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Katholiken und SPÖ

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„Kirche schlägt Kreisky für den Friedensnobelpreis vor“, übertitelten die parteiunabhängigen „Oö Nachrichten“ am 28. November ihre Hauptgeschichte auf Seite 1, und ähnlich lautete die Schlagzeile der sozialistischen Grazer „Neuen Zeit“. Bei Eduard Ploier, dem Präsidenten der Katholischen Aktion (KA) Österreichs, der diese Berichte ausgelöst hatte, liefen die Telefone heiß. Einige liebe Brüder und Schwestern in Christus hätten ihn am liebsten zum Nachtmahl verspeist.

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„Kirche schlägt Kreisky für den Friedensnobelpreis vor“, übertitelten die parteiunabhängigen „Oö Nachrichten“ am 28. November ihre Hauptgeschichte auf Seite 1, und ähnlich lautete die Schlagzeile der sozialistischen Grazer „Neuen Zeit“. Bei Eduard Ploier, dem Präsidenten der Katholischen Aktion (KA) Österreichs, der diese Berichte ausgelöst hatte, liefen die Telefone heiß. Einige liebe Brüder und Schwestern in Christus hätten ihn am liebsten zum Nachtmahl verspeist.

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Der Fall war ein Musterbeispiel, was im kirchlichen Bereich derzeit alles schief läuft. Zunächst war es im Sinne journalistischer Ethik äußerst befremdlich, daß die „Linzer Kirchenzeitung“ ein zwangloses Gespräch mit Ploier über das Ansehen des österreichischen Bundeskanzlers im Ausland (Ploier hat jüngst Südamerika bereist) mit einem so delikaten Teilaspekt auf die eigene Titelseite brachte.

Was Ploier gesagt hatte, war völlig korrekt und natürlich: Wenn Kreisky im Fall des Zustandekommens eines Nahostfriedens wirklich den Friedens-Nobelpreis bekäme, wäre das eine „Freude und Ehre und eine wichtige Anerkennung Österreichs …“, aber er wäre ein „Friedensnobelpreisträger mit blinden Flecken im eigenen Hinterland“: gemeint waren Fristenlösung und Auffassungsunterschiede zu Ehe, Familie, Schule.

Daß mehrere Zeitungen aus einem solchen Gespräch einen „Vorschlag der Kirche“ machten, war ein Skan dal. Daß viele liebe Mitchristen darauf Ploier unflätig beschimpften, war auch einer. Denn selbst wenn er persönlich wirklich eine solche Preisverleihung „vorgeschlagen“ hätte, wäre das kein Verbrechen gewesen.

So abdr stellte Ploier via APA und via Radio Linz ohnehin noch einmal klar: Erst wenn Kreiskys Friedensbemühungen tatsächlich zu einem Erfolg in Nahost führen sollten, läge eine solche Tat „durchaus auf der Ebene eines Friedensnobelpreises.“ (Worüber wohltkein Zweifel besteht. Aber noch sind wir ja weit davon entfernt.)

Der „Fall Ploier“ verriet einmal mehr, wie gestört das Verhältnis zwischen vielen Katholiken und der Regierungspartei seit der brüsken Mißachtung der Kirche in der Abtreibungsfrage ist. Der schwelende Konflikt brach vergangene Woche auch innerkirchlich wieder auf, als ein Arbeitskreis des Katholischen Akademikerverbandes und der Wiener Katholischen Akademie ein „neues Modell für die Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen“ („Neue Mittelstufe“) vorlegte.

Vorgangsweise und Veröffentlichungszeitpunkt waren zweifellos auch befremdlich - aber von der Vorstellung, daß alle Katholiken denselben Standpunkt in der Schultypenfrage einnehmen müssen, sollten Regierung, Parteien (und viele Katholiken selbst) endlich einmal Abschied nehmen.

Das Modell des Arbeitskreises um die Universitätsprofessoren Richard Olechowski und Erika Weinzierl ist nicht eines „des“ Katholischen Akademikerverbandes und schon gar nicht „der Kirche“. Auch in der Regierungspartei gibt es zur Schulreform unterschiedliche Auffassungen (man denke an den Gesamtschulgegner Josef Mademer u. a.) Wie aber soll man diskutieren können, wenn von der ersten Stunde an nur quergeschossen wird?

