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Spanische Ausstellung

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Das Buch „Philipp II. oder Religion und Macht“ von Reinhold Schneider fällt mir ein, während ich den ersten Rundgang durch die Säle der Ausstellung „Große spanische Meister“ mache, die jetzt in Stockholm zu sehen ist. Wie man sich auch zu diesem Buch stellen mag — es gelang dem Autor, die Gestalt des spanischen Königs, der bis dahin — im Sinn von Schillers „Don Carlos“ — auf den Typus des finsteren, kalten Tyrannen fixiert war, gewissermaßen aufzuhellen. Er zeigte ihn als den Erleidenden eines unausweichlichen, religiösen Auftrags. Dem einsamen Herrscher schwebte eine katholische Wiederherstellung Europas vor, der auch Ignatius von Loyola, Teresa von Avila, Johannes vom Kreuz und andere Theologen und Mystiker des Jahrhunderts folgten. Bedenkt man die exponierte Lage Spaniens gegenüber dem vordringenden Islam, versteht man diese Leidenschaft noch besser, die sich ebenso in Fanatismus wie in Verzückung äußern konnte. Bei einer Begegnung mit spanischer Kultur tritt sie einem immer wieder entgegen.

Die Ausstellung, welche im Nationalmuseum vom schwedischen König eröffnet wurde und bis Mitte März dauert, erregt das größte Interesse. Zum erstenmal geschieht es ja, daß der Prado, der Escorial und andere Museen Spaniens dem Ausland ihre Kostbarkeiten anvertrauen. Mit den komplettierenden Beständen aus Amerika, Frankreich, Deutschland, England, Irland und Skandinavien wird hier eine Konzentration spanischer Kunst geboten, wie man sie — außer natürlich im Prado — kaum irgendwo in der Welt findet. Die Handschriften und Miniaturen, die romanischen Fresken, Gemälde, Graphiken, Zeichnungen und Tapisserien von Meistern wie El Greco, Zurbarän, Velasquez, Ribera, Careno, Murillo, San-chez Cotän, Melendez, schließlich Goya umfassen neun Jahrhunderte und sind so repräsentativ, wie man es sich nur wünschen kann.

Noch nie ist das Spezifische und Einheitliche der spanischen Malerei dem Norden 60 bewußt geworden. Von Kirchen und Klosterwänden abgelöste Fresken, die jetzt in Rahmen hängen (aus San Pedro del Bur-gal bei Lerida oder San Pedro de Arlanza in Burgos), erweisen sich nicht allein als bedeutender Beitrag Spaniens zur Bildkunst des Mittelalters, sondern überraschen auch in anderer Hinsicht. Es zeigt sich nämlich, daß die Verbindung von strenger Realistik mit schwärmerischer Mystik, die sich so oft auf iberischem Boden findet, einen für diese Malerei typischen Zug bedeutet. Und noch ein Drittes erfährt man: mit welcher Gewalt das spanische Milieu eingewanderte Künstler aus Frankreich, Deutschland,England, Flandern, Holland, Italien und Griechenland zu assimilieren verstand. Das größte Beispiel bleibt Greco, der aus Kreta kam.

Schweden befindet sich seit je in einer gewissen Distanz zu Spanien. Das demokratische Land war nie ein Freund der Diktatur Francos und hat außerdem mit dem Erbe eines alten Mißtrauens zu schaffen, das sich besonders gegen die Gestalt Philipps IL, die Inquisition und Gegenreformation richtet. Auch der starke Akzent des Asketischen, fanatisch Religiösen bleibt dem naturverbundenen Norden fremd. Man konnte die Spuren dieser Reaktion und Reservation an der Art feststellen, wie die Ausstellung trotz aller Begeisterung aufgenommen wurde. — Der schwedische Besucher aber mag sich mit Recht fragen, wie sich die in zahlreichen Gemälden zutage tretende Ge-fühlsfeinheit mit den Vorwürfen der Inhumanität vereinigen läßt, womit man hier so gern das 17. und 18. lahrhundert Spaniens bedenkt. Ein berühmtes Gemälde Grecos, „Der Traum Philipps IL“, das in die Ausstellung eingeht, erweist den großen Maler als Sprachrohr seines königlichen Herrn. Wir stehen hier vor einer Welt, wo sorgfältiges Studium der historischen Voraussetzungen mehr gegeben ist als etwa bei der französischen, holländischen, englischen. Die iberische Kultur nimmt eine Sonderstellung innerhalb des Westens ein, ist eine sehr komplexe Erscheinung. Der Stockholmer Ausstellung 1960 kommt da eine besondere Funktion der Aufklärung zu.

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