Allzu viel Deckweiß

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Das Opus Dei hat Glück: Die Absurditäten übers "Werk Gottes" in Dan Browns "Sakrileg" und ein Buch des Vatikan-Journalisten John Allen helfen der Bewegung gegen altbekannte Vorwürfe.

Eine Organisation wie das Opus Dei lebt seit Jahren mit negativem Image: sektenhafte Geheimniskrämerei; Mangel an Transparenz; hinterrücks Einfluss auf so ziemlich alle Machtkonstellationen innerhalb der katholischen Kirche; ein verschwiegenes Netzwerk, das die Finanzwelt der Kirche und der Welt durchdringt, desgleichen die konservative und weiter rechts stehende Politik in allen Winkeln der Wel; wer in der Kirche wirklich etwas werden wolle, müsse sich mit dem Opus Dei gut stellen, und dass ein Papst gegen das "Werk Gottes" gewählt werden könne, scheint schlechterdings undenkbar: Jede Verschwörung von oben gegen jedewede Kirche von unten wird ihm zugetraut. So oder so ähnlich reimt sich der Zeitgenosse die finstere Macht des Opus Dei innerhalb und außerhalb der Mauern des Vatikans zusammen.

Jede Verschwörung zugetraut

Das jüngste Beispiel: Einer der beiden Gottseibeiunse, die vorletzte Woche in Polens Regierung kamen, der nationalistisch-klerikale, antisemitische Vorsitzende der "Familienunion" Roman Giertych, ist Opus-Dei-Mitglied: Gestandene Medienkonsumenten wundert aber nichts mehr, und die Verquickung eines Opus Dei-Angehörigen mit der polnischen Recht(sextrem)en schon gar nicht.

Krisen-PR ist angesagt - so würde ein Großkonzern oder eine globale Institution im säkularen Bereich heutzutage reagieren. Solche Krisen-PR besteht zu einem Gutteil darin, die Mechanismen der öffentlichen Kommunikation zu beherrschen und zu nutzen. Das bedeutet etwa, sich nicht mehr hinter verschwiegene Mauern zurückzuziehen, sondern Transparenz, Offenheit, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren - allerdings mit dem Vorsatz, selbst das Heft der Transparenz in der Hand zu behalten und zu steuern zu versuchen, was öffentlich gemacht wird und was nicht.

Wichtig kann dabei auch sein, einen unverdächtigen Zeugen zur Hand zu haben, der die angegriffene Institution als unabhängiger Beobachter analysiert, und der auch den Angriffen nachgeht. Als weiteres Element für solche PR könnte ein medialer Hype dienen, der als völlig "absurde Darstellung" denunziert werden kann.

Das Opus Dei hat Glück: Solchen Medienhype gegen das "Werk Gottes" gibt es zur Zeit mit der Verfilmung des Dan-Brown-Bestsellers "Sakrileg", die dieser Tage ins Kino kommt (der Hype geht so weit, dass nicht einmal die Filmkritiker den Streifen rechtzeitig zu Gesicht bekommen - die Furche kann daher erst nächste Woche darüber berichten). Das Opus Dei wird darin als finstere Macht dargestellt, welche vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckt und per Gehirnwäsche Mitglieder rekrutiert - kurz: in extremer Zuspitzung verwendet die Roman-Vorlage die bekannten Vorwürfe gegen das Opus Dei, um die Handlung des Sakro-Krimis weiter zu treiben. Es wird dem Opus Dei kaum schwerfallen, die Brown'sche Fiktion als absurde Unwirklichkeit darzustellen.

Das Opus Dei hat aber - krisen-PR-mäßig - ein zweites Mal Glück, denn mit dem Buch "Opus Dei. Mythos und Realität - Ein Blick hinter die Kulissen" des amerikanischen Journalisten John Allen bekommt es auch die erwähnte unverdächtige Zeugenschaft in die Hand: Allen, Vatikankorrespondent der als liberal eingestuften US-Wochenschrift National Catholic Reporter, ist über diese Zeitschrift hinaus durch seine Bücher (darunter eine Biografie von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.) einem breiteren Publikum bekannt, einer weltweit interessierten Leserschaft auch durch seine per E-Mail verbreitete Kolumne The Word from Rome ( www.nationalcatholicreporter.org/word/), in der er aufgrund vieler Kontakte bis in oberste Kurienkreise wöchentlich die Vorgänge im Vatikan beschreibt und erklärt.

Allens Buch ist wahrscheinlich die erste umfassende Auseinandersetzung mit dem Opus Dei, welche sich sowohl auf (offizielle) Informationen aus der Organisation als auch von Kritikern stützt, und beides in einer Ausführlichkeit gegeneinander abwägt wie kaum je zuvor. Warum das möglich war? Wahrscheinlich war einerseits Allens Reputation im Vatikan groß genug, sodass sich auch das verschwiegene "Werk Gottes" sich in die Karten schauen ließ; andererseits dürfte sich dort endlich die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass Mauern gegen die böse Medienwelt der Außenwirkung einfach nicht gut tut. Vielleicht ist Letzteres ja auch Zeichen dafür, dass sich das Opus Dei in der Medienwelt zurechtfindet.

