6932136-1982_33_04.jpg
Digital In Arbeit

Alle könnten mehr Solidarität üben

19451960198020002020

Kreiskys Vize ist für Prämienverzichte hoher Manager, Sparen in der Verwaltung, später auch ein Beamtenopfer und gleitende Übergänge in das Pensionsalter.

19451960198020002020

Kreiskys Vize ist für Prämienverzichte hoher Manager, Sparen in der Verwaltung, später auch ein Beamtenopfer und gleitende Übergänge in das Pensionsalter.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Die derzeitige Umverteilungsdiskussion wird mit erschreckender Niveaulosigkeit geführt. Kann man nicht in Krisenzeiten wirklich ernsthaft über Solidaritätsopfer diskutieren?

KARL BLECHA: Solidarität ist sicher das richtigere Wort für das Notwendige. Es geht heute darum, wie die Gesellschaft solidarischer werden kann. Natürlich bedeutet „Umverteilung" eine Einkommensneuverteilung zwischen den sozialen Gruppen, und dafür ist eine Krisenzeit, wie schon Bruno Kreisky sagte, der schlechteste Augenblick. Wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen geht, braucht man dazu auch die Arbeitgeber. Hat man diesen in guten Zeiten steuerliche Begünstigungen als Investitionsanreiz eingeräumt, so kann man sie ihnen jetzt nicht wegnehmen. Aber über Solidaritätsopfer innerhalb der sozialen Gruppen, auch der der Lohn- und Gehaltsempfänger, muß man reden.

FURCHE: Also prozentuell weniger für Besser-, mehr für Minderverdiener?

BLECHA: Ja. Gestaffelte Prozenterhöhungen und Sockelbeträge sind keine Erfindung des Jahres 1982.

FURCHE: Auch bisher gab es immer höhere prozentuelle Zuwächse bei den Tarif- als bei den Istlöhnen. Aber wo soll die Minderentlohnung diesmal beginnen?

BLECHA: Ubereinstimmung besteht ja praktisch schon darüber, daß Politikergehälter, die an die Höchstbezüge im öffentlichen Dienst gekoppelt sind, eingefroren werden sollen. Trotzdem muß man in Erinnerung rufen, daß die Nettobezüge etwa eines Nationalratsabgeordneten seit 1970 um 138 Prozent, die Netto-durchschnittsbezüge der Österreicher aber um 174 Prozent gestiegen sind. Auch kommen Abgeordnete mit einem zweiten Bezug jetzt direkt in die Progression hinein. Es hat also sehr wohl schon einen Privilegienabbau gegeben, seit die Sozialisten die Mehrheit stellen.

FURCHE: Also wo soll diesmal das Einfrieren beginnen: etwa bei 40.000 Schilling Monatsgehalt, wie schon geschrieben worden ist?

BLECHA: Ich nenne keine Zahl, sonst hätten ja Verhandlungen darüber keinen Sinn mehr.

FURCHE: Aber es wird nicht nur um Politikerg ehälter gehen?

BLECHA: Sicher nicht. Nur haben die leitenden Angestellten in der Verstaatlichten und in der Privatwirtschaft meistens Sonderverträge mit Wertsicherungsklauseln. Auf eine Erhöhung zu verzichten, wäre ein freiwilliger, aber notwendiger Akt der Solidarität in Unternehmungen, deren Arbeitnehmer nicht einmal die Inflationsrate abgegolten bekommen.

FURCHE: Wird Ihre Partei einen solchen Appell zu freiwilligen Verzichten etwa an die Manager der verstaatlichten Industrie richten und ähnliche Appelle der anderen Parteien an deren Leute erwarten?

BLECHA: Ja, man wird an deren Solidarität appellieren und diese nicht nur auf Gehälter beziehen.

FURCHE: Worauf noch?

BLECHA: Man soll überlegen, welche Gewohnheitsrechte gestrichen werden können. Wir müssen aber auch an alle Arbeitnehmer appellieren, mehr solidarisches Verhalten zu praktizieren. Jeder einzelne soll überlegen, ob er unbedingt in den Kranken-

stand gehen muß, ob er nicht gewisse Nachbarschaftsleistungen vor den Leistungen der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen oder persönlich ein Beispiel geben könnte, indem er sich etwa nicht gleichgültig gegenüber der Zerstörung öffentlichen Gutes zeigt...

