgeregt, aber klar seine Zeit beim Opus Dei, das er Anfang der 90er Jahre verlassen hat (typisch: auch Scharmitzer benötigte Jahre, um das Erlebte so zu verarbeiten, dass er darüber schreiben konnte). Scharmitzer erzählt, wie er beim Opus Dei "landen" konnte, und welche generalstabsmäßige Planung dahinter steckte, ihn gleichzeitig zu gewinnen und zu demütigen (so wurde Scharmitzer vom Werk der Wunsch verwehrt, Priester zu werden). Die Erkenntnisse sind keineswegs neu, gewinnen aber hierzulande an Brisanz, als da vom Opus Dei in Österreich die Rede ist: Ein Gutteil der Protagonisten ist im kirchlichen Raum Österreichs auch heute bekannt.

Einer Institution wie dem Opus Dei, das mit seiner Parole, die Arbeit zu heiligen und mit dem Anspruch auftritt, das Engagement und das Leben von Laien in der Kirche zu befördern, ist nur mit der konkreten Schilderung, wie sehr solcher Anspruch in der Praxis pervertiert wird, beizukommen. Scharmitzer bestätigt auch in seinem Fall das ganze Repertoire, das dem "Werk" seit Jahren um die Ohren fliegt - von der "Abtötungs-" und Bußpraxis bis zur Verpflichtung, für jedwede Buch-Lektüre beim geistlichen Leiter um eine Erlaubnis ansuchen zu müssen.

Scharmitzers Beschreibung der Gewissens-Knechtung und dem dornenvollen Weg zurück ist ein weiteres erschütterndes Dokument intimer Opus-Dei-Kennerschaft. Leider ist seine sehr spannend zu lesende Geschichte nur der zweite Teil des Buches, denn in der ersten Hälfte nimmt sich der St. Pöltener Psychotherapeut und Theologe Alfred Kirchmayr eine theologische und tiefenpsychologische Analyse des "Werkes Gottes" vor. Dieser Teil - in obiger Charakteristik zur "ersten" Gruppe der Opus-Dei-Literatur zählend - bringt keine neue Erkenntnis und krankt daran, dass Kirchmayr seine Kritik an der Rückschrittlichkeit der gegenwärtigen katholischen Kirchenleitung zwar nachvollziehbar, aber doch gar eifernd zum Ausdruck bringt.

Brisanter ist da Scharmitzers Resümee, in dem er das Opus Dei als überaltert und mitten in einer tiefen Krise befindlich beschreibt.

Opus Dei - Das Irrenhaus Gottes?

Von Alfred Kirchmayr und Dietmar Scharmitzer. Editiona Va Bene, Wien 2008. 256 Seiten, brosch. € 19,80

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung