Echte und vermeintliche Fundamentalisten

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Ein lesenswertes Buch von Lucian O. Meysels, das die Frage nach der Einordnung konservativer katholischer Strömungen offen läßt.

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Ein lesenswertes Buch von Lucian O. Meysels, das die Frage nach der Einordnung konservativer katholischer Strömungen offen läßt.

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Ein Gespenst geht um, weltweit, der religiöse Fundamentalismus", heißt es schon im Klappentext, und Hubert Feichtlbauer ergänzt in seinem Vorwort, Thomas Meyer zitierend, er sei nicht nur "ein Spuk in den Hirnen derer, die publizistische Widersacher oder politische Gegner ins Abseits drängen wollten". Fundamentalismus sei ein Aufstand gegen die Moderne, besonders heftig in Zeiten rascher Veränderungen. Fundamentalismus gebe es in allen Bereichen, vor allem, wo Weltanschauung und Ideologie eine Rolle spielen, in Religion und Politik.

Der Autor selbst geht vorsichtig an sein Vorhaben heran, die fundamentalistischen Strömungen aufzuzeigen, angesichts dessen, daß sich der Begriff zum "schwammigen Modebegriff", zur "Worthülse", zum "klischeebeladenen Kampfbegriff der Medien" entwickelt hat. Er fragt selbst: "Wo aber verläuft der Trennungsstrich zwischen konservativen und sicherlich nicht übermäßig toleranten Gläubigen einerseits und den Extremisten andrerseits? Eine allgemein anerkannte Grenze gibt es nicht."

Mit dieser Einschränkung bietet er eine faszinierende Übersicht, vor allem der islamischen Extremrichtungen, nach Staaten geordnet, die sich liest wie ein Krimi. Von "Khomeinys Erben" im Iran über die Hezbolah im Libanon, "Arafats Rivalen" in der Hamas bis zu Osama ben Laden, die Taliban in Afghanistan und die Terroristen in Algerien zieht sich die Blutspur extremer islamistischer Gruppierungen, die teilweise bereits an der Macht sind und andernorts mit Terror nach ihr streben. Daß es ähnliche Bestrebungen stellenweise auch unter Juden, Hindus und Buddhisten gibt, berichtet Meysels ebenso kundig - hier zeigt sich aber doch deutlich: Beides probiert - kein Vergleich!

Daher erwächst ein gewisses Unbehagen, wenn der Leser zurückblättert und nochmals die Beschreibung der konservativen Gruppierungen innerhalb (und auch schon außerhalb) der katholischen Kirche liest. Communione e Liberazione, Opus Dei, Neokatechumenat, Focolarini und selbst die vom Vatikan bereits exkommunizierten Lefebvrianer sind sicher konservativ - das ist auch ihr gutes Recht. Manche ihrer Methoden stoßen auch in der Kirche auf Kritik, aber mit Feuer und Schwert sind sie sicher nicht unterwegs.

Das behauptet Meysels auch keineswegs, der immer wieder auf den Unterschied zu den Extremisten anderer Glaubensrichtungen hinweist. Der zitierte Vergleich zwischen den "Guerillas" der Communione e Liberazione und den "Panzerbrigaden" des Opus Dei mag g'schmackig sein, wird aber von einem Opus-Dei-Chronisten selbst relativiert: "Eine gute Brigade, einwandfrei ausgebildet und den Generälen treu ergeben - aber stets eine Brigade unter anderen ... eine der vielen Möglichkeiten, heute den Forderungen des Evangeliums entsprechend zu leben." Der Autor meint selbst, es bleibe dem Leser überlassen, sich ein Urteil zu bilden, ob das Opus wirklich zu den Fundamentalisten zu zählen sei.

Gibt es überhaupt eine wissenschaftliche Fundamentalismus-Definition? Ist es wirklich möglich, so verschiedene Phänomene wie die afghanischen Taliban und das Opus Dei unter einen Hut zu stellen? Besteht heute nicht zu leicht die Tendenz, alles als fundamentalistisch zu verteufeln, was der eigenen - pseudoliberalen - Meinung entgegensteht, alle als Fundamentalisten abzustempeln, die auf feste Fundamente, bestimmte Formen des Glaubenslebens Wert legen, ohne sie anderen vorschreiben zu wollen? Davon ist im Buch keine Rede - was keineswegs hindert, es als sehr lesenswert zu empfehlen.

GOTTES RÄCHER Fundamentalisten im Vormarsch Von Lucian O. Meysels Edition Va bene, Klosterneuburg 1998 216 Seiten, geb., öS 298,-

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