FURCHE: Apropos öffentliches Gut — gehen Verwalter öffentlicher Gelder nicht auch mit diesen oft viel unbekümmerter um als mit ihrem eigenen Geld, was dann in Verschwendung und wachsenden Schulden resultiert?

BLECHA: Sicher. Aber Osterreich hat bewiesen, daß man einen verschwenderischen Umgang mit Steuergeldern minimieren kann. Das von gewissen Medien entworfene Bild eines total verschuldeten Österreich stimmt mit internationalen Statistiken nicht über-

ein. Österreichs Nettoverschuldung ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, noch immer eine der geringsten in der Welt. Dennoch gibt es in der staatlichen Verwaltung noch genug leichtfertigen Umgang mit öffentlichen Mitteln.

FURCHE:Können Sie Beispiele dafür nennen?

BLECHA: Nein, weil es sich um Fälle handelt, die nach ihrem Bekanntwerden bereinigt wurden. Wüßte ich darüber hinaus vom Mißbrauch öffentlicher Gelder, ohne dagegen energisch aufzutreten, wäre ich mitschuldig.

FURCHE: Zurück zur Solidarität: Müßten in Zeiten der Arbeitsplatzbedrohung diese nicht gerade jene zeigen, die einen lebenslang garantierten Arbeitsplatz haben, also etwa pragmatisierte öffentlich Bedienstete und ihnen gleichzuhaltende Dienstnehmer?

BLECHA: Man kann nicht alles auf einmal tun. Da von Beamtengehaltsverhandlungen Auswirkungen auf die nächste Lohnrunde auch in der Privatwirtschaft ausgehen, haben wir uns mit den Beamtenvertretern verständigt, daß auch sie bei den Gehaltsforderungen der Krisenzeit Rechnung tragen.

FURCHE: After später wird dann auch über ein besonderes Beamtenopfer etwa in der Form eines Beitrags zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung gesprochen werden?

BLECHA: Die Diskussion darüber hat schon begonnen, aber ich sage noch einmal, daß es unfair wäre, den öffentlich Bediensteten zwei Dinge auf einmal zuzumuten.

FURCHE: Also erst nach der Nationalratswahl...

BLECHA: So kann man das nicht sagen. Man muß vor einer Wahl klarstellen, was nachher geschehen wird.

FURCHE: Heißt das, daß die Wähler diesmal im Wahlkampf im großen und ganzen genau erfahren werden, welche Belastungen nach der Wahl auf sie zukommen?

BLECHA: Ja.

FURCHE: Ein anderes denkbares Solidaritätsopfer könnte von jenen erbracht werden, die einen Arbeitsplatz haben, zugunsten derer, die schon arbeitslos sind. Eine Arbeitszeitverkürzung könnte sicher die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen aufteilen. Da aber auch von prominenten Sozialisten die Auffassung vertreten wird, daß so etwas nur im internationalen Gleichschritt zu verkraften ist, wäre da eine vor-

zeitige Arbeitszeitverkürzung bei Aufschub des Lohnausgleichs bis zum Mitziehen anderer Staaten denkbar?

BLECHA: Nein. Ich halte das deshalb nicht für zielführend, weil ein solcher Rückschritt in der Sozialpolitik sofort schamlos ausgenützt würde. In der Vergangenheit war es doch immer so, daß Veränderungen der Technologie Rationalisierungen möglich machten und starke Gewerkschaften die Unternehmer dazu zwangen, entbehrlich gewordene Arbeiter dennoch weiter sinnvoll zu beschäftigen. Hätte es diesen Druck nicht gegeben, wäre entweder überhaupt nicht rationalisiert oder nur die Menschen wären wegrationalisiert worden. Diesen Druck darf man nicht aufgeben.

FURCHE: Wie aber sollen Branchen eine Arbeitszeitverkürzung verkraften, die auch mit Hilfe der Mikroprozessoren nicht rationalisieren können? Die Haare wird man wohl auch in Zukunft nicht elektronisch schneiden...

