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Reibebaum Kirche?
Der parlamentarische Abgesang auf das Volksbegehren gegen die Fristenlösung wird augenblicklich in der Öffentlichkeit vom Unmut von hochstehenden Funktionären der österreichischen Volkspartei über die angebliche Doppelstrategie der katholischen Kirche überdeckt. Als Mitglied der Volkspartei stehe ich persönlich dieser Kritikwelle verständnislos gegenüber. Was erwartet denn diese Partei für ihren Einsatz zum Schutz des werdenden Lebens? Dankesbriefe an die Abgeordneten, eine Wahlempfehlung bei nächster Gelegenheit? Von meiner Warte als Katholik in der Volkspartei hat diese nur etwas Selbstverständliches getan. Hätte sie es nicht getan, wäre die Frage, warum man gerade diese politische Gruppe wählen sollte, sicher bei vielen Untėrzeichnem des Volksbegehrens aktuell geworden.
In den Kreisen der organisierten Katholiken hat sich, soweit ich Einblick habe, in letzter Zeit die Kritik am Vorgehen der SPÖ in der Abtreibungsfrage verstärkt. Dort wo diese laut geäußert wurde, hat die Regierungspartei wie im Fall der Resolution der KMB Wien-Nord empfindlich und empört reagiert. Die Fristenlösung wird nicht von der Tagesordnung verschwinden, auch und gerade nicht, weil sich’s die Vertreter von SPÖ und FPÖ zu leicht gemacht haben.
Aber muß deswegen eine neue Eiszeit im Verhältnis von Kirche und den beiden genannten Parteien ausgerufen werden? Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Aufwertung eines zwischen dem Abgeordneten Fischer und dem Leiter der Katholischen Sozialakademie geführten Gespräches (die KSÖ wird von der kritisierenden VP weit in ihrer innerkirchlichen Bedeutung übeschätzt und ist weniger ein „Organ” als eher ein Sorgenkind der Bischofskonferenz). Beim Delegiertentag der Katholischen Männerbewegung hat Kardinal König am 30. April 1976 wörtlich erklärt: „Ich weiß, liebe Freunde, daß ein Großteil von Ihnen seine politische Heimat in der Volkspartei hat. Dort sollen Sie auch bleiben, dort sollen Sie auch mitarbeiten. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit auch für Ihren politischen Einsatz danken. Ich bin aber der Meinung, daß manches in Österreich gerade in der jüngsten Zeit anders verlaufen wäre, wenn die Katholiken in der Sozialistischen Partei sich stärker zu Wort gemeldet hätten … Die Kirche ist nicht dazu da, politische Proselyten zu machen, sondern die Katholiken, wo immer sie politisch stehen, zu bestärken und aufzu- fordem, auch politisch aus ihrem Glauben zu handeln.”
Ich würde mich dagegen verwahren, mir durch die Glaubensgemeinschaft die Partei vorschreiben zu lassen, genauso gut kann ich darauf verzichten, mir, von welcher Partei auch immer, sagen zu lassen, ob die Tätigkeit der Kirche gerade in ihr Konzept paßt und was daher kirchenintem zu veranlassen sei. Das Verhältnis von aktiven Katholiken verschiedener Parteizugehörigkeit an der Basis hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg mühsam genug entwickelt und kann heute als gut bezeichnet werden - sehr zum Vorteil der seelsorglichen Arbeit in den Pfarren. Die SPÖ-Spitze täte gut daran, weniger empfindlich gegenüber der Kritik katholischer Gruppen von außen und empfindlicher für die Auffassung der ihr politisch zugehörigen Katholiken zu sein: oft genug wird in der Politik dieser Partei die Meinung von sicher geringer an Zahl zählenden Gruppen berücksichtigt.
Im Klima der steigenden Hektik sollte man auf den Reibebaum Kirche besser vergessen, politisch führt die gegenwärtige Auseinandersetzung zu nichts, menschlich reißt sie überflüssigerweise Gräben wieder auf.
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