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“... es gibt so eine Partei“

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Als Lenin dies in eine wild und rat los diskutierende Versammlung vor Politikern verschiedenster Richtungei hineinrief, war eben die Frage auf' geworfen worden, ob es überhaupi einer Partei möglich sei, die unlösbai scheinenden Probleme nach dem Stur: des Zaren zu lösen. Lenin sprach damals, 1917, für eine Minderheit. Di Gemäßigt-Bürgerlichen, die Liberalen, die bäuerlichen Sozialrevolutionäre, aber auch die festgefügten, theoretisch geschulten Kader der Sozialdemokratie im damaligen Rußland standen gegen ihn.

Die Minderheitsposition der Kommunisten in unserem Lande ist wesentlich hoffnungsloser, als es die der Leninschen Bolschewiken vor der Revolution war. Ihren zu Ostern stattgefundenen Parteitag hat kaum ein Blatt auch nur registriert. Die Tatsache, daß in den letzten Tagen politisch führende Persönlichkeiten (wenn schon nicht der ersten, so doch mindestens der zweiten Garnitur) aus der Sowjetunion, aus China und aus den volksdemokratischen Ländern in Wien weilten, Männer, die als Berufsrevolutionäre weder den Heurigen noch die Hofreitschule, weder die Eden-Bar noch den Stephansdom zu besuchen pflegen, ist folgerichtig nicht einmal vön deft sonst um jeden „ESötett“ bemühten Klatschspalten wahrgenom- tnen worden. Man hat sich in Österreich stillschweigend darauf geeinigt, die KPÖ als nicht existent anzusehen. Die beiden in ihrer Art farbigsten und interessantesten Kommunisten der Nachkriegszeit, Ernst Fischer und Franz Honner — beide schieden auf diesem Parteitag wegen andauernder Krankheit aus dem Politbüro — sind seit Jahr und Tag öffentlich nicht mehr in Erscheinung getreten.

Eben in diesen Tagen meldet zudem ein sozialistisches Blatt, daß in ganz Wien kaum ein Exemplar des „Kommunistischen Manifests“ (mit Ausnahme natürlich des Globus-Verlages) aufzutreiben sei und daß auch kein Bedürfnis nach einer Neuauflage bestehe.

Den parteipolitischen Teil der „Volksstimme“ lesen unter den nicht eben zahlreichen Lesern dieses Blattes (außerhalb des Funktionärkorps der KP) wohl auch die wenigsten. Hier und da vernimmt man von Wahlerfolgen auf Betriebsebene „Lokale Unzufriedenheiten, Denkzettel für diesen oder jenen Bonzen“, lautet die schnell parate Erklärung aus sozialistischen und gewerkschaftlichen Kreisen. Da und dort spielt der „Bauer“ KP auf dem ganz geheimen Schachbrett des einen oder anderen Parteistrategen eine Funktionsrolle, wenn es um kommende Wahlen geht. Man addiert, subtrahiert, camoufliert und . . . lächelt verstohlen. (So ähnlich haben wohl auch Roosevelt, Benesch und die Hof- marschälle der Balkankönige gelächelt, als sie die Kommunisten als Schachsteine in ihre Kombinationen einsetzten.)

Dennoch hätte ein nüchternes und aufmerksames Studium dessen, was auf dem Wiener KP-Parteitag referiert und als Programm entwickelt wurde, niemandem geschadet. „Anders als sonst in Menschenköpfen“ malt sich in diesen Köpfen die Welt; gewiß. Und es gehört zur Eigenart kommunistischer Sehweise, daß in ihrem Blickwinkel die Dinge und ihre Perspektiven ganz merkwürdig verzerrt erscheinen. Mes serscharfe Analysen, dialektisch klare Einsichten in weltweite Zusammenhänge werden entwertet durch plötzlich die Sicht verstellende erratische Blöcke aus der Gruselkammer des 19. Jahrhunderts. Da taucht mit einetn- mal ein an Macht gewinnender „Klerikalismus" auf der politischen Gegenwartsszene auf, da marschieren nicht existente revolutionäre Massen durch die Lande, da prassen Monopolkapitalisten aus dem Bilderbuch des George Grosz (die wahren Spesenprasser unserer Tage, die die eigentlich aufreizenden Drohnen der Gesellschaft sind, haben in diesem Modell keinen Platz).

Aber daneben stehen dann wieder ökonomische Analysen, die solange bestechend und unwiderleglich erscheinen, als man die Voraussetzung anerkennt, von der sie ausgehen: die marxistisch-leninistische Klassenkampftheorie.

