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Katholiken und die Koalitionsfrage

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Sollte die SPÖ im Oktober 1979 ihre absolute Mehrheit nicht halten können, dreht sich alles um die Frage: Wer koaliert mit wem? Jene Personen inner- und außerhalb der SPÖ, die seit einigen Jahren an einer gemeinsamen Gesprächsbasis zimmern und zu einer nicht zu unterschätzenden, aber unsichtbaren politischen Komponente geworden sind, werden auch ein Wörtchen mitzureden haben. SPÖ-Zentralsekre-tär Karl Blecha und Univ.-Prof. Anton Burghardt, zwei Exponenten dieser Gesprächsbasis, machen aus ihrer Präferenzfür die große Koalition kein Hehl. Auch KA-Präsident Eduard Ploier schwört auf die Zusammenarbeit.

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Sollte die SPÖ im Oktober 1979 ihre absolute Mehrheit nicht halten können, dreht sich alles um die Frage: Wer koaliert mit wem? Jene Personen inner- und außerhalb der SPÖ, die seit einigen Jahren an einer gemeinsamen Gesprächsbasis zimmern und zu einer nicht zu unterschätzenden, aber unsichtbaren politischen Komponente geworden sind, werden auch ein Wörtchen mitzureden haben. SPÖ-Zentralsekre-tär Karl Blecha und Univ.-Prof. Anton Burghardt, zwei Exponenten dieser Gesprächsbasis, machen aus ihrer Präferenzfür die große Koalition kein Hehl. Auch KA-Präsident Eduard Ploier schwört auf die Zusammenarbeit.

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Die Wiener CV-Verbindung Nibe-lungia lud dieser Tage ihre Mitglieder und Freunde zu einer Diskussionsveranstaltung unter Vorsitz ihres Philisterseniors Erich Rossoll. Titel: „Gespräch zwischen Katholiken und Sozialisten.“ Als ÖVP-naher Katholik stellte sich Anton Burghardt („ ... bin persönlich befreundet mit dem Herrn Zentralsekretär“), als sozialistischer Katholik kam Karl Blecha („ ... mein Freund Burghardt“), Gemeinsamer Tenor der Abendveranstaltung: Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten, die Gespräche informeller Natur zwischen Katholiken inner- und außerhalb der SPÖ waren nützlich, teilweise erfolgreich und werden auch in Zukunft notwendig sein. (Freilich werden an Blechas Ka-tholizität vielfach mehr Zweifel geäußert als an seiner taktischen Geschicklichkeit.)

Insbesondere Blecha, der mehrfach viele Gemeinsamkeiten der Sozialisten mit den Katholiken hervorhob und meinte, Sozialisten und Katholiken seien „in den Grundvorstellungen sehr nahe beisammen, wenn nicht sogar identisch“, provozierte die Frage: Wie stellt sich ein engagierter Katholik die politische Zukunft in Österreich vor? (Die Vergangenheit

hat ja gezeigt, daß christliche Wertvorstellungen wie Ehe und Familie nur zu leicht zu innenpolitischen Hauptthemen avancieren können.)

Ist dieser engagierte Katholik, heiße er nun Karl Blecha oder Anton Burghardt, für den Fall, daß keine Partei bei den nächsten Nationalratswahlen die absolute Mehrheit erhält, für eine Zusammenarbeit der beiden Großparteien oder für eine kleine Koalition einer der beiden Großparteien mit der FPÖ?

Dazu Blecha: ,Als Zentralsekretär bin ich auf jeden Fall für die sozialistische Mehrheit im Oktober 1979.“ Nach dieser zu erwartenden Feststellung meinte Blecha aber in aller

„Meine erste Handlung als 21jähriger Funktionär war die Lösung der Koalition mit dem RFS“

Klarheit: „Meine persönliche Einstellung habe ich bereits als Verbandsobmann der Sozialistischen Studenten demonstriert. Vor meiner Tätigkeit gab es ein Bündnis meiner Fraktion mit dem RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) gegen den Wahlblock, der ja Vorgänger der ÖSU (österreichische Studentenunion) war. Meine erste Handlung als 21jäh-riger Funktionär war die Lösung der Koalition mit dem RFS zugunsten der Zusammenarbeit mit dem Wahlblock ... An dieser Einstellung hat sich bis heute nichts geändert.“

