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Um „allfällige Ermittlungsaufträge“ wird gebeten

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Im Dezember 1969 richteten wir an Dr. Christian Broda sechs Fragen. Sie betrafen, wie erinnerlich, Vorfälle, die sich im Mai 1945 in Ried in Innkreis abgespielt haben. Unsere Fragen haben einiges Aufsehen erregt. Abgeordnete und Funktionäre der SPÖ versicherten der FURCHE (hinter vorgehaltener Hand und mit der Bitte, sie nicht zu nennen), daß ihnen der „Dr. Broda schon immer ein wenig unheimlich gewesen sei ...“ Und einige Nationalratsabgeordnete der ÖVP bemühten sich, eine parlamentarische Anfrage an den Justizminister einzubringen. Was einen Journalisten veranlaßte, unsere „Fragen an Dr. Broda“ als „Wahlkampfaktion“ (scheinbar zugunsten der ÖVP?) zu bezeichnen.

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Im Dezember 1969 richteten wir an Dr. Christian Broda sechs Fragen. Sie betrafen, wie erinnerlich, Vorfälle, die sich im Mai 1945 in Ried in Innkreis abgespielt haben. Unsere Fragen haben einiges Aufsehen erregt. Abgeordnete und Funktionäre der SPÖ versicherten der FURCHE (hinter vorgehaltener Hand und mit der Bitte, sie nicht zu nennen), daß ihnen der „Dr. Broda schon immer ein wenig unheimlich gewesen sei ...“ Und einige Nationalratsabgeordnete der ÖVP bemühten sich, eine parlamentarische Anfrage an den Justizminister einzubringen. Was einen Journalisten veranlaßte, unsere „Fragen an Dr. Broda“ als „Wahlkampfaktion“ (scheinbar zugunsten der ÖVP?) zu bezeichnen.

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Nun, weder ist uns Dr. Broda „unheimlich“, noch macht es uns was aus, ob Abgeordnete lieber ein frühes Ende der Parlamentsdebatte wollen und Verlängerungen durch parlamentarische Anfragen als lästig empfinden. Wir haben an Dr. Christian Broda einige Fragen gestellt; nicht, weil wir in der Vergangenheit eines fachlich hochqualifizierten Mannes herumstöbern wollen; sondern weil wir meinen, daß der Exjustizminister Doktor Broda als Verfasser des SPÖ-Justizprogrammes im Falle einer sozialistischen Regierungsbeteiligung schon morgen mit größter Wahrscheinlichkeit wieder Justizminister sein wird. Von einer Persönlichkeit, die eine Regierungsfunktion ausfüllen soll (und auch will?), darf der einfache österreichische Staatsbürger schon deshalb besonders exakte Auskunft erwarten, weil das Justizressort mit Recht als einer der Wächter absoluter und restloser Rechtsstaatlichkeit gelten muß.

Dr. Christian Broda hat unsere Fragen bisher nicht beantwortet. Und das erstaunt nicht allein uns, sondern auch zahlreiche Staatsbürger, die dieses Schweigen heute mißdeuten. Wir dürfen als bekannt voraussetzen, worum es geht. 1945 wurde Dr. Broda Mitglied einer Bewegung „Freies Österreich“, die von dpn Besatzungsmächten im Räume Ried/Inmkneis in Oberösterreich öffentliche Funktionen erhielt. Dieser Ausschuß veröffentlichte am 5. Mai 1945 ein „Sofortprogramm“, das in der „Innviertier Volkszeitung“ veröffentlicht

wurde. In diesem „Sofortprogramm“ unterschrieb auch „Doktor H. Ch. Broda“ mit dem Wortlaut „Für die Bezirksvertretung“ (siehe Abdruck!).

In diesem „Sofortprogramm“ findet sich als Punkt 4 folgendes: „Im Rahmen der von der alliierten Militärregierung aufgestellten Richtlinien ist die öffentliche Sicherheit mit allen Mitteln, vor allem durch Aufstellung einer aus verläßlichen Gegnern des Nationalsozialismus bestehenden Hilfspolizei, wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.“

Wir haben Dr. Broda gefragt, ob der Ausschuß „gewisse öffentliche Aufgaben erfüllte“ und welche Kompetenz er hatte. Das scheint uns nun hinlänglich ersichtlich.

Am 9. Mai 1945 ist um 15 Uhr der Tod des Andreas Blaschofsky gemeldet worden. Bekanntlich wurde er zusammen mit Doktor Emmerich Mösendorfer ermordet in einem Straßengraben bei Rie-gerting aufgefunden. Wir können nicht annehmen, daß die als „Bezirksvertretung“ fungierenden Mitglieder des „Freien Österreich“ nichts davon wußten, zumal bis heute jedermann in Ried davon spricht.

Dr. Broda übersiedelte noch im Jahre 1945 von Ried nach Wien.

Später wurde er Nationalratsabgeordneter und schließlich Justizminister. Aus diesem Amt schied er 1966.

Nun ermittelte im Jahre 1964 die Sicherheitsdirektion Oberösterreichs in der Sache Blaschofsky-Mösendorfer. Die Ermittlungen wurden durch eine Artikelserie in der besonders in Oberösterreich stark verbreiteten Wochenzeitung „ECHO“ ausgelöst. Und damals schrieb der Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich an das Innenministerium: „Obwohl es noch weiterer und und sehr intensiver Erhebungen bedürfen wird, um alle diese offenen Fragen klarzustellen, habe ich die bisher nur mündlich befaßte Staatsanwaltschaft in Ried i. I. durch die Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung vom 13. 8. 1964... umfassend in Kenntnis gesetzt und um die Erteilung allf. Ermittlungsaufträge gebeten.“

Die Staatsanwaltschaften in Österreich sind gegenüber dem Justizminister weisungsgebunden. Man darf also annehmen, daß der damalige Justizminister Doktor Broda auf dem Dienstweg von den polizeilichen Untersuchungen in Oberösterreich erfahren haben muß.

Tatsache ist, daß die Staatsanwaltschaft in Ried keine „allf. Ermittlungsaufträge“ erteilte. Anklage wurde gleichfalls keine erhoben. Ist das allgemein so üblich?

Wir fragen also Dr. Christian Broda neuerlich: „Sind dem... Justizminister Dr. Christian Broda die Vorfälle in Ried im Jahre 1945 bekanntgeworden?“

Auf Grund unseres Artikels schrieb Frau Rosa Stritzinger, verwitwete Blaschofsky an die „Furche“:

trAuf Grund dieses Artikels, der sich mit der Ermordung meines Mannes Andreas Blaschofsky in Ried beschäftigte, habe ich an den Herrn Justizminister geschrieben und die dringende Bitte gerichtet, die Ermordung meines Mannes doch noch einmal nachdrücklich und sorgfältig überprii-fen zu lassen.“

Wir fragen heute also auch Justizminister Dr. Hans Kle-catsky: Wird der Fall überprüft?

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