BLECHA: Erstens hat es genau das gleiche Problem auch bei der Einführung des Achtstundentages und später der 40-Stundenwo-che gegeben. Und zweitens wird es in naher Zukunft keine generelle, sondern eine spartenweise Arbeitszeitverkürzung geben. Bei der Wochenarbeitszeit liegt •Österreich hinter den meisten westlichen Industriestaaten. Allerdings haben wir die meisten Feiertage und einen relativ langen Urlaub.

FURCHE: Könnte man in der Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung nicht auch die Möglichkeit individueller Regelungen stärker berücksichtigen? Also etwa: Jeder ist zu einer bestimmten

Lebensarbeitszeit verpflichtet und kann sich einmal längere, einmal kürzere Arbeitszeiten und Urlaube selbst aussuchen?

BLECHA: Es gibt modellhafte Versuche. Erwiesen ist, daß ein späteres Eintreten ins Berufsleben viele Vorteile hat, dagegen der zwangsweise abrupte Eintritt in den Ruhestand von vielen als große Belastung empfunden wird.

FURCHE: Warum ermöglicht man dann nicht jedem einen gleitenden Ubergang in die Pension?

BLECHA: Darüber muß man diskutieren. Ich bin zum Beispiel skeptisch, ob eine allgemeine Herabsetzung des Pensionsalters sinnvoll wäre. In Krisenzeiten müßte man halt Anreize dafür schaffen, ein Pensionsangebot anzunehmen.

FURCHE: Sind nicht auch die Altersklauseln für Politiker, die in einer Zeit kritikloser Jugendanbetung eingeführt wurden, heute eigentlich überholt?

BLECHA: Man muß Vor- und Nachteile abwägen, aber es ist sicher sinnvoll, daß ein Politiker sich beizeiten auf seinen Abschied aus der Politik einstellen kann.

FURCHE:Ist es aber nicht peinlich für die SPÖ, daß die Altersklausel nun schon zum wiederholten Mal für Kreisky ausgesetzt wird, der ihre Einführung am stärksten verlangte, und daß jetzt ein Minister nach dem anderen sagt, er wäre zum Weitermachen bereit...

BLECHA: Ich finde, daß Broda und Staribacher (der übrigens von der Altersklausel noch gar nicht betroffen ist) völlig korrekt handeln, wenn sie sagen, sie seien zur Wiederkandidatur bereit, wenn die zuständigen Gremien dies wünschten. Damit werden diese Gremien in keiner Weise präjudiziell. Bei Kreisky hat der Uberlegungsprozeß immerhin ein ganzes Jahr gedauert, nachdem wir alle ihn gebeten hatten, sich im Interesse des ganzen Landes wieder zur Verfügung zu stellen. Wenn einer, wie Minister Rösch, ausdrücklich keine Ausnahmeregelung beanspruchen will, wird das respektiert und das Ausscheiden ohne Diskussion zur Kenntnis genommen.

FURCHE:Peinlich wirkte auch, wie alle SPÖ-Größen sich in der Frage des Konferenzzentrums demütig dem Willen des Kanzlers beugten, obwohl es keinen Zweifel darüber geben kann, daß darüber auch in der SPO unterschiedliche Meinungen bestehen.

BLECHA: Diese Meinung konnte nur entstehen, weil die Medien den irreführenden Eindruck erweckt hatten, hier liege eine während des Weihnachtsurlaubs getroffene einsame Entscheidung des Kanzlers vor. In Wirklichkeit ist die Fortsetzung des Baues des österreichischen Konferenzzentrums von der Bundesregierung mit der Genehmigung des Budgetvoranschlags 1982 bereits im Oktober 1981 angeregt und vom Nationalrat im Dezember beschlossen worden. Der Bundeskanzler hat sich darüber hinaus um eine Sonderfinanzierung bemüht.

FURCHE: Ist die Gründung einer Finanzierungsgesellschaft mit etwa SOprozentiger Auslandsbeteiligung noch immer aktuell?

BLECHA: Ja. Nur die Entwicklung des Krieges zwischen dem Iran und dem Irak und die israelische Aggression im Libanon haben notwendige Entscheidungen in den Golf Staaten verzögert.

Mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPO sprach Hubert Feichtlbauer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung