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Eine Doppelstrategie?

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Mit ihrer Wohnungspolitik ist die sozialistische Regierung in den letzten fünf Jahren auf der Stelle getreten. Wenn das in der Statistik über geförderte Wohnungen seit 1970 nicht ganz so deutlich zum Ausdruck kommt, dann deshalb, weil jedenfalls bis Ende 1973 die Zahl der meist bausparfinanzierten Eigenheime insbesondere in den westlichen Bundesländern überproportional anstieg. Das Versprechen, jedes Jahr um rund fünftausend Wohnungen mehr zu errichten, blieb jedenfalls unerfüllt; selbst die Wohnbauleistungen in den letzten Jahren vor 1970 wurden im letzten halben Dezennium stark unterschritten.

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Mit ihrer Wohnungspolitik ist die sozialistische Regierung in den letzten fünf Jahren auf der Stelle getreten. Wenn das in der Statistik über geförderte Wohnungen seit 1970 nicht ganz so deutlich zum Ausdruck kommt, dann deshalb, weil jedenfalls bis Ende 1973 die Zahl der meist bausparfinanzierten Eigenheime insbesondere in den westlichen Bundesländern überproportional anstieg. Das Versprechen, jedes Jahr um rund fünftausend Wohnungen mehr zu errichten, blieb jedenfalls unerfüllt; selbst die Wohnbauleistungen in den letzten Jahren vor 1970 wurden im letzten halben Dezennium stark unterschritten.

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Dabei riskierte die Sozialistische Partei schon mit ihren wohnungs-programmpolitischen Vorstellungen aus dem Jahre 1969 eine wesentliche Abkehr von ihrer alten Ideologie, daß Wohnungseigentümer und Vermieter von vornherein Finsterlinge seien, die aus der Wohnnotlage armer Menschen hohen Profit ziehen. Wenn es diesen Typ tatsächlich noch geben sollte, dann wurde seine Art vor allem von der Mietengesetzgebung geschaffen und neu geschaffen wurde dieser Typ auch erst seit dem Einströmen der Fremdarbeiter nach Österreich. Jugoslawischen Gastarbeitern konnte man bis Ende 1974 tatsächlich fast jeden Preis für die mietweise Überlassung längst assanierungsnotwendiger Unterkünfte diktieren. Da nun ein guter Teil der Gastarbeiter aus Gründen sinkenden Arbeitsplatzan-gebots Österreich wieder verlassen hat, ist der Wert baufälliger Zinshäuser im Stadtgebiet wieder stark zurückgegangen. Die Eigentümer dieser Wohnhäuser denken vorderhand gar nicht daran, längst fällige Sanierungsarbeiten einzuleiten. Im Gegenteil: Man hofft, daß mit dem nächsten Konjunkturhoch auch der nächste Gastarbeiterstrom fällig ist und der Wohnungswucher wieder beginnen kann.

Vor einem Jahr ließ Wiens Bürgermeister Gratz eine Bombe platzen: Er sprach von der budgetbedingten Notwendigkeit, das Para-graph-7-Verfahren auch auf Gemeindehäuser anzuwenden. Damit pries der Landesobmann der zweifellos konservativsten sozialistischen Landesorganisation plötzlich die Qualität und die Verwendbarkeit eines Verfahrens, gegen das in sozialistischen Kreisen bisher am eifrigsten gewettert wurde. Dennoch beschränkte sich die offene Kritik am Vorschlag von Gratz allein auf die kommunistische Zwergbewegung in Wien.

Heute steht die Bundesregierung vor der Tatsache, daß im Staatshaushalt viel zu wenig Mittel für die Forcierung des staatlich geförderten Neubaus von Wohnhäusern vorhanden sind. Da überdies das.noch immer akute Wohnungsproblem in Österreich nicht quantitativer, sondern vor allem in den größeren Städten (insbesondere in Wien, wo rund 70.000 Wohnungen leerstehen) — qualitativer Art ist, scheint sich, die Bundesregierung endlich dazu zu bequemen, in der Wohnungspolitik marktwirtschaftliche Akzente zu setzen. „Durch wirtschaftliche Motivierung“, so Bundeskanzler Kreisky anläßlich der jüngsten Konferenz sozialistischer Regierungsmitglieder und Spitzenpolitiker, „und ohne Zwangsmaßnahmen soll die spekulative Hortung von Altwohnungen verhindert, sollen Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden.“

Das Mietenrecht zählt zum Ressort von Justizminister Broda, ganz bestimmt der startschnellste Minister in der sozialistischen Alleinregierung. In ersten Erklärungen präzisierte der Justizminister seine Vorstellungen, die im kommenden Jahr auf parlamentarischer,Ebene diskutiert und beschlossen und per 1. Jänner 1977 wirksam werden sollen. Nicht der Friedenszins vom 1. Juli 1914 soll fortan die Basis für die Mietenberechnung darstellen, sondern ein für alle Wohnungen nach bestimmten Grundsätzen gestalteter Quadratmeterpreis. Diese Grundsätze stützen sich auf die Ausstattung, die Lage, Größe und das Alter einer Wohnung.

Eine erste Darstellung der Vorstellungen Brodas läßt die Hoffnung keimen, daß hier tatsächlich sinnvolle Bewegung in den Wohnungsmarkt gebracht werden soll. Immerhin würden Brodas legalisierte Gedanken zu annähernd marktgerechten Preisen für Wohnungen führen.

Was heute allerdings ganz gut riecht, muß später noch lange nicht so gut schmecken. Denn es ist anzunehmen, daß die Verwirklichung dieser Absichten zu stärkeren Belastungen vor allem für die älteren Bewohner mietrechtsgeschützter und damit zinsbilliger Wohnungen führen muß. Gerade in den überalterten Städten hat die SPÖ ihr Stimmenreservoir und nach allen Erfahrungen mit der bisherigen sozialistischen Regierungspolitik dürfte es der SPÖ schwer zuzutrauen sein, Initiativen, die einem Teil ihrer notorischen Wähler schaden, zu setzen. Wozu freilich kommt, daß auf diese Weise das SPÖ-Imagedifizit bei den Jungwählern ein wenig abgebaut würde.

Justizminister Broda hat schon einmal in einer Mietengesetznovelle für Wohnungsmieten einen „angemessenen Preis“ realisieren wollen. Diesmal setzt er sich von dieser Forderung ab, während gleichzeitig die sozialistische Mietervereinigung eine Preisregelung verlangt. Möglicherweise handelt es sich — wie schon seinerzeit bei der Fristenlösung — wieder um eine „Doppelstrategie“: Broda bringt eine verhältnismäßig marktwirtschaftliche Vorlage vor dem Parteitag zur Diskussion, der lehnt dankend ab und veranlaßt Broda, dirigistische Vorschläge in seine Mietenrechtspläne einzubauen; Broda erweist sich als wahrer Demokrat; sagt, daß auf sozialistischen Parteitagen eben der Wille der Mehrheit zu gelten hat und wenig später wird von der sozialistischen Mehrheit im Parlament ein neues Mietenrecht beschlossen, dessen dirigistische Ausrichtung dem österreichischen Wohnungsmarkt weitere schwere Schäden zufügen könnte.

Das alles muß nicht so, sondern kann ganz anders kommen, eben so, wie es die ersten und vernünftigen Erklärungen von Justizminister Broda vorsehen. Hoffentlich.

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