Anton Burghardt, der erklärte, er wähle die ÖVP, weil es ihm die Jungsozialisten doch etwas schwermachten, sich der SPÖ anzunähern, sagte zum selben Thema: „Mit einer Partei, die sich nur in einem Katalog von Götz-Zitaten präsentiert, kann man ja keine Koalition eingehen. Ich persönlich bin ein Anhänger der großen Koalition, von der man heute ja nur mehr die negativen Seiten sieht.“

In der Tat glauben viele, feststellen zu können, daß die Reserviertheit, mit der bestimmte Kernschichten der FPÖ und engagierte Katholiken (weniger die Protestanten) einander gegenüberstehen, eher zugenommen hat, seit der Grazer Bürgermeister Alexander Götz in der FPÖ am Ruder ist.

Auch Eduard Ploier, Präsident der Katholischen Aktion, ließ, von der

FURCHE zum selben Thema befragt, keine Zweifel daran, daß er persönlich ein Mann des breiten Konsenses sei. Zunächst wolle er keine Koalitionsempfehlung abgeben, dafür sei er nicht kompetent, denn schließlich verfügten alle drei im Parlament vertretenen Parteien über Kräfte, „die durchaus auch in Regierungsfunktionen akzeptiert werden könnten“.

Angesichts der momentanen wirtschaftlichen und geistigen Situation in Österreich würde Ploier aber eine „Zusammenarbeit aller tragenden Kräfte“ sehr begrüßen. Persönlich würde er folgende Präferenzen setzen: Am liebsten wäre ihm eine Konzentrationsregierung aller drei Parteien, gefolgt von der großen Koalition; am wenigsten würde er sich mit einer kleinen Koalition anfreunden. Hauptargument: Es gehe um den breiten Konsens, denn: „Die breite Zusammenarbeit ist für die Anliegen der Katholiken am besten.“

Karl Blecha beurteilt auf der eingangs erwähnten CV-Veranstaltung auch die Tragfähigkeit des bewußt nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit praktizierten katholisch-sozialistischen Dialogs aus seiner Sicht: „Die Gesprächsbasis war eine ausgezeichnete. Mit der Effizienz war ich nicht immer zufrieden. Manchmal hab' ich die Frage gestellt: Warum sitzen wir beisamen?“

Diese Frage habe er sich im Zusammenhang mit dem Denkmalschutzgesetz gestellt Damals sei eine Panne passiert: „In unseren Gesprä-,chen waren erstmals Argumente aufgetaucht, die nicht berücksichtigt waren. Und dann haben wir einen Gesprächstermin bei Minister Firn-berg einfach versäumt.“ Darauf sei der Dialog etwas schwieriger geworden. Schließlich habe man in der Frage Denkmalschutz aber doch noch die Mißverständnisse ausräumen können.

Für die Zukunft der Gespräche zwischen Katholiken inner- und außerhalb der SPÖ zeigte sich Blecha „sehr zuversichtlich“. Das Wahljahr müsse man zwar ausschließen, aber unmittelbar nach der Nationalratswahl werde ein gutes Klima herrschen, gab Blecha zu verstehen.

Auch Anton Burghardt meinte, das permanente Gespräch zwischen Katholiken und Sozialisten könne für beide Seiten von Vorteil sein: ,,Für den Christen gibt es keine Feinde, sondern nur Gleichgesinnte und Andersgesinnte. Die Katholiken befinden sich mit dem Sozialismus nicht in Gegnerschaft.“ Man müsse das Gespräch, das leider an die Öffentlichkeit gekommen sei, anders sehen als ein Parteiengespräch.

Für die Zukunft meinte Burghardt, der einen „pathologischen Haß“ der Jungsozialisten der Kirche gegenüber und eine „Dominanz der Atheisten“ bei der Textierung des SPÖ-Programms konstatierte: „Ich bin sehr nüchtern: Ich bin weder optimistisch noch pessimistisch; ich halte diese Gespräche für notwendig.“

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