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Neue Richtungspfeile für SPÖ-Wegbegleiter

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Es gibt burgenländische und alternative Sozialisten. Es gibt bürgerliche und proletarische Sozialisten. Und es gibt auch christliche Sozialisten. Letztere trafen einander am 20. November im Kongreßhaus Wien-Margareten bei einem ganztägigen. Symposion zum Thema „Christentum und Sozialismus - Träger einer neuen Gesellschaftsordnung". Ohne Fragezeichen.

Als Veranstalter figurierte die Wiener Gruppe der „Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus", kurz auch ACUS genannt.

Zwei Parteigrößen, der stellvertretende Parteiobmann Karl Blecha und Sozialminister Alfred Daliinger, skizzierten die „demokratisch-sozialistische Alternative" jenseits von Kapitalismus und Staatsbürokratismus beziehungsweise die „Strategie des Dritten Weges" in Österreich.

Ermöglicht haben diesen „österreichischen Weg" zur sozialistischen Gesellschaft, so Krei-sky-Vize Blecha, „neue historische Bündnisse", wie eben das von Christen und Sozialisten.

Nur, die Kreisky-Einladung von einst, „ein Stück des Weges" mit den Sozialisten zu gehen, zieht der logische Nachfolger Blecha zurück: „Wer mit uns gehen will, muß sich ganz für unsere Ziele entscheiden." Alles oder nichts. Zu viele Glücksritter hätten sich in zwölf Regierungsjahren dem roten.Treck angeschlossen, glaubt Blecha und mahnt zu verstärkter Orientierung an sozialdemokratischen Grundwerten.

Das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, aber auch Solidarität mit den Armen und Entrechteten in aller Welt, rüg* SPÖ-Vize Blecha die Regierung, sind in den Mühsalen der Alltagspolitik verkümmert.

Wie sich in den Referaten von Blecha und Dallinger und in den kritischen Anfragen dazu bald herausstellte, ist die Kluft zwischen dem gesellschaftspolitischen Anspruch von Sozialisten und der Praxis eine nicht unbeträchtliche.

Wenn etwa Blecha von der Notwendigkeit „individueller Besserung durch Umkehr und Läuterung" spricht, dann denkt der naive Zuhörer nicht nur an die letzte Sonntagspredigt, sondern auch an die jüngst ruchbar gewordenen Sexeskapaden einzelner Parteifunktionäre oder an die wieder einmal ins öffentliche Licht gerückten Politikerprivilegien.

Zugegeben: Nicht allein Sozialisten handeln oftmals nur aus purem Eigennutz. Aber Karl Blecha macht es sich doch etwas zu leicht, wenn er das Anlehnungsbedürfnis vieler Genossen an den Lebensstil der politischen Gegner als Ursache nennt.

Jedenfalls muß sich die Partei wieder am Riemen reißen und im Gleichschritt in Richtung „solidarischer Gesellschaft" (Blecha) marschieren. Blecha verpaßt dem neuen Anlauf auch gleich eine neue Etikette: „Austro-Reformismus" heißt der „österreichische Weg" nun.

Die zwei Hauptkennzeichen des „Austro-Reformismus" nach Blecha: die schon erwähnte Bewußtseinsänderung — „mehr Gefühl, Menschlichkeit und Wärme"(Blecha) — sowie eine wirtschaftspolitische Strategie, die die Entscheidungsverhältnisse in der Wirtschaft „entscheidend verändert".

Bei einer Verstaatlichungsquote von alles in allem rund 70 Prozent ist dieses Ansinnen wohl teils akademisch. Denn daß es in den verstaatlichten Betrieben an allen Ecken und Enden kracht, weiß Blecha, weiß auch Sozialminister Dallinger.

Aber Dallinger hat zur Erklärung der Verstaatlichten-Malaise gleich einen Grund zur Hand: „Auch in den verstaatlichten Betrieben haben wir die Wirtschaftsdemokratie nicht verwirklicht."

Dann setzt Dallinger kämpferisch zum Rundumschlag auf die Marktwirtschaft an. Und auch das System der Sozialpartnerschaft bekommt die üblichen Hiebe: „Die Sozialpartnerschaft ist lediglich geeignet, die Auswirkungen der herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen zu mildern. Sie ist aber hemmend für Veränderungen, wie wir sie anstreben."

Der Sozialminister wünscht sich ein „Ende der profitorientierten Wirtschaft" und eine „offensive Mitbestimmungspolitik".

Dallingers Profit- und Kapital-verteufelung, garniert mit Zitaten aus den Sozialenzykliken, vergißt vollkommen den wohl wichtigsten Grund für die Wirtschaftskrise, nämlich fehlendes unternehmerisches Handeln und mangelndes innovatorisches Streben in den — auch verstaatlichten — Betrieben. Nicht die Profite, sondern die dadurch entstandenen Verluste machen uns zu schaffen.

Den rund hundert christlichen Sozialisten haben die neuen Richtungspfeile dennoch gefallen. Sie werden in Zukunft daher den „Austro-Reformismus" verfolgen, anderes nicht mehr: Sie haben in der Frage Fristenlösung ihren Frieden mit der Partei gemacht.

Die christlichen Sozialisten verstehen sich als jene Avantgarde, deren Aufgabe es nach Karl Blecha ist, dem Bewußtsein der Massen voraus zu sein auf dem Weg in die gerechte, gewaltfreie und demokratische sozialistische Gesellschaft.

Ein fester Glaube versetzt bekanntlich sogar Berge. Und den werden die christlichen Sozialisten in den nächsten Jahren auch brauchen — mehr vielleicht als irgendeine Strategie.

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