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Steter Broda höhlt den Stein

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Bevor er sich ans Rednerpult stellt, holt er ein paar Honoratioren in die erste Reihe - die ist so gräßlich leer. Dann läßt er sich durch die Vorsitzende der BSA-VeranstaL tung um den Vortrag bitten: „Lieber Genosse Broda, wir sind sehr begierig zu hören, was du uns heute zu sagen haben wirst..Thema dessen, was so begierig erwartet wird: Der aktuelle Stand in der Familienrechtsreform.

Christian Broda, unangefochtener sozialistischer Paragraphen- Schneider der Regierung Kreisky, hat bereits am 14. Jänner 1976 zum selben Thema vor der selben Corona gesprochen. Das weiß er genau, denn am 14. Jänner hat seine Tochter Geburtstag, läßt Broda als gewiegter Dialektiker und Rhetoriker seine Zuhörer wissen. Was ihm prompt einen anerkennenden Zwischenruf einträgt: „… das ist wirklich ein vorbildlicher Vater..

Dann verspricht der Justizminister „neue Aspekte an durchaus nicht neuen Problemen“. Das Kindschaftsrecht, das eheliche Vermögensrecht und das Scheidungsrecht liegen zur Zeit noch in Unterausschüssen des Justizausschusses. Kein Zweifel, spätestens am 1. Jänner 1978 muß das ganze Paket Familienrecht in Kraft treten.

Für den angepeilten Termin sprechen laut Broda zwei Gründe: Erstenssoll der Jahrhundertmarkstein Familienrecht endlich und endgültig das Licht der Welt erblicken, zweitens drängt das Problem Medienrecht, das aber erst nach Ab- schlvß der Familiendiskussion angegangen wird: „Das nennt man doppeltes Glück“, meldet Broda seinen Zuhörern stolz, „ich hab’ das in China gelernt.“

Mit der Nebenbemerkung, sämtliche Justizreformen seien von allen Parteien gemeinsam beschlossen worden, mit Ausnahme des Schwangerschaftsabbruches, schlittert Broda in den Bereich Fristenlösung hinüber, denn die Fristenlösung gehört nach seiner Meinung zur Familienreform „natürlich“ mittelbar dazu. Allen Hoffnungen, auf Grund des Volksbegehrens der Aktion Leben könnte doch noch eine Modofizierung des Strafgesetzes herbeigeführt werden, setzte er ein deutliches Haltesignal: „Die Beratungen über das Volksbegehren zum Schutze des … ich weiß net genau, wie das heißt… des werdenden Lebens haben nichts ergeben, was dafür spräche, zu den alten Bestimmungen zurückzukehren.“ Womit er zugab (oder vortäuschte), nicht nur den Titel, sondern auch den Inhalt des Volksbegehrens nicht zu kennen.

„Die Fristenlösung hat sich in Österreich bewährt“, freut sich Broda. Warum? Weil es in ganz Österreich 129 Familienberatungsstellen gibt, die 1976 von über 50.000 Personen frequentiert wurden: „Das ist eine großartige Rechtfertigung der Fristenregelung, wir werden das im Parlament sagen, wir werden das sehr offensiv sagen!“

„Es regiert die Angst vor Atomkraftwerken, vor der Kriminalität, vor dem Terrorismus und die Angst vor der Scheidungsreform", leitet Broda zum aktuellsten Thema über. Die Angst vor der Scheidungsreform sei aber im wesentlichen bereits beseitigt. Broda will nach drei Jahren getrennten Ehelebens (mit der Möglichkeit der Erstreckung auf fünf Jahre) den Widerspruch der Gatten gegen die Scheidung beseitigen. Mit der Sicherung des Unterhalts- und Pensionsanspruches „wie bei aufrechter Ehe “ glaubt Broda sämtliche Probleme - und das sind bei ihm ausschließlich vermögensrechtliche - gelöst zu haben. Gegen seinen Vorschlag gibt es kein durchschlagendes Argument, versichert Broda: „Kein zerbrochenes Eheleben kann durch Paragraphen geheilt werden.“ Durch Paragraphen kann man den Menschen auch weder Takt noch Verständnis einimpfen, ergänzt er dann.

Es erhebt sich die Frage: Was will Christian Broda mit seinen Paragraphen?

Er will eheerhaltend und fami- lienfördemd wirken, teilt er dann im geheimnisvollen Flüsterton mit. Das hat er auch Bischof Wagner schon gesagt. Viele Leute wollen nicht nur staatlich, sondern auch kirchlich ein zweites Mal heiraten; deswegen wäre die Kirche gut beraten, sich seinem Scheidungsvorschlag anzuschließen.

Zum Abschluß zieht Broda Briefe aus der Tasche und liest vor: „In der Hoffnung, daß meine Zeilen Sie erweichen … wir sind zwei rechtschaffene Menschen und würden so gerne ein normales Leben führen und heiraten … Diese Aussichtslosigkeit hat viele Menschen in den Tod getrieben… Es betrübt mich sehr, daß der Vater meiner drei Kinder mich nicht heiraten kann…“

Dann ein Scherz: Im ersten Quartal 1977 haben in Wien von 1506 Brautpaaren 27 vom neuen Namensrecht Gebrauch gemacht und den Familiennamen der Frau gewählt: „Steter Tropfen höhlt den Stein … Sogar Tiroler haben schon davon Gebrauch gemacht.“

Dann noch eine Weisheit: „Ein Schelm, der mehr gibt, als er hat… ich habe nur gegeben, was ich habe…“

Die sozialistischen Akademiker applaudieren.

Als Vortragender hätte er an Inhalten ruhig mehr geben können als er hat. Die grundsätzlichen Aussagen waren dürftig. Als Justizminister sollte er weniger geben, als er hat. Weniger rotgefärbtes Familienrecht. Der Schelm.

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