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Das Medien-syndrom der SPÖ

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Es waren eigentlich mehr Randbemerkungen, geeignet, im großen Bukett der vielen durchaus bemerkenswerten Feststellungen des Parteitags unterzugehen - aber wen wundert's, daß die Berichterstatter gerade hier einhakten, trafen doch diese Randbemerkungen eine der neuralgischen Stellen im Blutkreislauf unserer Demokratie. Wenn auch verdeckt durch Thematik und Atmosphäre des großen Aufmarsches - das Mediensyndrom der SPÖ war vorhanden, unübersehbar. Man wird ihm Aufmerksamkeit schenken müssen, wenn man nicht will, daß von hier aus die Giftstoffe den ganzen Staatskörper durchziehen.

Da war einmal das böse Wort Karl Blechas von der „Einrichtung elektronischer Spielwiesen für ehrgeizige ÖVP-Landeshauptleute auf Kosten der Rundfunkteilnehmer“. Zunächst-wieso auf Kosten der Teilnehmer? Wer kein Interesse am Regionalfernsehen hat, hat die Ausweichmöglichkeit im anderen Kanal. Wer aber Wert darauf legt, die Information aus nächster Umgebung nicht über die Filter der Zentrale zu erhalten, sollte sie auch direkt erhalten. Also hat wohl kaum die Besorgnis um die Beiträge der Fernsehteilnehmer die Kritik bestimmt, als vielmehr die Sorge um das bestehende Monopol. Von wem stammte doch die Aussage, jemand wolle seine Privilegien mit „Zähnen und Klauen“ verte. 3 digen?

Dann: Dem Rundfunk komme „auch die Funktion eines Korrektivs“ zu, meinte Blecha. Sehr richtig - aber wem gegenüber? Der Regierung? Ganz meiner Meinung, aber das hat Blecha doch wohl nicht gemeint? (Als der damalige ORF zwischen 1967 und 1970 diese Funktion der Regierung Klaus gegenüber vorexerzierte, war Bruno Kreisky sehr angetan davon -aber eine Weiterführung dieser Funktion, nun mit verkehrten Vorzeichen, wurde dann wohlwissend abgedreht.) Also Korrektiv den Zeitungen gegenüber? Auch das wäre zu bejahen - im Sinn des systemimmanenten Informationswettbewerbs der Medien untereinander. Aber doch wohl kaum im Sinn der Horrorvorstellung: hie Regierungs-ORF - dort „oppositionsgegän-gelte“ Druckmedien.

Daß den Zeitungen, vor allem den parteiunabhängigen - die man so gerne mit Anführungszeichen unglaubwürdig zu machen versucht -sehr wohl die Funktion eines Korrektivs der Regierung zukommt, das hat man zur Zeit der Großen Koalition, wenn auch unwillig, zur Kenntnis genommen. Und Medienkanzler Bruno Kreisky hätte sich zum mindesten viel schwerer getan, wenn ihm nicht die unabhängigen Zeitungen so lange einen gehörigen Vertrauensvorschuß eingeräumt, wenn sie seinen neuen Stil des Umgangs mit Journalisten nicht anerkannt hätten.

Aber, Hand aufs Herz, Herr Blecha: Wenn heute wirklich mehr als 80 Prozent der täglichen Zeitungsauflage von den Unabhängigen gedeckt wird, nur zehn Prozent von der SP-Presse - wer ist wohl schuld daran? Nicht vielleicht doch die Regierungspolitik, die den Unabhängigen so viel Anlaß zur Kritik bietet, daß die Leser lieber dorthin greifen, als zum Regierungsblatt? Ist es nicht vielmehr ein gutes Zeichen für die Medienbereitschaft unserer Bürger, wenn auch treue SPÖ-Wähler den Blick ins kritische Organ nicht missen wollen, auch als Gegengewicht gegen die Regierungspräsenz im Rundfunk?

Und dann die andere Horrorvorstellung, daß durch die Konzentrationstendenzen auf dem Pressesektor eine „monopolartige Situation“ herbeigeführt werden könnte, in der „einige wenige Zeitungsherausgeber die Weitergabe bestimmter Informationen verhindern können“! Blecha scheint sehr zu bedauern, daß ihm in Österreich kein Buhmann wie Axel Springer zur Verfügung steht - hui, was gab's für ein Geschrei! Wenn gelegentlich eine sozialistische Tarnpostille einen „katholischen Medien-Kingkong“ aus den steirischen Bergen drohen sieht, kann dies doch nur ein schwacher Ersatz sein - und gerade der ist doch wohl der beste Beweis dafür, wie grotesk die Angst vor einer Verschwörung der Zeitungsherausgeber in Österreich ist.

Aber zurück zum Rundfunk. Er hat, laut Blecha, die Aufgabe, eine objektive Auswahl von Nachrichten und die Vielfalt verschiedener Standpunkte zu vermitteln. Wenn dies den Kollegen aus den Informationsabteilungen -von Magazinen, Diskussionen, Unterhaltung sei nicht die Rede - heute tatsächlich gelingt, ist ihnen dies angesichts der ständigen Verunsicherungen (nicht nur aus dem Regierungslager) nicht hoch genug anzurechnen. Laßt sie arbeiten, wie sie es als erfahrene Journalisten mit durchaus eigenen Meinungen gewohnt sind, statt ihnen ständig Knüppel zwischen die Beine zu werfen, dann wird das Endergebnis am besten sein! (Wobei gleich gesagt werden soll, daß gerade in diesem Beruf Wehleidigkeit fehl am Platz ist, daß die Spannung zwischen Politik und Medien zum System gehört.)

Mehr Öffentlichkeitsarbeit, mehr innerparteiliche Information, um das Informationsdefizit abzubauen - da stimme ich mit Blecha voll überein. Aber nicht „Haltet den Dieb!“ rufen, wenn man mit der Idee liebäugelt, jene in den Griff zu nehmen, die noch aufzumucken wagen. Sonst könnte letzten Endes Kingkong doch versucht sein, die rote Katze aus dem Sack zu lassen,, weil er an der Distanzierung der Regierung von autoritären Systemen ginnt.

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