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Fanatiker oder Berufsverbrecher?

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An einem Wochenende wurden in sieben argentinischen Orten 25 Menschen ermordet; von den Linksterroristen („Monto-neros“ und „ERP“ — „Revolutionäres Volksheer“) Polizeichefs, Offiziere, Gewerkschaftler, von den Rechtsterroristen („AAA“ — „Acciön Anticomunista Argentina“) Aktivisten der Linksorganisationen. Die Regierung erklärte, einen großen Subversionsplan aufgedeckt zu haben. Die Schwerindustrie der Zone von Villa Constituciön, die 60 Prozent des argentinischen Stahls produziert, sollte stillgelegt werden. Die Linksperonisten sollten die Werke besetzen. Etwa 300 Gewerkschafter wurden verhaftet. Die Belegschaften traten in Streik, um ihre Freilassung zu erzwingen.

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An einem Wochenende wurden in sieben argentinischen Orten 25 Menschen ermordet; von den Linksterroristen („Monto-neros“ und „ERP“ — „Revolutionäres Volksheer“) Polizeichefs, Offiziere, Gewerkschaftler, von den Rechtsterroristen („AAA“ — „Acciön Anticomunista Argentina“) Aktivisten der Linksorganisationen. Die Regierung erklärte, einen großen Subversionsplan aufgedeckt zu haben. Die Schwerindustrie der Zone von Villa Constituciön, die 60 Prozent des argentinischen Stahls produziert, sollte stillgelegt werden. Die Linksperonisten sollten die Werke besetzen. Etwa 300 Gewerkschafter wurden verhaftet. Die Belegschaften traten in Streik, um ihre Freilassung zu erzwingen.

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In dem Panorama der argentinischen Subversion überschneiden sich also zwei Bewegungen. Die Guerilleros entführen und morden, während die radikalisierte Gruppe der Linksperonisten mit den Methoden des Klassenkampfes eine Richtungsänderung des Regimes der auch von ihnen theoretisch anerkannten Präsidentin Maria Estela Martinez de Perön herbeizuführen sucht.

Der Chefkommandant, Generalleutnant Leandro Anaya, hat in einer vielbeachteten Rede erklärt, daß „internationale Organisationen im Dienste von Ideologien, die den Argentiniern fremd sind, unser Land zu beherrschen suchen, um sich dann auf das übrige Lateinamerika auszudehnen“. Die lateinamerikanische Guerillabewegung war ursprünglich nicht nur vom Castris-mus inspiriert, sondern auch von Kuba weitgehend organisiert. Es ist aber vollkommen ausgeschlossen, daß Fidel Castro bei der jetzigen Terrorwelle in Argentinien seine Hand im Spiele hat, denn Argentinien hat die von der „OAS“ verhängte Blockade einseitig aufgehoben. Perön und Castro haben sich ihrer gegenseitigen Sympathien versichert und die diplomatischen Beziehungen wiederaufgenommen. Ganz abgesehen davon, hat Kuba die Einmischung in andere amerikanische Staaten abgeschrieben. Moskau und Peking begünstigen zwar

Präsidentin Peron: • Gegen zwei Bewegungen

Photo: Camera Press

„nationale Befreiungsbewegungen“, als die sich sowohl die Linksterroristen wie die linksrevolutionären Gewerkschafter darstellen, aber die Sowjetunion hat den „individuellen Terror“ als „abenteuerlich“ abgelehnt, mag auch die revolutionäre Streikbewegung dem sowjetischen Konzept entsprechen. Ein Teil der Terroristen erklärt, Mao anzuhängen, aber eine wirkliche Verbindimg zwischen der argentinischen Untergrundbewegung und Peking ist nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen worden. So bleibt als ernst zu nehmende „internationale Orga-

nisation“ nur die trotzkistische Internationale übrig. Der „ERP“ war ursprünglich trotzkistisch, doch betont er, zum Sammelbecken der „Freiheitskämpfer aus allen Parteien“ geworden zu sein. Die „Montoneros“ sind radikalisierte Pe-rönisten, also betont nationalistisch eingestellt. Im übrigen mag die trotzkistische Internationale als In-formations- und Kontaktzentrale dienen, aber es wäre abwegig, sie als eine Kraft ernst zu nehmen, die den südamerikanischen Halbkontinent beherrschen wollte oder gar könnte.

Die lateinamerikanische Guerilla hat es — nicht zuletzt unter dem Einfluß von Che Guevara und Regis Debray — abgelehnt, ein Wunschbild für ihre politische Zukunft zu entwickeln, weil sich dann die kleine Gruppe der Aktivisten durch ideologische Spaltung völlig zersetzt hätte. Außer den Schlagworten vom „Kampf gegen den Imperialismus und den Kapitalismus“, welch letzteren sie in ihrer eigenen Regierung und in den USA repräsentiert sehen, wird man kein gemeinsames politisches Leitbild bei ihnen entdecken können, mögen sich auch die Terrormethoden — vor allem der städtischen Guerilleros — in den einzelnen Ländern weitgehend decken. Im Gegensatz zu Argentinien ist im übrigen die Subversion in Brasilien und Uruguay wenn nicht tot, so zumindest scheintot. Die lateinamerikanischen Linksradikalen haben entscheidend dazu beigetragen, Rechtsdiktaturen an die Macht zu bringen, also gerade jene Kräfte, für deren Beseitigung sie zu kämpfen vorgeben.

Doch spricht nichts für die Richtigkeit der Ansicht des großen argentinischen konservativen Intellektuellen Jorge Luis Borges, der in Mexiko erklärt hat, daß die meisten politischen Morde der letzten Zeit in Argentinien nicht von Fanatikern, sondern von bezahlten Berufsverbrechern begangen worden seien.

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