Das wichtigste an diesem Dokument des österreichischen Kommunismus aber liegt auf internationaler Ebene: Es stellt das nahezu ausschließliche Bild unseres Landes dar, das sich die Menschen in der einen Hälfte der Erde von heute zu machen vermögen. Wir glauben, daß Österreich in der Vorstellungswelt eines Chruschtschow, eines Mao Tse-tung, aber auch eines Ulbricht und eines Novotny kaum viel anders aussieht, als es hier auf dem Wiener KP-Parteitag gezeichnet wurde. Die österreichische KP besitzt kein Eigengewicht, das sich mit dem der Schwesternparteien in Frankreich, Italien oder auch Polen nur im entferntesten vergleichen ließe. Die aus der Kenntnisnahme dieses österreichischen Strukturbildes resultierende Taktik des Handelns (für den Marxisten fallen beide Prozesse als ,,Praxis“ nahezu in eins) ist also zugleich die Richtschnur für die Zentren des Weltkommunismus. Dieweil wir während der Osterspaziergänge die neuesten Personalintrigen spannen, wurden wir allesamt geröntgt, diagnostiziert und in ein Behandlungsschema eingeteilt. Durch eine Partei, die der festen Überzeugung ist, trotz ihrer Minderheit den Gang der österreichischen Dinge als einzige zu kennen, vorauszubestimmen und in eine bestimmte Richtung zu weisen Mag das persönliche Ansehen des einen oder anderen österreichischen Funktionärs im Kreml größer oder kleiner sein, mag man die Partei in Moskau oder Peking belächeln oder rügen: Das Weltbild der Männer in Moskau und Peking korrespondiert dem dieses Parteitages. Und es kennt eine einzige Korrekturmöglichkeit: die Tatsachen. Wir können die Referenten des KP-Parteitags nicht dialektisch widerlegen, wenn sie von kommenden Krisen und Auflösungserscheinungen scheinbar unfehlbar prophezeien. Wir können dem nur Fakten entgegensetzen. Das am 11. April 1955 durch Julius Raab in Moskau repräsentierte Österreich war ein solches Faktum. Es widersprach den Theoremen, die die KPÖ vorher entwickelt hatte. Und man korrigierte ...

selbst nicht offenkundig machen, weil sie ihn, befangen in Konsumweisen ihrer Väter, noch nicht zu demonstrieren wagten.

Weithin ist beim Konsum der Neureichen das Finanzamt eine Art „Stil- ler-Zeche-Bezahler“. Ein Neureicher, der selbstverständlich nicht ißt, sondern speisen geht (pardon: er „geht“ nicht, er „begibt sich“), wird diese Tätigkeit mit der Sammlung korrekt quittierter Rechnungen verbinden, die er seinen umfangreichen einschlägigen Sammlungen einverleibt. Bei Jahresabschluß wird dann die Summe dieser Rechnungen unter dem steuerlich attraktiven Titel „Bewirtung von Geschäftsfreunden" als respektable Betriebsausgabe dem Finanzamt präsentiert und dies meist mit Erfolg, so daß man fast schon von einem „Bewirtungsfreiheitsgesetz“ für bestimmte Schichten sprechen kann, während die Masse selbstverständlich die Kosten ihrer privaten Bewirtungen, soweit sie solche vornimmt, selbst tragen muß.

Wer in den einschlägigen Zeitungen und vor allem in deren devot formulierten Hofberichten genannt sein will, muß gerade als Neureicher zu einem jener Bälle gehen, von denen nicht nur berichtet wird, wer anwesend war, sondern auch, was „man“ getragen hat und wie hoch die Zeche gewesen. Neureichtum verpflichtet aber auch zu einem dezenten Mäzenatentum. Konservativ Gewordene unter den Neureichen halten sich bereits Pferde — andere Fußballspieler.

Nicht minder demonstrieren die Neureičhin ihre Position im Rahmen von besonderen Essensgewohnheiten. Nicht alle freilich frühstücken bei Sekt oder klassifizieren eine Poularde bereits als Fastenessen. Weniger Dezente halten sich an Backhendln, die sie zudem in einer Weise konsumieren können, die in ihnen starke Erinnerungen an die Essensgewohnheiten ihrer Jugend hervorruft. Die Henderln werden aber nicht beim Wirt um die Ecke konsumiert. Jede Woche, in einem fixen Zeremoniell, wird, weitab von den „Häuserquadern“, in der köstlichen Einsamkeit göttlicher Natur in einer formvollendeten Weise geschmaust, und dies in einem Maß, daß sich allerorten feudale Inseln für Schlemmer gebildet haben. Eine klassenkämpferische Verkehrsordnung hat freilich die Rückfahrt von den Landsitzen der „Edlen", wenn sie voll des süßen Weines in der motorisierten Kalesche angetreten wird, unter besondere Strafen gestellt. Eventuell verhängte Geldstrafen könnte man noch bei der nächsten Steuerhinterziehung kompensieren, nicht aber den Verlust des Führerscheines. Eine wohlwollende Presse, ständig laut Befehl auf die ökonomischen Sachverhalte und jetzt sogar auf den gefährdeten Fremdenverkehr verweisend, ist freilich dabei, eine Volksstimmung zu schaffen, die der Wiederherstellung der autologischen Mordlizenz günstig ist.

Sind die Neureichen nun Elite, sind sie Angehörige der herrschenden Klasse, die sich bei Primitiven ihre Stellung stets durch einen demonstrativ ausgewiesenen Reichtum zu sichern sucht? Bei den Primitiven wird jedoch die einmal erlangte führende Stellung durch Demonstrationskonsum, also nachträglich, betont. Konsum allein, die Kreation von Mode oder von Skandalen, sichert noch keinen Anspruch auf Herrschaft, die durch andere Elemente festgelegt wird.

Unsere Gesellschaft ist dabei, ihr Konsumverhalten an die gewachsenen Konsumchancen zu adaptieren. Das gilt für uns alle. Die Neureichen vollziehen diese Anpassung in Form des Exzesses. Das unterscheidet sie von 4er Masse und auch von anderen Reichgewordenen Deswegen allein aber sind die Neureichen noch nicht repräsentativ für die Gesellschaft, auch dann nicht, wenn sogar Politiker sich zuweilen wie Neureiche gehaben.

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