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Das Ende einer Ära

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Mit dem Ende der Legislaturperiode geht auch eine Ära der Justizpolitik zu Ende: Christian Broda und Walter Hauser treten ab. Und mit ihnen auch Verteidigungsminister Otto Rösch. .

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Mit dem Ende der Legislaturperiode geht auch eine Ära der Justizpolitik zu Ende: Christian Broda und Walter Hauser treten ab. Und mit ihnen auch Verteidigungsminister Otto Rösch. .

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Wenn sie — gemeinsam — am Ende dieser Legislaturperiode das Parlament verlassen, können SPO-Justizminister Christian Broda und ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser auf viele gemeinsam erarbeitete und gemeinsam beschlossene Gesetze im Justizbereich zurückblicken: eine Ära geht zu Ende.

So gab es weitgehende Eintracht bei der Neuordnung des Familienrechtes, also des Ehe-und Kindschaftsrechtes, des Strafrechtes, des KonsumentenSchutzgesetzes, das die umfassendste Novellierung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches seit 1916 brachte, beim Unterhaltsvorschußgesetz, mit dem europäisches Neuland betreten wurde, bei der Novelle zum Recht über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und beim Insolvenzrecht über den Konkurs und Ausgleich.

Broda und Hauser konnten miteinander — auch wenn sie es in wesentlichen Fragen nicht konnten: Keine Eintracht gab es im Eherecht bei der Scheidung nach sechsjähriger Trennung gegen den Willen des verlassenen Ehegatten und im Strafrecht bei der Fristenregelung.

Die großen Rechtsreformen des letzten Jahrzehnts sind mit ihrem Namen verbunden — auch wenn das Mediengesetz und insbesondere das Mietrechtsgesetz von der SPÖ allein durchgeboxt wurden.

Beide haben sich um ein gutes Gesprächsklima über Parteigrenzen hinweg bemüht — zu einer Zeit, da in anderen Bereichen nur noch Konfrontation galt.

Die einen sehen es als Hausers historisches Verdienst an, den Vorlagen Brodas die ärgsten marxistischen Giftzähne gezogen und — trotz sozialistischer Alleinregierung—manche nichtsozialistischen Gedanken durchgesetzt zu haben.

Andere wieder kreiden Hauser seine differenzierte und konstruktive Oppositionspolitik an: Er hätte mit seinen Experten zwar manch Positives zu den Vorlagen beigetragen, habe aber im Interesse des Kompromisses mit Broda wider bessere Erkenntnis viel Sozialistisches gutheißen müssen.

Es macht auch eine weitere Beurteilung die Runde: Hauser habe seine konstruktive Mitarbeit in der Öffentlichkeit nie „verkaufen" können — die Gesetze seien als „Brodas Reformwerk" in das Bewußtsein der Bevölkerung eingegangen.

Und: Kurzfristig sei Hausers parlamentarische Verhandlungsarbeit sicher nicht schlecht gewesen. Langfristig aber würden sich die Wähler fragen, warum sie nicht weiter SPÖ wählen sollen, wenn es die sozialistische Justizpolitik so gut gemacht habe.

Hat sich Hauser vom brillanten Taktierer Broda an die Leine legen lassen? Ist er, vom Kompromiß berauscht, zahnlos geworden?

Tatsächlich hat Broda - will es scheinen — in seine Vorlagen bewußt von 100 Teilen seiner Vorstellungen 80 von vornherein zum Nachgeben eingebaut — die restlichen 20 Prozent aber reichten noch immer für einen großen Schritt hin zur sozialistischen Gesellschaft.

Mit Hausers Billigung. Womit er sich und der ÖVP die Möglichkeit von Kritik und Alternative nahm.

Und wenn es mit dem Zuckerbrot nicht ging, setzte Broda die Peitsche der SPÖ-Mehrheit ein: gerade in Bereichen, in denen Konsens wünschenswert gewesen wäre.

Daß es keinen Konsens über die Schutzwürdigkeit werdenden menschlichen Lebens gab und gibt, auch das ist ein Erbe dieser Ära.

Erst die zeitliche Distanz wird es zulassen, in Hauser einen nichtsozialistischen Wegbereiter des Sozialismus oder einen weisen Künstler des Möglichen zu sehen.

Die Möglichkeiten, die sich Broda boten, hat er im Sinne sozialistischer Rechtspolitik genützt: Sie „dient letztlich auch zu einer Veränderung der Machtstrukturen" (Karl Blecha). Christian Broda hat dieser Idee ein politisches Leben lang treu gedient.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Wien.

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