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Katholizismus frei nach Kreisky

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Der Kreisky-Sozialismus geht um, neuerdings wieder in katholischen Veranstaltungen. Nach einer in der Vorwoche im Kreis katholischer Journalisten angestellten Analyse — Dr. Wilhelm F. Czerny sprach dort nicht als Parlamentsdirektor, sondern als Katholik und Politologe — lud am vergangenen Samstag die Katholische Sozialakademie zu einem Studientag zum Thema „Kirche und demokratischer Sozialismus“ ein.

Man sollte wieder miteinander reden nach einer von den einen vermuteten, von den anderen dementierten „Biszeit“ im Verhältnis zwischen Katholiken und Sozialisten. Der Geist von 1967, der ersten großen Begegnung zwischen Persönlichkeiten aus dem Bereich der SPÖ — Kreisky war damals Oppositionsführer — und Katholiken wurde beschworen. Doch 1976 ist nicht 1967, zu vieles ist inzwischen passiert, wenn auch die österreichische Szenerie bei dieser Tagung die geringste Rolle gespielt hat.

Sein Einleitungsreferat nützte Bundeskanzler Kreisky, um anknüpfend an Begegnungen mit Katholiken in seiner Jugendzeit „ethische Prinzipien des demokratischen Sozialismus“ aufzuzeigen. Nach der Auseinandersetzung mit der Entfremdung im Bereich der Arbeit und Ausführungen zum Prinzip Gleichheit folgt Kreiskys Lieblingsthema, die Erörterung des großen Unterschiedes zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus: Eine klare Absage an die Diktatur, tiefes Vertrauen darauf, daß bei längerer Herrschaft der Sozialdemokraten „ein gesellschaftsverändernder Prozeß eintritt“.

Kreisky blieb vieles schuldig, nicht nur zum Verhältnis Kirche— SPÖ — das war, wie er richtig bemerkte, nicht sein Thema — sondern zum eigentlichen Thema selbst. Wie halten es die Sozialisten mit dem Grundwert des menschlichen Lebens, wie mit Ehe und Familie, wie mit den Grundfragen der Erziehung, wie mit der Frage unabstimm-barer Grundwerte in einer Demokratie? Das wären durchaus Themen gewesen, über die man gerne die Meinung des Parteivorsitzenden gehört hätte. Bei Kreisky wird man nie den Verdacht los, daß ihn bestimmte Dinge einfach nicht interessieren; mit bestimmten Fragen setzt er sich nicht auseinander, die überläßt er den Ressortzuständigen, und dann passiert es eben manchmal, daß ihm eine Frage entgleitet. Es ist ihm dringend zu raten, sich beizeiten mit den möglichen weiteren Spannungsfeldern zwischen Kirche und Sozialdemokratie in Österreich auseinanderzusetzen, sonst bleibt ihm eins Tages wieder nur mehr übrig, loyal zu einem Parteitagsbeschluß und neuerlich vor zerschlagenem Porzellan zu stehen.

Hart an der Grenze der Wahrhaftigkeit war denn auch Kreiskys Stellungnahme zum Thema Fristenlösung. Auf Fragen aus dem Publikum bekannte er, „das Unerfreulichste ist für mich, was im Gefolge der Fristenlösung geschehen ist“; doch habe er sich als ein loyales Mitglied seiner Partei verhalten, obgleich er im Parlament, und zwar das einzige Mal, als Abgeordneter ans Rednerpult getreten sei und „eine abweichende Meinung vertreten habe“. Punktum. Was er nicht dazu sagte, ist, daß er bei jener Gelegenheit nicht etwa für eine Lösung des Abtreibungsproblems eingetreten ist, die den Katholiken mehr entgegengekommen wäre, sondern für die ersatzlose Streichung jeder Strafbestimmung.

Auf Kreisky folgte Hoefnagels, holländischer Jesuit und Soziologe. Bei der Soziologie blieb es auch, ein wenig Theologie, vor allem Escha-tologie hätte nicht geschadet. Hoefnagels hatte ein Patentrezept: „Im Hinblick auf die Zukunft, die für die Menschheit gesichert werden muß, müssen die geistige Inspiration des Katholizismus und der im Sozialismus wirksam werdende gesellschaftliche Idealismus als einander ergänzende unentbehrliche Kräfte betrachtet werden.“ Dieser Konvergenztheorie opferte der Referent die Auseinandersetzung mit alternativen Partnern der Katholiken bei der Bewältigung der Probleme der Welt. So redlich der Referent es vielleicht gemeint hat and so gut der Teil der Kritik am heutigen Sozialismus war, so blieb doch der Gesamteindruck, daß die einzige Denkmöglichkeit für die Zukunft die Ehe des Katholizismus mit dem Sozialismus sei, und das ist unannehmbar. Daß dabei auch noch die konkrete österreichische Wirklichkeit zu kurz kam, darf man zwar nicht dem ausländischen Referenten, wohl aber dem Veranstalter anrechnen, der schließlich auch für Relevanz und Nichtredevanz der in der Veranstal-. tung auftretenden Diskutanten und für das geladene Publikum verantwortlich zeichnet.

Das Podiumsgespräch brachte nicht viel Neues, ein rhetorisch blendender Rupert Gmoser, der die Lacher auf seiner Seite hatte, ein ehrlich um das Gespräch bemühter Fritz Czoklich; die Abgeordneten Blecha und Fischer dokumentierten Gesprächsbereitschaft, ließen aber in den harten Punkten der Auseinandersetzung nicht viel Raum für Hoffnung; schließlich ein Weih-bisohof Wagner, dessen Argumente ein wenig in der Fülle der behandelten Themen erstickten. Sehr klar seine Aussage zur heutigen Gesprächssituation, „angesichts der Fristenlösung kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, der Villacher Parteitag (und die nachfolgenden parlamentarischen Beschlüsse) haben sehr vieles erschwert, 1967 war es leichter, zu reden“.

Bleibt die Frage nach dem Nutzen dieser Veranstaltung. Niemand — es sei denn, er betrachtet Gespräche der Kirche mit Parteien ausschließlich unter dem Aspekt des parteipolitischen Nutzens oder Schadens — wird die Notwendigkeit des Gespräches an sich in Frage stellen. Das Gespräch an sich ist aber auch nie unterbrochen worden. Was heute nottut, ist das Aufarbeiten einer vor allem durch den Beschluß über die Fristenlösung geschaffenen, sehr schwierigen Situation und das Gespräch darüber, wie drohende weitere Gewitterwolken aufgehellt werden können. Spekulatives Diskutieren über den Zustand der Welt und die einzige Lösung zur Bewältigung der Probleme ohne geschichtlichen Bezug bringt uns hier und jetzt nicht weiter, sondern schafft Unbehagen. Es wäre einfach schade, wenn an Stelle des relevanten Gespräches zwischen relevanten Personen auf beiden Seiten der Spektakel träte, dies würde niemandem nützen.

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