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Die chinesische Folter erfunden

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Das Gesetz muß manch-mal ungleich handeln, um Gleichheit herstellen zu können", verteidigt Karl Blecha, SPÖ-Vizevorsitzender, seinen jüngsten Topos „Gleichheit durch das Gesetz" (bislang „Gleichheit vor dem Gesetz").

Und damit lief Blecha — jedenfalls bei einer Podiumsdiskussion, zu der Heinrich Treichl, Präsident des Akademikerbundes („Für mich sind solche Äußerungen rein marxistisch"), Mitte Februar eingeladen hatte—offen ins

rethorische Messer von ÖVP-An-walt Michael Graff, dem sich bei der neuen Begriffsschöpfung des SPÖ-Vizes eine Parallele zu Goethes „Zauberlehrling" aufdrängte.

Justizminister Christian Broda versuchte, die Wogen zu glätten: „Die Worte Blechas sind Dinge, die schon lange in der sozialistischen Programmdiskussion nachzulesen sind!"

Für Michael Graff will diese Kalmierung aber nicht gelten, denn für ihn ist das nicht mehr als ein Rückzugsgefecht: „Blecha bagatellisiert."

Auch wenn Blecha hinter seiner neuen Begriffsschöpfung und, daraus schließend, eine

Möglichkeit sehe, „soziale Ungleichheiten zu kompensieren", mißt Graff die Ergebnisse sozialistischer Rechtspolitik lieber an deren Taten: „Das neue Mediengesetz etwa ist so kompliziert, daß es viele gar nicht verstehen!"

Daß die Intentionen aus der SPÖ-Zentrale ansonst nur auf Nivellierung hinausgehen, ist für Graff klar: „Für mich als gesetzestreuen Bürger sind solche sozialistischen Vorhaben nicht mit einem Rechtsstaat vereinbar."

Doch dies will Minister Broda nicht unwidersprochen lassen, denn auch er sieht den Haken im Realen: „Ganz gewiß war die .Gleichheit vor dem Gesetz' 1970 noch nicht hergestellt — wie bei der Familienrechtsreform." Zudem aber empfindet der Minister die Entwicklung in der Rechtspolitik eher als amikal: Denn es bedurfte nach Broda der gemeinsa-

men Anstrengungen aller Parteien, um den Gleichheitsgrundsatz durchzusetzen.

Und Broda weiter: „Die Sozialisten meinen, daß es ein legitimes Ansinnen unserer Zeit ist, daß unter Wahrung des Ausbaus aller bürgerlichen Freiheitsrechte der sozialen Dimension des Rechtsstaates größere Aufmerksamkeit gewidmet werden kann als bisher."

Daher sei darunter mehr Gleichheit beim Zugang zum Recht, mehr Chancengleichheit bei der Rechtsdurchsetzung und bei der Rechtsverwirklichung zu verstehen.

Im übrigen sieht Broda die Debatte weniger tragisch, indem er auf den Parteienkonsens im vergangenen Jahrzehnt in Sachen Rechtsschöpfung anspielt: „Nur dort, wo das nicht der Fall war, gab es einen Formaldissens, aber

in weiten Bereichen einen realen Konsens..."

Und es scheint, als würde der Minister irgendwie einer künftigen Koalition den Weg vorzeichnen, wenn er weiter hofft, daß die „besondere Form der österreichischen Konsenspolitik unabhängig vom Regierungssystem fortzusetzen ist".

Vom Glorienschein solcher Konzilianz will allerdings der ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser wenig wissen. Denn für ihn lag es „an der programmatischen Identität der Ziele dieser Rechtsreform und es bedurfte dazu keiner sozialistischen Impulse".

Hauser wittert bei solchen Worten eher die Gefahr, daß die „falsch verstandene Gleichheits-* politik uns an Grenzen führt, die den Staat bedrohen". Und dahinter stehe nur ein wirkliches SPÖ-Ziel: dort neue Ungleichheit heraufzubeschwören, wo die SPÖ nicht ihre Wählermassen hat.

Daher menetekelt Hauser: „Die Sozialisten haben gelernt, daß die alten, plumpen Methoden nicht mehr notwendig sind - erfunden wurde die feine, chinesische Folter." Das sei u. a., die Verfügungsgewalt und den Ertrag des Eigentums zu beschränken.

Hauser: „Es ist ein tragischer Irrtum für die demokratischen Sozialisten, daß sie dieselben Zustände wie weiter östlich schaffen werden."

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