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Politische und sonstige Verantwortung

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Geschliffene Eleganz: Das assoziiert man im Regelfall mit Justizminister Broda. Bei der „Pressestunde" im letzten Sonntag-Fernsehen verließ ihn diese Argumentationsqualität für einen Augenblick total.

Als die SPÖ noch in Opposition war, forderten Christian Broda und Leopold Gratz in einem gemeinsam herausgegebenen Buch zur Demokratiereform, daß schon eine qualifizierte Minderheit im Parlament die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließen können sollte.

Begründung: Kontrolliert werden soll ja die regierende Mehrheit (damals die ÖVP). Logische Folge: Diese soll eine solche Kontrolle nicht verhindern können!

Nun aber sagt Christian Broda schlicht: „Ich korrigiere meine seinerzeitige Auffassung. Sie ging zu weit. Man muß Mißbräuche verhindern."

Wenn man nicht annehmen soll, daß die Antwort schlicht als „Weil wir halt jetzt die Mehrheit sind" zu deuten war, hätte sie einer eingehenden Begründung bedurft. Der Minister machte nicht einmal einen schlichten Versuch dazu.

Eine solche wäre ihm schon deshalb nicht leicht gefallen, weil die ÖVP-Op-position sowohl im Wiener Gemeinderat wie im Nationalrat schon 1974 bzw. 1975 Anträge auf Untersuchung der Vorgänge rund um den Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses stellte.

Sie wurden in beiden Fällen von der sozialistischen Mehrheitsfraktion niedergestimmt. Heute muß man sagen, daß eine Untersuchung schon zum damaligen Zeitpunkt den Steuerzahlern wahrscheinlich Milliarden erspart hätte.

Und da spricht Broda von Mißbrauch? Er kann seit dieser Argumentation wirklich nicht mehr aus der politischen Mitverantwortung für den AKH-Skandal entlassen werden.

Was aber bedeutet politische Verantwortung im engeren Sinn? Je länger darüber diskutiert wird, um so verworrener wird das Bild.

Dabei ist die Antwort einfach: Politische Verantwortung bedeutet, daß jedes Mitglied einer Bundes-, Landesoder Gemeinderegierung für alle Vorkommnisse in seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich ist - auch für die Auswahl der Mitarbeiter.

In der Praxis bedeutete politische Verantwortung dereinst, daß ein Verkehrsminister zurücktrat, wenn ein Schrankenwärter ein Zugsunglück verschuldet hatte.

Heute sind die Sitten laxer geworden. Immerhin gab es auch in der Zweiten Republik noch Ansätze zu solcher politischer Moral: Staatssekretär Kotzina wollte wegen des Autobahnskandals und Bürgermeister Gratz wegen des Einsturzes der Wiener Reichsbrücke zurücktreten.

In beiden Fällen hielten ihre Parteifreunde sie davon zurück. Immerhin ging wegen des Brückeneinsturzes ein Stadtrat. Und in Hamburg trat jüngst ein hoher Magistratsbeamter wegen eines Giftfässerskandals zurück.

Bei uns erklären heute alle für die Auswahl krimineller Manager verantwortlichen Politiker: „Wir waren guten Glauben." Und: „Ein Anti-Korruptions-Volksbegehren brauchen wir nicht, das werden wir schon machen."

Es scheint, wir brauchten es dringender denn je.

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