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Fast verbittert

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„In der Pfarre werden wir zwar nicht verstanden, aber wenigstens geachtet; in der Sektion werden wir weder geachtet noch verstanden.” In diesem fast verbittert klingenden Ausspruch gipfelte die Diskussion eines Arbeitskreises im Rahmen der Veranstaltung „Christen und Sozialisten in den achtziger Jahren”.

Das hörte sich ganz anders an als die von Minister Herbert Salcher und SPÖ-Zentralsekretär Karl Blecha besonders hervorgehobene Feststellung, die Integration der Christen in der SPÖ sei weitgehend gelöst die Verbindung von Christentum und Sozialismus nur noch von einer kleinen Minderheit in Österreich in Frage gestellt.

Was die zehn Mitglieder dieses Arbeitskreises aus persönlichen Erfahrungen erzählten, verstärkte den Eindruck, daß der christliche Teil ihrer Uberzeugung größeren Belastungen ausgesetzt ist als ihre sozialistische Weltanschauung. So werden sie zwar als sozialistische Aktivisten, nicht aber als Glaubende in der Partei anerkannt. Sie fühlen sich im katholischen Bereich -bei aller Skepsis gegenüber ihrer SPÖ-Zugehörigkeit - als politischer Bekenner ernstgenommen, während man in der Partei über ihr christliches Engagement lächelnd hinwegsieht oder spöttelt.

In der Praxis bedeutet das, daß der SPÖ-Christ seinen Standpunkt als Sozialist in manchen Pfarren vertreten kann, in der Partei jedoch im allgemeinen auf totale Gleichgültigkeit stößt. Es bedeutet auch, daß der christliche Sozialist in der SPÖ noch viel schwerer eine Funktionärsposition erreichen kann als im kirchlichen Bereich.

Kein Wunder, daß sich viele von ihnen, trojtz zahlreicher Ubereinstimmungen in konkreten gesellschaftlichen Fragen, in der SPÖ „nicht ganz zu Hause fühlen”. Daß sie als Christen den Eindruck haben, nicht als verläßliche Sozialisten zu gelten, sich immer wieder legitimieren müssen.

Woher kommt es, daß sich die Christen in der Partei heimatlos fühlen, obwohl die SPÖ seit Jahren zum Teil recht erfolgreich insbesondere um die österreichischen Katholiken wirbt?

Da sind einmaldie Erfahrungen sozialistischer und Gewerkschaftsfunktionäre aus er Ersten Republik. „So viel Haß gegen die Kirche wie dort habe ich noch selten erlebt”, berichtet ein Arbeitskreisteilnehmer von einem vergeblichen Versuch, solchen Funktionären die Parallelen zwischen Katholischer Soziallehre und Sozialismus nahezubringen.

Auf der anderen Seite blockiert die grundsätzlich antisozialistische Einstellung katholischer Kreise den freundschaftlichen Dialog. Bei den einen ist es der Haß aus der Vergangenheit, bei den anderen die Furcht vor dem sogenannten realen Sozialismus im Ostblock. Christentum wird mit Kirche gleichgesetzt, kaum jemand weiß genau über den Sozialismus Bescheid, kennt das SPÖ-Parteiprogramm. Die „Oberen” arrangieren sich aus politischen Interessen, die Basis bleibt ohne Information.

Uberhaupt könne sich ein Christ in Österreich eigentlich mit keiner Partei wirklich identifizieren, betonten die Teilnehmer des Arbeitskreises, von denen sich einige an der „Theologie der Befreiung”, wie sie von der Kirche in Südamerika praktiziert wird, orientieren. In diesem Kreis durfte auch der Name Karl Marx fallen, der sonst während dieser Veranstaltung gemieden wurde.

Spätestens beim Schlußmonolog von Zentralsekretär Blecha wurde klar, daß der Bericht und die Wünsche dieses Arbeitskreises kaum positive Konsequenzen haben werden. Entgegen der Ankündigung, die die Tagung als Veranstaltung der ACUS auswies, erklärte er, daß es sich hier eben nicht um eine solche, sondern um eine Tagung der SPÖ gehandelt habe. Und er betonte weiter, welch großartige Erfolge in der Zusammenarbeit zwischen Christen und Sozialisten bereits errungen wurden.

Schließlich gewann man den Eindruck, daß die Veranstaltung, zu der rund hundert engagierte Christen und (Nicht-)Sozialisten aus ganz Österreich gekommen waren, in erster Linie spekulativen, also öffentlichkeitswirksamen Zwecken gedient hatte.

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