Geist des frohen Opfers

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Josemaría Escrivá gehört jetzt der ganzen Kirche, meint Martin Schlag, Regionalvikar des Opus Dei für Österreich, Tschechien, die Slowakei und Ungarn.Schlag stellt im Furche-Gespräch die Spiritualität des Werkes dar und nimmt zu Kritik am Opus Dei Stellung.

Seit 1998 ist Martin Schlag, 38, Regionalvikar des Opus Dei in Wien. Der promovierte Jurist war zunächst an der Universität Innsbruck tätig, in Innsbruck baute er auch das Opus-Dei-Zentrum Sillgraben mit auf. Ab 1994 studierte er in Rom Theologie, 1996 wurde er zum Priester geweiht.

Die Furche: Was bedeutet Josemaría Escrivás Heiligsprechung für Sie?

Martin Schlag: Es ist für uns eine große Freude, dass da jemand heilig gesprochen wird, der einen Weg der Heiligkeit geöffnet hat, der für viele Menschen gangbar ist. Aber es ist auch ein Anlass der Gewissenserforschung, denn: Wenn jemand so als Beispiel der Heiligkeit hingestellt wird, dann fragt man sich: Wie habe ich dem entsprochen?

Die Furche: Was ändert sich durch die Heiligsprechung für das Opus Dei?

Schlag: Wenn jemand heilig gesprochen wird, dann tritt er heraus aus der Schar seiner Freunde und geistlichen Kinder und wird zum "Eigentum" der gesamten Kirche. Ein Heiliger ist nie ein Vertreter bloß einer Spiritualität. Natürlich bleibt der selige Josefmaria immer der Gründer des Opus Dei, aber er gehört jetzt der ganzen Kirche.

Die Furche: Was bringt Josemaría Escrivá in die Kirche ein?

Schlag: Das Spezifikum der Botschaft des Opus Dei ist die "Heiligung der Arbeit". Er hat das auf eine kurze Formel gebracht: Die Arbeit heiligen, sich durch die Arbeit heiligen, die anderen durch die Arbeit heiligen. Die Grundidee ist diese Suche der christlichen Vollkommenheit in jeder Situation, ohne dass es deshalb notwendig ist, die Welt zu verlassen.

Die Furche: Das klingt aber eigentlich selbstverständlich: Es sollte doch jeder so leben, dass er ein heiligmäßiges, gemeint: gottgefälliges Leben führt ...

Schlag: Da haben Sie völlig recht, wenn man es aus der Perspektive des II. Vatikanums sieht, wo die allgemeine Berufung zur Heiligkeit ja zur Lehre der Kirche wurde. Das Opus Dei ist eine Art Klangkörper, der diese Lehre verstärkt. Es ist ein konkreter Weg. Wir empfehlen allen, die bei uns mitmachen, sich Zeit für Begegnungen mit Gott auszusparen: täglich zur Messe gehen, den Rosenkranz beten, am Abend eine Zeit der Gewissenserforschung halten ... Ein wichtiger Grundzug dabei ist die Gotteskindschaft: Dass man die Gelassenheit und Verantwortung spürt, ein Kind Gottes zu sein und sich danach verhält.

Die Furche: Was wollen Menschen, die dem Opus Dei angehören, bewegen?

Schlag: Die Ziele des Opus Dei sind ausschließlich religiöser Art. Es geht um die eigene Heiligung - aber auch um das Apostolat: Das heißt, jeder bemüht sich, in seinem Umfeld die Lehre Christi zu verbreiten, das Licht Christi auszustrahlen. Das bewirkt auch eine Veränderung der Gesellschaft!

Die Furche: Ihr Anspruch, den Alltag zu heiligen, hat also auch eine politische Dimension.

Schlag: Unsere Spiritualität ist weltzugewandt. Deswegen gibt es auch in einem weiten Sinn eine politische Seite - aber nicht im Sinn einer Parteilichkeit oder der Tagespolitik.

Die Furche: Aber Opus-Dei-Mitglieder sind auch in der Politik tätig?

Schlag: Der Gründer des Opus Dei hat immer gesagt: Jeder ehrbare Beruf kann ein Weg zu Gott sein. Und er musste darum kämpfen, dass keine Einschränkungen getroffen werden - gegen Leute, die meinten, Wirtschaftstreibende oder Politiker könnten nicht vollwertige Christen sein. Daher sind tatsächlich Opus-Dei-Mitglieder auch in politischen Parteien. Es gibt sie aber auch - etwa in Österreich - als Lehrer, Handwerker, Bauern, Schauspieler, Krankenschwestern, Hausfrauen, sogar einen Rauchfangkehrer - hier bei uns aber noch keine Politiker - nicht, weil es nicht so sein dürfte, sondern es hat sich noch nicht ergeben. Diejenigen Opus-Dei-Mitglieder, die in der Politik tätig sind, erhalten aber keine Weisung für ihre konkrete politische Tätigkeit, sondern wir versuchen ihr Gewissen so zu bilden, dass sie fähig sind, als Christen zu leben.

Die Furche: Opus-Dei-Politiker vermutet man eher in konservativen oder rechten Parteien ...

Schlag: Es gibt im Opus Dei keine weitere Einschränkung als die der Lehre der Kirche. Es gibt darüber hinaus keine internen Devisen, die sagen würden: diese oder jene Partei ...

Die Furche: ... aber gibt es doch Positionen, die unverzichtbar sind, sodass sie sagen: Dieser politischen Richtung können wird nicht zuneigen?

Schlag: Das Opus Dei ist keine politische Pressure Group - auch keine kirchenpolitische! Es steht sogar in unseren Statuten, dass das Opus Dei keine theologische Schule haben darf, sondern dass jeder - im Rahmen dessen, was das Lehramt abdeckt - die Meinung vertreten kann, die ihn überzeugt. Verstehen Sie das bitte nicht als Profillosigkeit! Welche Werte sind meinem Empfinden nach besonders wichtig? Da ist zunächst einmal die Familie. Ein zweiter Punkt ist die Erziehung der Kinder; da geht es darum, die Bindungsfähigkeit der jungen Menschen zu fördern und auch darum, das man ihnen das Antlitz Christi zeigt. Dann natürlich Fragen der Bioethik, des Lebensschutzes, des Menschenrechtes Nummer eins ...

Die Furche: ... Sie betreiben dazu ja ein bioethisches Institut in Österreich.

Schlag: Richtig. Aber zur Erklärung: Diese Initiativen werden immer von Einzelpersonen des Opus Dei ins Leben gerufen, ohne dass sie jetzt offizielle Vertreter des Opus Dei wären. In dem Fall ist dieses Bioethik-Institut namens IMABE ein Institut der Bischofskonferenz, das von einigen Mitgliedern des Opus Dei mit anderen initiiert wurde, um auf die Menschenrechtsprobleme in diesem Bereich zu reagieren.

Die Furche: Das Opus Dei ist nach wie vor umstritten. Wie sehen Sie das?

Schlag: Das Opus Dei hatte immer mehr Freunde als Feinde, sonst hätte es sich nicht so entwickelt. In den letzten zehn Jahren hat die veröffentlichte Meinung über das Opus auch viel ruhiger informiert. Ich unterscheide drei Arten von Kritik: Die eine ist gut gemeint und berechtigt, dafür sind wir sehr dankbar. Die zweite ist eine wohlgemeinte, aber nicht zutreffende Kritik: Ihr begegnen wir durch Aufklärung, Gespräch, Medienarbeit. Als Beispiel dafür kann man den Machtvorwurf nehmen: Die Macht des Opus Dei ist die Macht des Gebets, des frohen Opfers für die anderen. Wo sind denn die Mächtigen im Opus Dei? Für mich ist der Vorwurf der Macht in Wirklichkeit ein Beweis unserer Ohnmacht: Sonst könnten wir den Vorwurf gar nicht zum Erklingen bringen. Es gibt dann noch eine dritte Art der Kritik - die ist nicht nur unberechtigt, sondern auch schlecht intendiert: Die Haltung, die wir hier einzunehmen versuchen, ist die der Vergebung. Ich glaube, dass dies in der Öffentlichkeit auch so ankommt.

Die Furche: Wo etwa sehen Sie solch eine schlechte Absicht?

Schlag: Da ist der Vorwurf der Geheimnistuerei, eines Geheimbundes: Wenn ich eine Institution bin, die die Verbreitung des allgemeinen Rufes zur Heiligkeit zum Ziel hat, heißt das, dass unsere Mitglieder notwendigerweise über das Opus Dei sprechen: Wie ist es da denkbar, dass eine solche Institution geheim ist? Noch dazu: Wir stehen im Telefonbuch, man kann uns unter www.opusdei.org im Internet abrufen, alle Leiter sind bekannt, es gibt ein Amtsblatt, wo alle Ernennungen drinnen stehen; jeder, der will, kann sich über das Opus Dei informieren.

Die Furche: Es stimmt also nicht, dass das Opus Dei seine Mitglieder vor Öffentlichkeit verbirgt?

Schlag: Wenn man von einem Mitglied in seinem Umfeld nicht weiß, dass es zum Opus Dei gehört, dann ist es gescheitert.

Die Furche: Ein anderer Vorwurf ist der des Klerikalismus: dass bei Ihnen vor allem die Priester entscheiden.

Schlag: Im Gegenteil! Gerade im Opus Dei ist die Leitung zum Großteil in den Händen der Laien. Die Priester bilden keine Sonderklasse, sie sollen wirklich Diener der anderen sein. So sind in den Zentren auf lokaler ebene die Priester gar nicht stimmberechtigt im Leitungsgremium. Es gibt nur zwei Ämter, die für Priester reserviert sind, weil sie zur hierarchischen Struktur der Kirche gehören: Das sind der Prälat, der Bischof des Opus Dei in Rom, und dann der Regionalvikar, der der Vikar des Bischofs ist.

Die Furche: Und die Laien müssen sich nicht immer bei den Priestern rückversichern?

Schlag: Überhaupt nicht. Ziel der geistlichen Leitung ist nicht, Marionetten zu erzeugen, sondern sie soll im Gegenteil eine solche innerliche Freiheit vermitteln, dass jeder mit Sicherheit, das tut, was Jesus Christus an seiner Stelle tun würde.

Die Furche: Weiters wird dem Opus Dei vorgeworfen, dass Frauen eine untergeordnete Rolle spielen.

Schlag: Auch das stimmt nicht. Das Opus Dei hat zur Verbesserung der Stellung der Frau in der Kirche selbst beigetragen; der Gründer hat schon zu einer Zeit, als das noch ganz unüblich war, gefördert, dass Frauen Theologie studieren. Die Hälfte aller Zentren werden ganz eigenständig von Frauen geleitet. Frauen und Männer sind in der Prälatur ganz gleichberechtigt vertreten.

Die Furche: Die Aktivitäten der Männer und der Frauen sind aber getrennt.

Schlag: Ja. Es gehört zum Gründungscharisma des Opus Dei, dass die Veranstaltungen und Apostolate der Männer und Frauen getrennt sind. Wir sagen nicht, dass das die einzig mögliche Form der Pastoral ist, sondern nur, dass wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben. Das gilt insbesondere in der Jugendpastoral, weil man da oft nicht weiß: Kommt ein Bursch wegen des Mädchens oder kommt er wegen der Bildung bzw. wegen Jesus Christus zu einer Veranstaltung.

Die Furche: Es ist schlecht, wenn der Bursch wegen eines Mädchens kommt?

Schlag: Es ist natürlich nicht in sich schlecht. Aber bei einer Bildungsveranstaltung ist der Bildungszweck im Vordergrund.

Die Furche: Ein Schlagwort, das immer wieder auftaucht, ist das Ihrer Bußpraxis - Geißeln, Bußgürtel etc.

Schlag: Der allerwichtigste Bußgeist im Opus Dei ist jener des frohen Opfers in den gewöhnlichen Dingen. Das heißt, in der Erfüllung der Pflichten, die jeder hat. Daneben gibt es in der Kirche eine alte Bußpraxis, die auch ein Bußband oder das auf sich Nehmen kleiner physischer Schmerzen kennt, um sich dadurch stärker mit dem Leiden Christi zu identifizieren; im Opus Dei gibt es für manche - nicht für alle! - die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten ein Bußband zu tragen - mit Erlaubnis des Beichtvaters - die aber keinesfalls gesundheitsgefährdend sein darf.

Die Furche: Kann es in der Kirche auch andere Spritualitäten als die Ihre geben?

Schlag: Das Opus Dei ist ein Weg unter vielen. Der Gründer hat immer einen gesunden Pluralismus geliebt. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg hat er einmal in einem Kloster Exerzitien gehalten, und dort stand noch von den republikanischen Truppen das Spruchband: "Ein jeder Wanderer gehe seine eigenen Weg." Als die Teilnehmer an den Exerzitien dieses entfernen wollten, hat er gemeint: Lasst das! - der Spruch war dann das Motto der Exerzitien ...

Die Furche: Ist Papsttreue typisch fürs Opus Dei?

Schlag: Auf jeden Fall. Das Opus Dei besteht nur, um der Kirche zu dienen. Als Personalprälatur ist es ein besonderes Instrument der Gesamtkirche im Dienst an den Teilkirchen - und von daher mit der Aufgabe Petri verbunden.

Die Furche: Der Kirche in Österreich geht es mitglieder- und einflussmäßig nicht besonders gut. Was ist da zu tun?

Schlag: Ich würde das nicht rein negativ sehen: Jetzt ist eine Zeit der Krise, also der Unterscheidung, daher auch eine Chance. Denn es wird deutlich, dass es keinen "Katholizismus light" gibt. Jemand, der katholisch ist, weiß wirklich, warum er es ist. Ich glaube, die entscheidende Frage für die Zukunft ist jene nach Gott und nach Jesus Christus: ob für uns Jesus Christus und der Glaube wirklich der verborgene Schatz und die kostbare Perle sind, für die es sich lohnt, alles herzugeben.

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