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Staat für Dauerehe

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FUR CHE: Herr Bundesminister, Sie haben die im Entwurf für Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes vorgesehene Herabsetzung des Ehemündigkeitsalters von 19 auf 18 Jahren bei Männern und von 16 auf 15 bei Frauen auf Druck in Ihrer Partei selbst zurückgezogen. Warum kam es überhaupt dazu, da man doch weiß, daß die Ehen Minderjähriger überdurchschnittlich oft scheitern?

MINISTER BRODA: Hier liegt ein großes Mißverständnis vor. Die Regelung sollte, da Dispens praktisch immer erteilt wird, die Gerichte entlasten. Die Diskussion überzeugte mich, daß eine Zurückziehung sinnvoll war. Das liegt im Wesen eines Begutachtungsverfahrens. Jedenfalls hat die Erfahrung mit der Familienrechtsreform gezeigt, daß die vielfach befürchtete Tendenz einer Förderung von Ehezerrüttung in keiner Weise eingetreten ist. Wir werden nun die Entwicklung der Scheidungsziffern untersuchen ...

FURCHE: Diese sind in den letzten Jahren kraß gestiegen...

BRODA: Das muß man in größeren Zusammenhängen über mehrere Jahre hin vergleichen. Ohne Zweifel beweist die Praxis, daß die versorgungsrechtliche Stellung der Frau durch die Scheidungsreform besser geworden ist. Und daß heute mehr als die Hälfte der Scheidungen einverständlich angestrebt werden, beweist, daß ein offenkundiges Bedürfnis an einer „Scheidung ohne Schmutzwäsche vor Gericht“ besteht.

FURCHE: Nun soll aber auch noch der sogenannte Sühneversuch wegfallen. Das alles hat doch dazu geführt, daß heute schon bei Eingehen einer Ehe häufiger als früher die leichtere Trennbarkeit mit einkalkuliert wird.

BRODA: Ich sehe das nicht so. Auch die durch Wegfall der Strafbarkeit von Ehebruch und Ehestörung befürchtete Ermunterung zu häufigerem Ehebruch ist nicht eingetreten. Auch bleibt es Pflicht des Gerichtes, in Scheidungsverfahren zu beraten. Aber das soll weniger als Formalakt erfolgen, sondern dem Verfahren immanent sein.

FURCHE: Könnte man den Sühneversuch, statt ihn abzuschaffen, nicht verbessern - vielleicht in Beratungsstellen, wie sie nach dem Familienberatungsförderungsgesetz geschaffen worden sind?

BRODA: Ich könnte mir vorstellen, daß wir beim Sühneversuch vor Gericht bleiben und versuchen, diesen zu revita- lisieren.

FURCHE: Was ist überhaupt Ihre A uffassung vom Wesen einer Ehe?

BRODA: Die auf Dauer beabsichtigte Verbindung zweier Menschen auf der Grundlage der Selbstbestimmung und der Selbstdisziplin, die zusammen zu mehr Selbstachtung führen.

FURCHE: Muß also auch der Staat an der Dauerhaftigkeit einer solchen Verbindung interessiert sein?

BRODA: Ja, aber in den Grenzen dieser drei Prinzipien. Unter den im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen muß eine Ehe auch trennbar sein, weil der Staat kein Interesse daran haben kann, daß Ehetragödien perpetuiert werden.

FURCHE: In einer anderen Frage sind Sie immer wieder und zum Teil sehr demagogisch (Stichwort „Häfen- urlaub") angegriffen worden: beim Strafvollzug.

BRODA: Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die*Fragen des Strafvollzugs in Österreich immer wieder Kleingeld in der tagespolitischen Auseinandersetzung darstellen. Ich war immer dankbar für Unterstützung aus dem Bereich der großen Religionsgemeinschaften. Zu den aufopferndsten Helfern dabei gehören unsere Anstaltsseelsorger, aber auch die Sprecher der Bischofskonferenz ließen es an Unterstützung nicht fehlen. Ich spreche nicht gern von einem „humanen Strafvollzug“, weil Strafvollzug seinem Wesen nach nicht human sein kann. Aber man soll alles tun, damit im Strafvollzug mehr Menschlichkeit geübt wird.

FURCHE: Sind Sie mit diesem Programm echt weitergekommen?

BRODA: Ja. In den letzten Jahren wurde doch ein echter Abbau von Aggressionen bewirkt, auch wenn die praktische Arbeit ungeheuer schwierig und in vielen Fällen der Erfolg problematisch ist. Grundlage dieser Arbeit ist ■das Prinzip, daß keinem Menschpn die Hoffnung genommen werden darf. Was wir bewirkt haben, ist doch eine Änderung in der Grundeinstellung, und - wir haben auch sehr große Fortschritte durch konkrete Maßnahmen erzielen können.

FURCHE: Sie sind im Regelfall ein Anhänger des Konsensprinzips und manche meinen nun. Sie verhandelten über gewisse Gesetze so lange, bis diese nicht mehr Fisch und nicht mehr Fleisch sind und niemandem mehr nutzen.

BRODA: Beschließt man mit Mehrheit, wird man kritisiert, sucht man Konsens, geschieht es auch. Aber konkret kann man weder der Strafrechtsreform noch der Familienrechtsreform noch dem nunmehr vorliegenden Mediengesetz diesen Vorwurf machen.

FURCHE: Dafür einen anderen - daß nämlich die Gesetze immer unverständlicher für Durchschnittsbürger werden...

BRODA: Das Problem bestehteuropaweit und hängt mit der wachsenden Kompliziertheit der gesellschaftlichen Sachverhalte zusammen. Beim neuen Strafgesetz wird die sprachliche Verständlichkeit übrigens international anerkannt.

FURCHE: Trotzdem . ..

BRODA: Trotzdem ist das eine Aufgabe, die erhöhte Aufmerksamkeit verdient und der man in Zukunft mehr Energie als bisher widmen muß.

FURCHE: Weniger Energie, so schien es, wandten Spitzenfunktionäre Ihrer Partei auf, als der FPÖ-Obmann Sie jüngst den ,.Staatsfeind Nummer eins" nannte. Stimmt es, daß Ihre Stellung in der SPÖ gesch wacht ist, seit Sie sich in der Causa Androsch auf die Seite des einstigen Vizekanzlers schlugen?

BRODA: Das sehe ich überhaupt nicht so. Alle maßgebenden Parteifreunde haben rasch und eindeutig für mich Stellung bezogen, was bei der Ent schuldigung auch eine Rolle gespielt haben dürfte.

FURCHE: Herr Sieger kommt mit einer Entschuldigung jedenfalls leichter weg als ein Kohlmaier. Will die SPÖ die FPÖ als Koalitionspartnerin bei Stimmung halten?

BRODA: Das hat damit gar nichts zu tun. Die Frage einer anderen Regierungsform als der jetzigen ist in dieser Gesetzgebungsperiode nicht aktuell, und unter geänderten Voraussetzungen ist nach den Spielregeln der Demokratie jede Art von Koalition der drei im Nationalrat vertretenen Parteien möglich.

FURCHE: Haben Sie eine persönliche Präferenz?

BRODA: Das kommt auf die Umstände an.

Mit dem Bundesminister Tür Justiz sprach Hubert Feichtlbauer.

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