Heiligsprechung im Eiltempo

John Allens Buch ist wie geschaffen für diesen Zweck, denn er setzt sich ausführlich mit den Ansprüchen und Intentionen des Opus Dei auseinander und ist dafür durch die halbe Welt gereist - neben Rom und dem Gründungsland Spanien natürlich auch in die USA oder nach Lateinamerika, wo das Opus Dei etwa in Peru eine deutliche Rolle spielt (der Kardinal von Lima, Juan Luis Cipriani, ist einer der beiden dem Opus Dei angehörigen Kardinäle).

In journalistischer Prägnanz bietet das Buch einen Aufriss der Geschichte und der Spiritualität des "Werkes". Allen lässt Licht (und ein wenig Schatten) fallen auf Josémaría Escrivá de Balaguer, den Gründer (1902-75), der im Eiltempo selig (1992) und heilig (2002) gesprochen wurde. Er geht auch auf die kirchenrechtlich einzigartige Form der Personalprälatur, eine Art weltweiter Diözese, in der das Opus Dei organisiert ist, ein und auf die Kritik daran. Ja eben auch Kritikern, seien es ehemalige Mitglieder, sei es von außen, widmet er Raum - von der angeblichen kirchlichen Machtbesessenheit bis zum behaupteten Reichtum, sektenhaften Anwerbemethoden, dem Auseinanderreißen von Familien, der Frauenfeindlichkeit oder den autoritären Führungsstrukturen inklusive seltsamer Bußpraktiken, politischer Rechtslastigkeit etc.

Man muss Allen zugestehen, dass er diese Kritik extensiv zu Wort kommen lässt. Was dabei aber mehr als erstaunt, ist die Tatsache, dass von den meisten Anwürfen, denen das Opus Dei ausgesetzt ist, kaum etwas übrigbleibt. Anlässlich des Erscheinens der Originalausgabe im Oktober 2005 brachte es im Londoner Daily Telegraph, einer Zeitung, die keiner dem progressiven Lager zurechnen würde, Gastrezensent Damian Thomas, Chefredakteur des kreuzfrommen englischen Wochenblatts Catholic Herald, so auf den Punkt: "Zusätzlich zum Wegscheuern der Besudelung durch die Anti-Opus-Propaganda bedeckte er [Allen] es mit einer Schicht Tünche."

Radikal, aber harmlos?

Das ist tatsächlich der große Vorbehalt, der gegenüber dem Buch anzumelden ist: Das Opus Dei erscheint darin als eine in der persönlichen Lebensführung radikale, aber in Bezug auf "Sektengefahr" harmlose geistliche Bewegung, die Vorwürfe seien zum Teil auf Anfangsschwierigkeiten einer neuen Bewegung zurückzuführen oder in anderen Gemeinschaften wie Orden durchaus ähnlich zu thematisieren. Das mit den Finanzen stimme so nicht, mit dem politischen Einfluss detto. Einiges von dem, was Allen argumentiert, mag seine Richtigkeit haben, aber der Eindruck, dass hier zuviel Deckweiß über tatsächliche Probleme geschüttet wird, bleibt.

Vielleicht liegt das Unbehagen des Lesers daran, dass John Allen sich schon sehr bald für die spirituelle Ausrichtung des Opus Dei, die "Heiligung der Arbeit", begeistert. Allen deutet dies - wie es im Übrigen auch das Opus Dei selbst tut - als die eigentliche Innovation des "Werkes", mit der Escrivá das II. Vatikanum vorweggenommen habe - eine Spiritualität von Laien, die sich im Alltag bewähren müssen. Wie revolutionär dies tatsächlich war, und ob man das wirklich als Vorlauf des Konzils sehen kann, daran scheiden sich die Geister: Angesichts der Tatsache, dass sich das Opus Dei in der nachkonziliaren Kirche als Speerspitze eines konservativen, wenn nicht integralistischen Kirchenkurses positionierte, erscheint die bisweilen wenig hinterfragte Begeisterung für diese Spiritualität sehr befremdlich.

Natürlich ist auch für den, der all dem kritisch gegenübersteht, klar, dass das Opus Dei an der Kirchenspitze mehr als wohlgelitten ist; das gilt für Johannes Paul II., der das "Werk" stark förderte, wie für seinen Nachfolger. Schon aus diesem Grund ist eine Auseinandersetzung mit dem "Werk" notwendig.

Man sollte daher dieses Opus-Dei-Buch unbedingt lesen - allerdings mit dem klaren Wissen, dass auch Allen der unvoreingenommene Zugang nicht gelungen ist. Es ist dem Autor aber zu Gute zu halten, dass er auch den Hinweisen, wie man sich über Opus-Dei-Kritik informieren kann (etwa beim "Opus Dei Awareness Network"), den entsprechenden Raum einräumt.

Informationen:

offiziell: www.opusdei.at

kritisch (Opus Dei Awareness Network): www.odan.org

Opus Dei. Mythos und Realität - Ein Blick hinter die Kulissen

Von John L. Allen. Gütersloher Verlagshaus, 2006. 495 Seiten, geb. e 25,60

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