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Freiheit, die sie meinen

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Im Mai wird die SPÖ - zum ersten Mal als Regierungspartei - ein neues Parteiprogramm beschließen. Gegenwärtig wird der Entwurf dazu in einer Reihe von Veranstaltungen zur Diskussion gestellt, so am letzten Freitag im Wiener Palais Auers-perg der besonders heikle Abschnitt Rechtspoütik. Zentralsekretär Karl Blecha klagte gleich als erster Redner, daß bereits vor der schriftlichen Fixierung bestimmter Forderungen heftige Polemiken von „konservativer“ Seite eingesetzt hätten.

Natürlich, sagte Blecha, wolle die SPÖ gerade auch durch die Rechtsordnung systemverändernd wirken. Die Grundwerte der SPÖ - Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität - seien sicher anders zu verstehen als in der Definition des Liberalismus, so etwa die Freiheit vor allem als „Freiheit von etwas“, die wieder die Voraussetzung für eine „Freiheit zu etwas“ darstelle. Eine wichtige Rolle käme der Emanzipation, der Selbstverwirklichung zu, im Sinne einer selbstverantworteten Freiheit sei auch die Fristenlösung zu verstehen. Bleibt die Frage: Kann man von „selbstverantworteter Freiheit“ sprechen, wo übär fremdes menschliches Leben verfügt wird? Aber für Blecha beginnt der Mensch wohl erst bei der Geburt, betonte er doch den „Schutz des geborenen Lebens“, der seiner Meinung nach in der Rechtsordnung gegenüber Eigentumsfragen zu kurz-komme.

Vielleicht hat man wieder unwillkürlich an die Fristenlösung gedacht, als anschließend Justizminister Christian Broda meinte, man könne nur glaubwürdig für die Grund- und Menschenrechte eintreten, wenn man im eigenen Land für ihre Einhaltung Sorge trage. Goldene Worte, die Broda aber offensichtlich vor allem gegen Folter und Todesstrafe und für einen humanen Strafvollzug, für eine freie Wahl des Anwaltes und für Gleichheit im Zugang zum Recht verstanden wissen wollte.

Um in der Partei im Gespräch zu bleiben, durfte es natürlich auch Dr.Heinrich Keller, Generalsekretär des unabhängigen österreichischen Rundfunks, nicht an klassenkämpferischen Liegestützen fehlen lassen. Er begrüßte im Programmentwurf den Ubergang „vom bürgerlichen zum sozialen Recht“, das sich nicht mit formaier Gleichheit begnüge, sondern ausgleichende Gerechtigkeit üben wolle, daher auch nicht mehr ohne Unterschied der Person anzuwenden sei, sondern sehr wohl zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber, Wirtschaft und Konsumenten, Vermieter und Mieter zu unterscheiden habe: „Wir wollen kein Recht, bei dem ökonomische Macht einen entscheidenden Faktor bildet.“

Heiterkeit löste eine von Blecha als „erster Diskussionsbeitrag“ verlesene Meldung des ÖVP-Pressedienstes aus, in der VP-Generalsekretär Sixtus Lanner anläßlich der SP-Veranstaltung heftig kritisierte, daß die SPÖ eine Anrechnung der Haftzeit auf die Pension vorschlage, gleichzeitig aber eine Anrechnung der Erziehungszeit für die Pension der Mutter ablehne. Triumphierend verkündete Blecha, von einem solchen Vorschlag sei nicht die Rede, er könne sich aber nun vorstellen, warum sich Lanner selbst einmal in einem Interview als „Don Quixote“ bezeichnet habe.

Was Blecha nicht sagte: Daß auf Seite 31 im „Problemkatalog für das neue SPÖ-Parteipro-gramm“ wörtlich eine „möglichst weitgehende Annäherung der Situation der Freiheitsstrafe an normale Arbeitsverhältnisse mit den entsprechenden einkommens- und sozialversicherungsmäßigen Bedingungen“ gefordert wird, was man durchaus im Sinne Lanners interpretieren kann.

Müßte man aber dann nicht die im Entwurf gestellte Frage „Was kommt nach dem Wohlfahrtsstaat?“ mit „Der Talfahrtsstaat“ beantworten? Wobei es übrigens sehr tief hinunter gehen kann. Der Keller wartet...

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