Um festzustellen, worüber es in maßgeblichen katholischen Verbänden in der Schulfrage Übereinstimmung gibt Und wo die sachlichen Meinungsunterschiede beginnen,

fand letzten Samstag auf KA-Initia- tive ein von Präsident Ploier geleitetes Informationsgespräch statt.

Nach Referaten von Weihbischof Helmut Krätzl, Sektionschef Agnes Niegel und Univ.-Prof. Olechowski sowie zahlreichen sachlichen Diskussionsbeiträgen stand fest, daß es in Grundsatzfragen praktisch hundertprozentige Übereinstimmung gibt: Alle bejahen den Vorrang des Elternrechtes, die Notwendigkeit einer „inneren“ Schulreform mit dem Ziel einer „Humanisierung der Schule“ zu Gunsten der Kinder (Krätzl), optimale Förderung aller unterschiedlichen Begabungen, Wahlfreiheit zwischen Schultypen, Orientierung aller Reformen an der Realisierbarkeit auch auf dem Land u. a.

Uber die Artikulierung dieser Reformziele und gewisser Konsequenzen daraus wird in einer Arbeitsgruppe weiterberaten werden. Daß dann verschiedene Vorstellungen hinsichtlich einer optimalen Schulorganisation zur Erreichung dieser Ziele übrigbleiben werden, ist unvermeidlich und legitim.

Legitim ist freilich auch das Inter esse der Parteien, zü gesellschaftspolitisch relevanten Fragen legitimierte Partner auf kirchlicher Seite zu sprechen. Deshalb wurden jüngst auch Kontakte zwischen Katholischer Aktion einerseits und SPÖ, ÖVP andererseits nach Jahren der Inaktivität reaktiviert. (Die FPÖ steht gleichfalls auf dem Programm).

Bei diesen Kontaktgesprächen kam es in beiden Fällen zu einem offenen, kritischen Meinungsaustausch, der fortgesetzt werden soll. Zur Grundhaltung der Kirche gehört nicht „Äquidistanz“, also prinzipieller Gleichabstand von allen Parteien, aber auf jeden Fall amtskirchliche Enthaltung von unmittelbarer Parteipolitik.

Die Ablösung der Amtskirche von der ÖVP ist mühsam genug, aber im Prinzip von allen Seiten unbestritten. Den schlechtesten Dienst erweisen diesem Prozeß jene, die jetzt ein Bündnis zwischen Kirche und SPÖ anstreben.

So hat etwa der VÖEST-Kaplan Hans Innerlohinger in einem „pro- fil“-Interview zu verstehen gegeben, er könne sich einen Beitritt zur SPÖ selbst gegen Bischofsweisung vorstellten. Und der Wiener Pfarrer Johannes Mironovici schlug (zum Unterschied von Ploier) in der Tat die Verleihung des Friedensnobelpreises an Bundeskanzler Kreisky vor.

Solche Menschen handeln aus achtenswertem Idealismus, aber in fundamentaler Verkennung der Tatsache, daß das endlich überwundene

Bündnis von „Thron und Altar“ jetzt doch nicht mit einem Thron, auf derp ein Kreisky sitzt, neu geschlossen werden darf. Das meinte auch Univ.-Prof. Norbert Leser nicht, als er in seinem Buch „Gottes Spuren in Österreich“ vom „existentiellen Miteinander von Christentum und Sozialismus“ schrieb.

Erfreulicherweise distanzierte sich jüngst bei einer Diskussion über dieses Buch im Karl-Renner-Institut auch Gesundheitsminister Herbert Salcher entschieden von der „Bünd- nis“-Vorstellung („unmoralisch“). Wichtig wäre, daß Christen und Sozialisten jeweils in ihren Bereichen gleiche Ziele verfolgen sollten: etwa die Überwindung eines egoistischen Materialismus, eine noch aktivere Entwicklungspolitik, oder, wie es der Vorarlberger SPÖ-Fraktionsobmann Ernst Winder kürzlich formulierte: die Überwindung der „Sinnentleerung der Arbeit“.

Da hätten wir alle freilich viel zu tun. Und die Energie wäre dafür besser aufgewendet als aufs wechselseitige Inbesitznehmen oder Verteufeln. "

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