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Zwischen Jodok Fink und Ignaz Seipel

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Der einzige Landeshauptmann von Oberösterreich, der nichtnur indirekt, sondern direkt und entscheidend die österreichische Politik beeinflußte, war Johann Nepomuk Hauser, der vor 50 Jahren, am 8. Februar 1927 starb. In der schwierigen Zeit des Überganges, zwischen 1917 und 1921 hatte er neben dem Posten eines Landeshauptmannes vier bedeutsame Funktionen inne: Er war Klubobmann der Christlichsozialen Partei (seit 1917), ihr Parteiobmann (1919-1921), Mitglied des Vollzugsausschusses der Nationalversammlung, später „Staatsrat” (seit 21. Oktober 1918) und Zweiter Präsident der Provisorischen Nationalversammlung. Damit stand er an maßgeblicher Stelle in jenem christlichsozialen Team, dem auch Prinz Alois von Liechtenstein und Leopold Kunschak, Jodok Fink und Ignaz Seipel angehörten, weit jünger als Liechtenstein und Fink, aber um fünf Jahre älter als Kunschak und um zehn Jahre älter als Seipel.

Wer war dieser Gastwirtssohn aus dem Innviertel, der Priester wurde, aber wegen eines Halsleidens dem seelsorglichen Wirken entsagen mußte? Hauser wurde mit 33 Jahren Mitglied des Landtages, mit 36 Mitglied der Landesregierung und mit 42 Jahren Landeshauptmann. Mit 42 Jahren wurde er auch Mitglied des österreichischen Reichsrates. Er hatte allerdings das Glück, in die Zeit eines unerhörten Aufbruches der jungen Christlichsozialen Partei hineingeboren zu sein. Als ihm dann 1918 und 1919 die schwersten politischen Entscheidungen abverlangt wurden, war Hauser knapp über 50 Jahre alt - nur zehn Jahre vor seinem Tod. Gewiß, mit diesen Entscheidungen von 1918 verknüpft sich auch heftige Kritik an Hauser. Einmal, daß er, bis zuletzt von zwei Kaisern mit Ehren überhäuft, in entscheidender Minute sehr wenig getan hat, diese Monarchie und das Kaiserhaus zu erhalten. Hauser selbst ist auf die Vorwürfe mit keinem Wort eingegangen. Seine Freunde äußersten sich allerdings unmißverständlich: als alle anderen den Kopf einzogen - auch innerhalb der Christlichsozialen Partei - sich von der Politik zurückzogen, oft genug das scheinbar zum Sinken verurteilte Schiff verließen, habe Hauser die Ruder nicht aus der Hand gelegt, sei er mutig in der politischen Arena verblieben und habe natürlich auch wenig angenehme Entscheidungen zu treffen gehabt.

Der weitere Vorwurf ist in dem vielzitierten Bonmot vom Bauemgselch- ten („außen schwarz und innen rot”) verpackt. Die Mitarbeit an einer „Konzentrationsregierung” und später als Junior-Partner an einer „Großen Koalition” war zu einer Zeit, da Volkswehr und Arbeiterräte, bewaffnete Arbeiterbataillone und Soldatenräte manche Szene beherrschten, keine populäre Angelegenheit. Aber Hauser war ja inmitten von Wahlrechtskämpfen, inmitten der im Aufbau befindlichen Demokratie groß geworden; das allgemeine gleiche Wahlrecht brachte keineswegs nur den Durchbruch der Sozialdemokraten, sondern gleichermaßen der Christlichsozialen. Hauser aber verstand es, mit hungernden Demonstranten und revoltierenden Verzweifelten wie wenige andere umzugehen.

Fünfzig Jahre nach Hausers Tod muß aber gefragt werden, ob er ein Politiker war, der hohe Funktionen auch auszufüllen verstand. War er nur seiner Zeit verhaftet? Kannte er nur das „Heute”? Wie war sein Standpunkt zu den großen Fragen der Zeit?

Etwa in der „Anschlußfrage”, bei der neben Sozialdemokraten und Großdeutschen vor allem die Christlichsozialen eine differenzierte Position einnahmen. Hausers Großvater war noch Bayer, nicht einer, der durch den Anschluß des Innviertels automatisch Österreicher geworden war, sondern „echter” Bayer, der nach Österreich gekommen war. Der Enkel wollte keine Gegenbewegung in Richtung Westen vollführen. Auch Johann Nepomuk Hauser sprach vom „Anschluß”; er sprach aber viel lieber von einem „Zusammenschluß” nach Konsolidierung beider Länder. Es dürfte jene Hausersche Formulierung gewesen sein, die die Christlichsozialen künftig verwendeten. Unter seiner Führung plante Oberösterreich - anders etwa als Tirol, Salzburg und die Steiermark - keine Volksabstimmung über einen „Anschluß”, verhandelte es nicht über einen „Einzelanschluß”.

Das Problem der bewaffneten Parteigarden, das später Mitursache der österreichischen Katastrophe wurde, fand beiHauser eindeutige Ablehnung. Der Demokrat Hauser sah hier klarer als eine Parteifreunde links und rechts und in den eigenen Reihen, daß Schutzbund und Heimwehr für die Demokratie unnötig, mehr noch, gefährlich seien. Auch Führer der ober- österreichischen Heimwehr, die im Todesjahr Hausers durch „Schattendorf” und den Generalstreik reichlich Auftrieb erhielten, hatten genug politisches Fingerspitzengefühl, nach Hausers Tod dessen Antipathie gegenüber bewaffneten Wehrverbänden immer wieder unmißverständlich zu bescheinigen.

Wie stand er zum Antisemitismus seiner Zeit? Das Linzer sozialistische „Tagblatt” schreibt im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung ‘mit den Christlichsozialen, Hauser selbst sei ein viel zu kluger Politiker, als daß er ein Antisemit hätte sein können.

Hauser wurde nicht alt. Als er, 61jährig, starb, hatte er fast die Hälfte seines Lebens in sehr maßgeblichen politischen Positionen verbracht. Mehr als die Länge wiegt aber die Schwere der Zeit, in der er Oberösterreich nicht nur durch gefährliche Klippen geführt, sondern in Österreich zu den maßgeblichsten Vertretern einer Zusammenarbeit der politischen Kräfte gezählt hatte. Der autoritäre Demokrat und die demokratische AutoritätHausers haben aberauch über seinen Tod hinaus Politiker und politische Meinungen durch Jahrzehnte beeinflußt.

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