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Was geschah am 8. Mai 1945?

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Der frühere Justizminister Dr. Christian Broda und nunmehrige Autor eines SPÖ-Justizprogramms, das vor einigen Tagen veröffentlicht wurde, hat seinerzeit auf eine Glosse in der „Furche“ zum Thema „Aufklärung von Kriegsverbrechen“ in Form einer sehr heftigen Darstellung in der „Sozialistischen Korrespondenz“ geantwortet. Dieser Broda- „Darstellung“ folgte in der „Furche“ ein Beitrag von Ing. Simon Wiesenthal, dem Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums, der einige für Broda nicht allzu angenehme Fakten aussprach.

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Der frühere Justizminister Dr. Christian Broda und nunmehrige Autor eines SPÖ-Justizprogramms, das vor einigen Tagen veröffentlicht wurde, hat seinerzeit auf eine Glosse in der „Furche“ zum Thema „Aufklärung von Kriegsverbrechen“ in Form einer sehr heftigen Darstellung in der „Sozialistischen Korrespondenz“ geantwortet. Dieser Broda- „Darstellung“ folgte in der „Furche“ ein Beitrag von Ing. Simon Wiesenthal, dem Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums, der einige für Broda nicht allzu angenehme Fakten aussprach.

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vertreter wurde der Kommunist Oktavian Baumgartner. Weitere Mitglieder waren die „Bürgerlichen“ Emzenbergeir und Sam- haber sowie der Kommunist Maier. Dieser Maier Übernahm — so heißt es — auch das Ressort „S ich erhei tswesen“.

Dr. Christian Broda stellte angeblich die Kontakte zu der Besatzungsmacht her und wurde zum Koordinator aller provisorischen Bezirksvertretungen im Raum Oberösterreich.

Der von Broda „präsidierte“ Siebenerausschuß soll 60 Männer aufgenomm-en haben, die für Polizei und Sicherheitsdienst eingesetzt werden sollten.

Ein Adolf Matulik soll Komman- C int der Polizeitruppe, ein gewisser Ziegler Gendarmeriekommandant und ein Hans Mitterndorfer Polizeiohef in Ried/Stadt geworden sein.

Dieser Mitterndorfer — der Doktor Christian Broda ergeben gewesen sein soll — hatte eine Liste der in Ried ansässigen Nationalsozialisten aufgestellt, „verhaftet“ und in einem Gasthof Lughofer den Amerikanern vorgeführt.

Im August 1964 wurden Erhebungen der Sicherheitsdirektion Linz im Zusammenhang mit den damaligen Vorfällen anigestellt. Dąbei handelt es sich vor allem um zwei „Fälle“:

• Am 8. Mai 1945 soll ein Kommando Mitterndorfers den 48jäh- rigen Amtsarzt Dr. Emmerich Mösendorfer und den 34jährigen ehemaligen Kriminalbeamten Andreas Blaschofsky zu einem „Verhör“ abgeholt haben.

• Die beiden Männer sollen nach dem „Verhör“ durch die Amerikaner aber nicht in das Internie

Nunmehr freilich scheint es um den ehemaligen Justizminister und Autor des jüngsten SPÖ- Justizprogramms durchaus nicht ruhig zu sein. Aus alten Archiven werden „Behauptungen“ an die Oberfläche gezogen, die vom ehemaligen SPÖ-Innenminister Franz Olah stammen.

Dabei geht es um eine andere Form von „Vergangen,heitsbewäl-

tigung“, die Broda gerne in der Frage der Kriegsverbrechen üben möchte. Dr. Broda hat im Parlament auf einen eher unpassenden Zwischenruf reagiert und dabei eine Flut von Argumenten zu seiner Vorkriegstätigkeit und seiner in der NS-Zeit verfaßten Dissertation vorgebracht.

Zur untenstehenden Thematik hat Dr. Broda nur sehr kursorisch Stellung bezogen — in der Form, daß er auf irgendwelche eingestellten Erhebungen hinwies. Dies scheint aber ohne Frage für den Exjustizminister zu wenig zu sein.

Es gabt bei den uimsehwirrenden „Behauptungen“ um die Zeit zwischen Mai und November 1945. Am 3. Mai 1945 wurde die Öberösterreichische Stadt Ried im Innikreis von den Amerikanern unter einem Captain Clyde M. Mead besetzt. Männer des Widerstandes traten an den sechs Kilometer von Ried entfernt lebenden 29jährigen Doktor phil. Christian Broda (damals noch ohne abgeschlossene juridische Ausbildung) heran und luden ihn ein, an die Spitze eines „Siebenerausschusses“ zu treten, der sich „Freies Österreich“ nannte. Die Amerikaner billigten die Tätigkeit des Ausschusses und seine Mitglieder und übertrugen ihm gewisse Aufgaben.

Ein Wilhelm Soukup wurde als Bürgermeister eingesetzt. Stell-

rungslager der Besatzungsmacht gebracht worden sein;

• vielmehr fand man am 9. Mai 1945 neben der Straße in Richtung der Ortschaft Riegerting die Leichen von Mösendorfer und Blaschofsky.

Was ist wahr an den Gerüchten? Man muß in diesem Zusammenhang daher einige Fragen klären. Klaren können diese Fragen nur d'ie Beteiligten von damals.

1. Ist Dr. Christian Broda vom 5. Mai 1945 an „Vorsitzender“ eines Ausschusses gewesen, der in Ried/Innkreis gewisse öffentliche Aufgaben erfüllte?

2. Welche Kompetenz hatte dieser „Ausschuß“ und oblag ihm der provisorische Polizeidi®nst im Auftrag der Besatzungsmacht?

3. Welche Funktion hatte Hans Mitterndorfer; durfte er oder einer seiner Männer eine Gewalt gegen Personen ausüben?

4. Ist Dr. Christian Broda der Tod von Dr. Mösendorfer und Andreas Blaschofsky damals bekanntgeworden?

5. Von wem wurden damals Untersuchungen in diesem offensichtlichen Straffall geführt? Hat der „Ausschuß“ von Dr. Christian Broda eine Anzeige erstattet?

Und schließlich:

6. Sind dem späteren Justizminister Dr. Christian Broda die Vorfälle in Ried im Jahre 1945 bekanntgeworden? Insbesondere aber der Fall Dr. Mösendorfer und Andreas Blaschofsky?

Mag sein, daß alle diese Vorfälle falsch interpretiert wurden; mag sein, daß im Jahre 1945 eine so gravierende Ausnahmesituation bestand, daß der Tod von zwei Häftlingen nicht weiter auffiel. Mag auch sein, daß ein gekränkter ehemaliger SPÖ-Minister heute unter Immunität Behaup- tungeii auf stellt.

Worum es geht, ist einfach.

Um ein klares Wort eines Mannes, der jahrelang oberster Chef der österreichischen Gerichtsbarkeit war und Autor eines Justizprogramms ist, das die große Oppositionspartei im Falle ihres Sieges nach dem 1. März 1970 verwirklichen will.

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