6818565-1973_22_05.jpg
Digital In Arbeit

Maklerfirma Gemeinde Wien

Werbung
Werbung
Werbung

Der „Spiegel“ war es wieder einmal, der für Aufregung am Ballhausplatz sorgte. Bundeskanzler Kreisky, so konnte man vor mehreren Wochen dem Hamburger Nachrichtenmagazin entnehmen, hole sich bei Parteifreund Brandt in Bonn stets vor wichtigen Entscheidungen den Rat des Genossen vom Brudervolk.

Das diesbezügliche Kreisky-De-menti war noch nicht vollends verklungen, als der Regierungschef höchstpersönlich die in Richtung oftmaliger geistiger Entwicklungshilfe seitens der SPD laufende Indizienkette wieder etwas verfestigte. Vor Gewerkschaftern vollzog er einen Parteitagsbeschluß der BRD-Genossen im Alleingang nach. In Bonn wie in Wien wurde damit das Feuer freigegeben für die Jagd auf boden-maklernde Unholde.

Die Erfahrung scheint zu lehren, daß auch der SPÖ noch immer geholfen hat, was der SPD nützte. Das begann mit dem 1969 den bundesdeutschen Sozialdemokraten erfolgs-

bringenden Wahlslogan „Wir bauen das moderne Deutschland“, der, 1970 auf Österreich bezogen, Kreisky auf den Kanzlerthron verhalf, und endete bislang mit gleichlautenden Argumenten und Reaktionen in der Abtreibungsfrage (wenngleich Broda seinem deutschen Amtskollegen Jahn hier schon etwas voraus sein dürfte).

Die nunmehr allerletzte Parellele nahm ihren Anfang auf dem SPD-Parteitag in Hannover, wo folgender Antrag des Bezirkes Hessen-Süd mit Zweidrittelmehrheit angenommen wurde: „Die Ausübung des Gewerbes zur Vermittlung von Grundstücken und Wohnungen ist gesetzlich zu unterbinden. Eine öffentliche Vermittlungsstelle ist einzurichten.“

„Das kleinbürgerliche Vorurteilsklischee des Sündenbocks hatte die Delegierten übermannt“, kommentierte der seit dem Rausschmiß der linken Redakteurszelle wieder ganz auf Wohlverhalten gegenüber den Inserenten bedachte „Spiegel“ das Ereignis und zitierte die Stimme des

SPD-Mitgliedes und Präsidenten des Ringes Deutscher Makler (RDM), Horst Angermann, der bei Realisierung dieses Beschlusses nur eine Konsequenz sah: „Dann gehört dieses Land nicht mehr zum Kreis der westlichen Welt.“

Die Angst vor den roten Horden ficht Kanzler Kreisky freilich nicht an. Sternwarteparkgeplagt blies auch er zum Angriff, der bisweilen die beste Verteidigung sein soll: „Wenn man sich weiter weigern sollte, mit uns an einer Reform des Bodenrechts zu arbeiten, dann werden wir in Österreich eine Großinitiative gegen den Bodenwucher und gegen die Spekulanten entfalten, die in Wahrheit eine Initiative des österreichischen Volkes sein wird“, erklärte er unter stürmischem Beifall bei einer Kundgebung von 2000 sozialistischen Gewerkschaftsfunktionären.

Diesen stürmischen Beifall scheint der „Spiegel“ schon im vornhinein begründet zu haben: „Denn Wohnungsmakler (vom Niederdeutschen ,maken', das heißt Geschäfte machen; auch ,mäkeln', das heißt die Ware schlecht machen; gehört zum gleichen Wortstamm) stehen heute in dem Geruch, der früher jahrhundertelang den Geldverleihern und Verpächtern anhaftete. Ihre Tätigkeit steht im öffentlichen Ansehen für leistungsfreies Kassieren, für Ausbeutung eines allgemeinen Notstandes und für Schmarotzertum.“

47“/n Gemeindebesitz

Tatsächlich hatte auch das österreichische „profll“ sehr dezidiert ein Gerücht verbreitet, das dem wohl geschäftstüchtigsten heimischen

Makler und Slavik-„Schwager“ Josef Machek anhängt und das sich mit dieser Definition weitgehend zu dek-ken scheint.

Hier scheint aber auch schon der typisch österreichische Angelpunkt der Geschichte zu liegen, der nicht

——-—---U-,_

nur darin besteht, daß man hierzulande kaum auf ein Heer von unsozialen Grund- und Bodenschacherern stößt wie in der BRD — womit man wiederum an der Stelle angelangt ist, an der heimische Kapitalistenjäger den Rückzug in die Theorie antreten müssen, wenn sie an Stelle mächtiger Stahlbarone nur eines Senf-Edlen ansichtig werden. Das Herausschlagen mehrhundertprozentiger Gewinnspannen beim Grundstückhandel auf Kosten Wohnungssuchender Familien, wie man das^ im „profil“ Herrn Machek vorgeworfen hat, ist sicherlich nicht eine Frage der Ideologie, sondern eine solche der Moral und somit von allen Parteien abzulehnen und zu bekämpfen. Da jedoch gerade die SP-beherrschte Gemeinde Wien mit einem Grundstückbesitz von 47 Prozent der gesamten Bundeshauptstadt zu den allerersten Bodenpreisspekulanten und somit auch Bodenpreistreibern zu zählen ist, fällt es Kreisky und seiner Partei wieder einmal schwer, in dieser Frage glaubhaft zu wirken. In Wien fah-

ren nämlich die „Gemeindemonopolkapitalisten“ auf derselben Straße wie jene (wenigen) skrupellosen Privatkapitalisten, die ihr Unwesen mit Werten der sozialen Marktwirtschaft verteidigen wollen.

Der faktische Unterschied scheint nur darin zu liegen, daß es den ersteren um Macht durch Einfluß-mittel geht (wie sie etwa der Boden darstellt, auf dem man partei-heherrschte Gemeindewohnungen bauen kann), den anderen aber um Geld. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß brave JUSOS vorgeschickt werden, um die Mauern von Privatparks zu entern, deren Erhaltungskosten der Eigentümer zu tragen hat, und nicht die Steuerzahler insgesamt. Überhaupt scheint man es hier mit einer Ver-nebelungstaktik der durch Bürgerunwillen aufgeschreckten SPÖ zu tun zu haben, denn anders ist es schwer zu verstehen, in welcher Weise der unsoziale Schacher mit Grund und Wohnungen und die Erhaltung und Öffnung von Parkanlagen (wiewohl beide Probleme für sich in höchstem Maße relevant wären) miteinander verknüpft sind.

Doch wenn dieses Spiel schon mit den nun von der SPÖ herausgegebenen Regeln begonnen wurde, so kann man es ruhig so weiterspielen — durch das Einbekenntnis des Vorliegens eines ebenso faulen wie primitiven Tricks, wenn man mit Suggestivfragen der Baumsäge den Weg bannen will; durch die nötigen wie überfälligen Konsequenzen aus den längst aufgedeckten Geschäften zwischen Machek und Slavik und dann — selbstverständlich — durch Maßnahmen, die letztere Ungereimtheiten ein für allemal unmöglich machen. Doch vor dem dritten kommen die beiden ersten Schritte. Dann wird man selbstverständlich auch darüber glaubhaft diskutieren können, ob es einem sozial motivierten Gesellschaftssystem entspricht, wenn eine kleine Gruppe von „Machern“ mehr als den größeren Teil aller österreichischen Seegrundstücke für sich abzäunen kann und sich das gemeine Volk in überfüllten Bädern drängen muß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung