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„Es ist kein sozialistischer Vorschlag“

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FURCHE: Wir wollen, Herr Minister, einmal den 144 und seine Problematik ausklammern. Aber idst genau heute in evnem Jahr, am 30. Juni 1973, muß nach dem Willen der sozialistischen Parlamentsfraktion, die diesen Termin gemeinsam mit der FPÖ setzte, der Justizausschuß des Parlaments die Beratungen über die große Strafrechtsreform abgeschlossen haben. Sie, Herr Minister Broda, haben wiederholt erklärt, in der wichtigen Angelegenheit der Strafrechtsreform könne nicht eine Diktatur der 51 Prozent herrschen. Das heißt, daß Sie sich um einen Konsens aller im Parlament vertretenen Parteien bemühen. Gilt das auch unter dem Aspekt, daß alle Beratungen in einem Jahr abgeschlossen sein müssen? BRODA: Das gilt auch heute noch. Ich stehe zu diesen Erklärungen. Allerdings ist es umgekehrt ebenso richtig, daß es wohl auch keine Diktatur der 49 Prozent über die 51 Prozent geben kann. Ich möchte aber feststellen, daß nach dem bisherigen Verlauf der sehr sachlichen Beratungen im Strafrechtsunterausschuß gar kein Zweifel besteht, daß alle im Ausschuß vertretenen Parteien den festen Willen haben, in dieser wichtigen Materie zu einer Ubereinstimmung zu kommen. Ich bin zuversichtlich, daß uns dieses Ziel auch diesmal wieder gelingen wird; so wie bei der sogenannten Kleinen Strafrechtsreform, die im Jahre 1971 verabschiedet worden ist. FURCHE: Sie haben in der Diskussion um Ihren Strafrechtsentwurf wiederholt auf das deutsche Modell verwiesen; Sie haben sich auf die Erfahrungen, die man mit der Strafrechtsreform in der Bundesrepublik machte, berufen. Es gibt aber eine Regierungsvorlage aus dem Jahre 1968, die der damalige Justizminister Kle-catsky einbrachte, die Sie in Ihrem Entwurf kaum berücksichtigten. Formal entkräfteten Sie diese Bemerkung mit dem Hinweis, daß von den 330 Paragraphen Ihrer Vorlage 260 dem Klecatsky-Entwurf entsprechen. Es bestehen aber doch strukturelle Unterschiede. Man könnte die Frage anders wenden: Ist der Broda-Entwurf ein sozialistisches

BRODA: Diese Frage ist sehr einfach zu 'Beantworten: Der Regierungsentwurf 1971 ist ein Gesetzentwurf, der den Grundsätzen der pluralistischen Gesellschaft unserer Zeit Rechnung zu tragen versucht. Dieser Entwurf ist von vornherein darauf abgestellt, Übereinstimmung zu erzielen. Wir haben in Österreich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, daß wir bei so grundsätzlichen Gesetzen in den Vorberatungen sehr viel Energie, Mühe, Zeit und Toleranz aufwenden, um den größten gemeinsamen Nenner gemeinsamer Anschauungen auszuloten und schließlich auch gesetzgeberisch darauf einzugehen. Daraus ergibt sich, daß auch der jetzt vorgelegte Regierungsentwurf realistisch schon die Möglichkeit eröffnen mußte, daß man sich über ihn oder seine wesentlichen Grundsätze einigen konnte. Gewiß geht er in einer ganzen Reihe von Schwerpunkten über das hinaus, was der Entwurf des Justizministers Klecatsky 1968, der ja wieder auf Vorentwürfen aufgebaut hatte, dem Parlament Vorgeschlagen hatte. Aber das haben wir ja nie geleugnet. Ich habe als Sprecher der Opposition

Kritik an diesem Entwurf geübt, weil ich meinte, daß er den Erfordernissen unserer Zeit nicht Rechnung trägt, und deshalb war es klar, daß wir über diesen Entwurf hinausgehen. Es war dies insbesondere klar, weil in der Zwischenzeit die sehr interessanten Ergebnisse der deutschen Reformbestrebungen sich schon abgezeichnet haben. Und ich möchte gar nicht in Abrede stellen, daß wir auch die Ergebnisse dieser deutschen Reformbestrebungen mitverwertet haben. Aber wir haben sie weder imitiert noch haben wir gesagt, daß wir jetzt in der gleichen Weise vorgehen wollen.

Wir haben, aufbauend auf den Entwürfen von 1912, 1927, 1964 und natürlich 1966 und 1968, jetzt diesen Regierungsentwurf 1971 vorgelegt und wir meinen, daß er größter Anstrengung aller Seiten, auch größter Toleranz und eines starken Willens zu gemeinsamen Lösungen wert wäre. FURCHE: Ist dieser Entwurf nun ein sozialistisches Gesetz, wie es Bundeskanzler Kreisky in einer Diskussion erklärt hat, oder schon der größte gemeinsame Nenner? BRODA: Der Entwurf enthält zweifellos, wie jedes Vorhaben, in das sehr viel geistige Energie investiert worden ist, sehr viele, wie wir auch in unserer Regierungserklärung sagen, sozialdemokratische Grundsätze oder Grundsätze, die demokratische Sozialisten seit vielen Jahren, Jahrzehnten, vertreten haben. Aber es ist kein sozialistischer Vorschlag, nein, es ist ein Vorschlag, dem nach der Diskussion von Einzelheiten jedermann, der eine zeitgemäße demokratische Rechtsordnung unserer pluralistischen Gesellschaft bejaht, die Zustimmung erteilen kann.

FURCHE: Man wird also noch ein Jahr, ab jetzt, verhandeln... BRODA: Man wird ein Jahr verhandeln. Es ist immer im Parlament so, daß man gegen Schluß von selbstgesetzten Fristen oder Fristen, die das Parlament beschlossen hat, dann intensiver verhandeln muß. Wir haben noch eine sehr schwere Aufgabe vor uns. Aber wir sind optimistisch.

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