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Zum Selbstmord gezwungen

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Am ärgsten treibt es Evitas Bruder, Juan Duarte. Argentiniens Wirtschaft ist durch Devisengesetze und Einfuhrlizenzen gegängelt, doch der Diktator-Schwager findet immer Hintertüren. Schließlich wird die Sache ruchbar, der Skandal fürchterlich, und Juan Duarte begeht Selbstmord. Man flüstert, seine Familie habe ihn zur Selbstentleibung gezwungen, egal, schon ist sein Stellvertreter und einstiger Kumpan da, der Syrier Jorge Antonio, der als blutarmer Heilgehilfe begonnen hatte, es zum zweihundertfachen Dollarmillionär brachte und beim Sturz Perons immerhin noch mit 80 Millionen das Land verlassen konnte.

So kam, was unausbleiblich war: Eva und Juan Peron machten sich jedermann zum Feind, die Gesellschaft, die Finanz, den Mittelstand, die Armee und zum Schluß noch die Kirche. Der Putsch von 1955, der Peron entmachtete, war die Folge einer beispiellosen Demagogie und Richtungslosigkeit. Richtungslos, denn Peron trieb Politik, wie eine Kokotte ihre Launen an ihren Liebhabern ausläßt. Er bewundert, als er erst Regierungsvizepräsident war, die Achsenmächte und stimmte doch für die Kriegserklärung an sie. Er umgibt sich mit Faschisten, doch die

Kommunistische Partei verdankt ihm allein ihre legale Existenz. Er hält Haßtiraden gegen den Yankee- Imperialismus, aber weist seinen Botschafter in der UNO an, immer treu mit den USA zu stimmen. Peron war und ist heute noch wankelmütig wie eine Filmdiva, zum Schluß, nachdem Evita an Leukämie gestorben war, völlig ratlos. Ein Diktator aber ohne fanatisches Selbstbewußtsein, ohne felsenfesten Glauben an seine Ideen, ist verloren. Peron war verloren.

Der Mann im Hintergrund

Und heute? Wieder steht der Exdiktator unter dem Einfluß einer Frau, seiner dritten Gattin, der erst 30jährigen Isabelita Martinez. Doch Isabelita ist von anderem Schlag als Evita, weniger ehrgeizig, still, zurückhaltend, friedlich, keine überzeugte Anhängerin der „Operation Heimkehr“. Evita hätte Peron geführt, in die eine oder andere Richtung, Isabel läßt ihm zuviel Entscheidungsfreiheit, und das hat der General nie geliebt. So wird ein anderer Ratgeber mächtig, Jorge Antonio, der in Madrid lebt und alle kostspieligen Launen seines Schützlings, der selbst kein Geld mehr hat, finanziert. Antonio aber drängt auf Rückkehr, wittert neue Riesengeschäfte, wie schon vor 15 Jahren mit seinen bevorzugten Geschäftsfreunden, den deutschen Industriellen. Wohl warnt Perons einstiger Außenminister Remorino — der Expräsident weist ihm die Tür. Sein letzter Innenminister, Albrieu, ruft ihm und der argentinischen Öffentlichkeit zu: „Peron muß wissen, welches Risiko er eingeht. Verhaftung, vielleicht Ermordung drohen ihm,

wenn er nach Argentinien kommt!“ So steht der General zwischen Drängern und Warnern und kann weder ja noch nein sagen. Er verabschiedet sich zwar schriftlich von General Franco und dankt ihm für seine Gastfreundschaft, aber zugleich gibt er seinen Feinden in Argentinien durch seinen Propagandalärm das ungefähre Datum seiner Abreise bekannt. Er fliegt ab und weiß doch schon, daß man in keinem südamerikanischen Land ihm Aufenthalt gewähren wird. Argentinien und die USA haben dafür gesorgt. Wie ein blinder Passagier wird er in Rio de Janeiro aus dem Flugzeug geholt, und nun sitzt er wieder in seinem, wenn auch goldenen Exilkäfig in Spanien. Er weiß es selbst: Es ist aus mit dem General Juan Domingo Peron.

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