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Apropos „Rebellion”

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Bund 2300 Gläubige wohnten am Sonntag, dem 6. Oktober, einer eindrucksvollen Feier in der Basilika Maria-Dreieichen, Niederösterreich, bei: die Primiz eines Neupriesters der bekannten Vereinigung Opus Dei wurde zu einem Ereignis, wie es die beliebte Wallfahrtskirche bei Horn seit 1932 nicht mehr erlebt hatte.

Der Primiziant DDr. Paul Blecha, geboren in Wien und Sohn des Röntgenologen Medizinalrat Dr. Hans Blecha, wurde vor kurzem in Barcelona (Spanien) zusammen mit anderen 43 Mitgliedern des Opus Dei aus aller Welt von Kardinal Jubany geweiht. Trotz seines verhältnismäßig jungen Alters kann DDr. Blecha auf eine intensive berufliche Tätigkeit zurückblicken: Als Doktor der Erziehungswissenschaften arbeitete er als Schulpsychologe und Leiter von Jugendklubs in Pamplona, wo er sein zweites Doktorat (Kirchenrecht) erworben hat. Die Beherrschung von fünf Sprachen erlaubte ihm, direkte Forschung in pädagogischen Fragen außerschulischer Erziehung und der Elternbetreuung in verschiedenen Ländern zu führen. In Wien leitete er unter anderem den Jugendklub „Delphin” im 9. Bezirk.

FURCHE: Wird es Ihnen möglich sein, Ihre bisherige berufliche Tätigkeit mit Ihrer priesterlichen Arbeit zu vereinbaren?.

DR. BLECHA: Dazu möchte ich folgendes sagen: bei der Weihe wiederholte uns Kardinal Jubany zu dieser Frage einige Worte des Gründers des Opius Dei: Wir wurden geweiht, um „hundertprozentige Priester” zu sein. Oder anders ausgedrückt: ich bin ein Lehrer, der Priester geworden ist, nicht ein „Lehrer- Priester” (in Anlehnung an die Arbeiterpriester). Ich liebe meinen Beruf und bereue nicht die Ausbildung, die ich für diesen Beruf empfangen habe. Aber von jetzt an werde ich meine ganze Zeit und alle meine Kräfte den priesterlichen Aufgaben widmen. Scheint Ihnen das zuwenig?

FURCHE: Nein, aber warum sind Sie überhaupt Priester geworden? Hat Ihnen Ihr bisheriger Beruf keine echte Befriedigung geben können?

DR. BLECHA: Doch, sogar sehr. Die Entscheidung, Priester zu werden, ist aus der Überzeugung entstanden, daß ich auf diese Weise meinen Mitmenschen einen Dienst erweisen kann, den ich — da er auf dem sakramentalen Charakter dieses Amtes beruht — sonst nicht leisten könnte.

FURCHE: Ein Spätberufener also?

DR. BLECHA: Nein. Meine Berufung zum Apostel ist viel älter. Sie begann, als ich zum ersten Mal das Opus Dei kennenlemte.

FURCHE: Wann war das?

DR. BLECHA: Es dürfte 1963 gewesen sein. Ein Jahr später gründete das Opus Dei in Österreich ein Studentenheim in Döbling. Ich war dort einer der ersten Heimbewohner. Sehr bald fühlte ich mich vom Geist des Opus Dei angezogen und bat um Aufnahme.

FURCHE: Was war der Grund dieser Anziehungskraft?

DR. BLECHA: Ich erlebte dort ein praktisch verwirklichtes Christentum. Ich lernte, daß unser religiöses Leben nicht von der täglichen Arbeit getrennt werden kann, daß Apostolat (also der Wunsch, anderen Menschen das Wunder der Erlösung und überhaupt der Liebe Gottes zu uns verständlich zu machen, so daß sie auch in ihrem praktischen Leben nach dem Gesetze Gottes leben) nicht ein „Beruf” für wenige ist, sondern eine Pflicht für alle Christen.

