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Versucht sich Karl Blecha als lachender Dritter?

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Seit die niederösterreichische Landesorganisation der SPÖ mit Max Strache einen zugkräftigen und tüchtigen Landesparteisekretär hat, läuft der „Niederösterreich-Feldzug” der Sozialisten auf Hochtouren. Und nicht nur das: Bereits kursieren Gerüchte, wonach spätestens nach den Landtagswahlen 1979 der bisher eher glücklose Landesvorsitzende Hans Czettel - soferne nicht ein Wunder ihm zu einem spektakulären Wahlerfolg ver- hilft— durch Zentralsekretär Karl Blecha abgelöst werden könnte. Für diese Vermutungen spricht eine ganze Reihe von Gründen:

Ähnlich wie Wien für die Volkspartei war Niederösterreich für die SPÖ lange genug ein politischer „Defizitbereich”. Niederösterreich ist eine traditionelle Hochburg der ÖVP, wobei viele Funktionäre der Sozialisten die Ursache dafür nicht so sehr in der Stärke der ÖVP-Spitzen Niederösterreichs, als in der Schwäche der eigenen Leute sehen. Will die SPÖ jemals in Niederösterreich Fuß fassen, dann darf sie ihre Organisation in diesem Land nicht halbherzig betreiben, dann muß sie ihre besten Leute mobilisieren. Mit Strache wurde ein Anfang gemacht, Blecha, der ja auf einem niederösterreichischen Nationalratsmandat „sitzt”, könnte die nächste Verstärkung sein, wobei er sich sicherlich auf die Rolle des Parteiführers beschränken und einen anderen Mann statt Czettel in die Landesregierung schicken würde.

Genau in dieses Bild passen aber auch die persönlichen Ambitionen Blechas: Jeder Tag, an dem Hannes Androsch und auchLeopoid Gratz länger im Feuer der Opposition stehen, bringt Blecha bessere Chancen für die Kreisky-Nachfolge, die gar nicht so bald erfolgen dürfte. Mit Parteierfahrungen als Jugend-Chef, als Zentralsekretär und schließlich als Vorsitzender der zweitstärksten Landesorganisation (über die übrigens auch Kreisky an die Macht kam) hätte Blecha gute Chancen, die bis dahin recht verschlissenen offiziellen Kronprinzen auszustechen. Laut „Sozialistische Korrespondenz” verfügt die niederösterreichische SPÖ über 135.000 Mit- glieder und rund 20.000 Funktionäre in 1000 Ortsorganisationen. In vielen Bereichen hat sich Karl Blecha bereits als hervorragender Sachpolitiker innerhalb der SPÖ bewährt Vor allem als Medienberater der Partei.

In letzter Zeit steht Blecha immer wieder als „sozialistischer Abgeordneter und Katholik” im Schaufenster seiner Partei. Mit Blecha als Verbindungsmann zu den Katholiken hat die SPÖ jedoch einen entscheidenden Fehler gemacht: Parteivorsitzender Bruno Kreisky dürfte, als er Karl Blecha in die Rolle des Parade-Katholiken in der Partei berief, übersehen haben, daß Blechas zwei Sprößlinge weder getauft sind noch in ihrer Schule den Religionsunterricht besuchen.

Zur Klarstellung: Ob Karl Blecha seine Kinder religiös, agnostisch oder im Dunstkreis der Freidenker erzieht, geht grundsätzlich niemanden etwas an. Blecha soll das halten, wie er es für gut befindet. Nur muß seiner Partei jede Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, wenn sie als katholischen Vertrauensmann niemanden aufzutreiben imstande ist, der nicht wenigstens dem Bild der katholischen Durchschnittsfamilie entspricht. Blecha wäre also in Hinblick auf seine eigene politische Zukunft gut beraten, seine persönliche Bandbreite nicht zu sehr zu überschätzen.

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