FURCHE: Können Sie das etwas konkreter fassen? Worin besteht eigentlich das Spezifische einer Berufung zum Opus Dei?

DR. BLECHA: Wenn Sie wollen, in der Wiederentdeckung und praktischen Anwendung der enormen Folgen aus jener Weihe an Gott, die jeder Christ bei der Taufe empfangen hat, oder in der Wiederentdek- kung jenes apostolischen Eifers der ersten Christen, von denen uns die Apostelgeschichte erzählt. Auf Grund der historischen Entwicklung hat sich in der Kirche eine Situation ergeben, die den Eindruck erwecken könnte, das Apostolat und das Streben nach Heiligkeit sei das Reservat nur einiger weniger, die sich öffentlich dazu verpflichten. Prälat Es- crivä de Balaguer, der Gründer des Opus Dei, lehrt aber, daß die Berufung zum Apostolat und zur Heiligkeit für jeden Christen im eigenen Stand, im eigenen Beruf, in der eigenen Umgebung die volle Geltung hat. Ohne die Welt zu verlassen, im Gegenteil, indem man die Welt liebt, können alle Christen dieser Berufung Folge leisten. Beim Opus Dei habe ach die Möglichkeit gefunden, die entsprechenden Anleitungen, die entsprechende Ausbildung und die praktische Unterstützung zu erhalten, die mir auf diesem Weg helfen.

FURCHE: Inwieweit ändert oder erweitert also diese Priesterweihe Ihre Berufung?

DR. BLECHA: In bezug auf die Widmung zum Apostolat und den Wunsch, mit meiner persönlichen Lebensführung den Willen Gottes in dieser Welt zu erfüllen, hat diese Weihe nichts Neues dazugegeben. Es ist eine andere Form, weiterhin meinen Mitmenschen zu helfen, Umgang mit Christus zu pflegen. Vom

Standpunkt des Sakramentes war es natürlich eine schwerwiegende Entscheidung, da ja der Priester nicht nur ein „Vorsteher” einer Gemeinde ist, sondern ein Diener aller, der in der Person Christi selbst handelt.

FURCHE: In einer Zeit, da viele Priester und Ordensleute Ihr Amt verlassen, erscheint Ihre Entscheidung als eine Art „Rebellion”…

DR. BLECHA: Es steht mir nicht zu, über die Entscheidung jener zu urteilen, die ihr priesterliches Amt verlassen haben, oder zu den Ursachen, die zu dieser Situation geführt haben, Stellung zu nehmen. Ich fürchte nur, daß wir hier einer großen Täuschung unterliegen könnten: Die Zahl derer, die weiterhin ihren Dienst in Demut und Liebe verrichten, ist unvergleichbar größer. Wenn Sie meine Entscheidung als „Rebellion” bezeichnen, dann gibt es in der Welt noch viele Rebellen. Und um weiter Ihren Vergleich zu gebrauchen — die Rebellion begann in dem Moment, als ich vor Jahren beschloß, mein Leben als Laie in der Welt dem Apostolat zu widmen, ohne meinen Beruf und meine Stellung zu verlassen.

FURCHE: Apropos Rebellion. Sind Sie der Meinung, daß die Priester politisch tätig sein sollen?

DR. BLECHA: Die Aufgabe eines Priesters besteht darin, die heilige Messe zu feiern, die Sakramente zu spenden, das Evangelium zu verkünden und allen Menschen zu helfen, Christus zu erkennen und anzuerkennen, ohne Unterschied der Ideologien oder politischen Meinungen. Lassen Sie es mich so sagen: Für mich gibt es in der Welt zwei Lager: das Lager Gottes und das des Teufels. Ich kann Ihnen versichern, daß ich im ersteren stehe. Wir sollen keine Politik treiben, wie auch Christus keine Politik getrieben hat. Wir müssen aber unseren Christen immer wieder in Erinnerung rufen, daß sie die Pflicht haben, die Welt nach dem Willen Gottes zu gestalten. „Politik machen” ist eine Pflicht der Laien, unter ihrer eigenen Verantwortlichkeit und unter Wahrung ihrer eigenen persönlichen

Freiheit. Ich bin aber als Priester für alle da, die mich brauchen: ich werde diese Menschen nie danach fragen, welche politische Meinung sie haben. Ich werde sie danach fragen, ob sie Gott lieben, ob sie seine Gebote halten und ob sie den Nächsten lieben. Etwas anderes zu tun, wäre eine Anmaßung meinerseits, weil ein Priester in der Kirche ja eine öffentliche Funktion bekleidet, er ist kein Privatmann…auch dann nicht, wenn er den Talar nicht trägt.

FURCHE: Fürchten Sie nicht, daß Ihre Umwelt, besonders die Jugend, nicht mehr Ihre Aufgabe verstehen wird?

DR. BLECHA: Nein, das fürchte ich nicht. Erstens, weil ich ja doch bis vor ganz kurzem in dieser Welt selbst als Laie gewesen bin, so daß ich — ohne übertreiben zu wollen — diese Umwelt genauso gut kenne wie diejenigen, die von jetzt an in mir den Priester sehen werden. Außerdem gewinne ich jedesmal mehr die Überzeugung, daß die Leute lieber einen Priester haben, der sich offen zu seinem Amt bekennt, als einen, der sich als Laie „verkleidet”. Ich scheue das Gespräch und die Kritik nicht.

FURCHE:… und gegenüber der Jugend?

DR. BLECHA: Da fürchte ich mich noch weniger. Die heutige Jugend ist in der Lage, Ideale zu verstehen und ihnen zu folgen. Und wenn diese Jugend Gelegenheit hat, sich zu überzeugen, daß ein Priester auch in seinem persönlichen Verhalten im Einklang mit dem, was er predigt, lebt, dann achten und schätzen sie die Persönlichkeit des Priesters. Ich habe im Ausland studiert und kenne auch die Jugend anderer Länder. Und ich glaube sagen zu können, daß meine Erfahrung mit der österreichischen Jugend sehr positiv gewesen ist. Auch meine Arbeitskollegen haben sehr gut verstanden, was ein Priester ist. Meine Familie und mein engerer Freundeskreis haben sich sehr gefreut, als sie von meiner Weihe hörten.

FURCHE: Konkret gesprochen, was werden Sie jetzt als Priester machen? Wo werden Sie arbeiten?

DR. BLECHA: Ausschließlich mich der Seelsorge widmen, mit einer Einschränkung: was die Laien im Dienste Gottes und der Kirche tun dürfen, sollen sie tun; ich werde — dem Geist des Werkes gemäß — ihren Einsatz und dessen Freiheit nicht beschneiden, sondern ganz im Gegenteil ermutigen und durch meinen Dienst als Sakramentspender und amtlicher Verkünder des Gotteswortes stärken. So werden sich auch alle anderen 43 Mitglieder des Opus Dei, die mit mir zusammen geweiht wurden, verhalten, und ich glaube sagen zu dürfen, daß dieses sich jährlich wiederholende Phänomen (daß so viele Menschen auf die Ausübung ihres zivilen Berufes um des priesterlichen Dienstes willen verzichten) die Unentbehrlichkeit, im übrigen auch den hohen Wert des Priesteramts in einer Zeit deutlich macht, da einige Priester zu vergessen scheinen, was sie sind und was sie haben und nach allerhand weltlichen Berufen schielen, um sich gesellschaftlich zu behaupten. Diese Haltung ist ebenso unangemessen wie die umgekehrte mancher Laien, die neuerdings sich in priesterliche Amtsfunktionen drängen, ohne bereit zu sein, Priester zu werden. Die Aufgabenteilung zwischen Priester und Laien, wie sie zum Wesen des Opus Dei gehört, macht diese beiden Versuche unmöglich.

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