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Wer war Georges Bernanos?

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Georges Bemanos wurde am 20. Februar 1888 in Paris geboren. Die väterlichen Vorfahren sind wenig bekannt; die Familie stammt aus Lothringen und vielleicht aus Spanien, hat lange auf San Domingo gelebt. Bauern aus dem Berry bilden die mütterliche Linie.

An die Schuljahre, die er zuerst bei den Jesuiten, dann, von 1901 bis 1903, im Kleinen Seminar von Notre-Dame des Champs als Interner verbrachte, hat er sein Leben lang das schreckenvollste Andenken bewahrt. 1903 bis 1904 verfolgt er seine Studien im Kleinen Seminar von Bourges, wo er unter der Obhut zweier junger Priester, Freunden der Familie, glücklicher ist. Am 2. Juli 1906 bekommt er sein Reifezeugnis, gezeichnet von Aristide Briand, Minister des Volkserziehungswesens. Als Student der Rechte und der Literatur ist Georges feuriger Monarchist. Er ist in tätliche Auseinandersetzungen des Pariser Studentenviertels verwickelt, lernt mehrmals den polizeilichen Arrest kennen, kommt öfter mit verbundenem Kopf nach Hause. 1913 bis 1914 leitet er ein monarchistisches Wochenblatt in Rouen; jede Nummer enthält einen politischen Bericht aus seiner Feder. Vom August 1914 an macht er im 6. Dragonerregiment den ganzen Weltkrieg mit. Er verlobt sich mit Jeanne Talbert d’Arc, die in direkter Linie von einem Bruder der Heiligen abstammt, und verheiratet sich während eines Urlaubs 1917.

Aus dem Felde entlassen, hat Bernanos für den Unterhalt seiner rasch anwachsenden Familie zu sorgen. Durch eine seltsame Paradoxie wird dieser Befürworter des Wagnisses, der nie zu rechnen versteht, von 1919 bis 1926 Aufsichtsbeamter der Lebensversicherungsgesellschaft „La Nationale". Wohnhaft in Bar-le-Duc, verfaßt er auf seinen Reisen, im Eisenbahnwagen oder in Cafės ein Drama sowie Novellen. „Madame Dargent", sein erster Roman, erscheint mit einem Motto von Peguy 1922 in der Revue Hebdomadaire.

„Ich bin mir bewußt, zwanzig Jahre gebraucht zu haben, um in meinem Kopf eine erfundene Welt von seltsamer Größe zu erschaffen“, schreibt der Dichter 1925 an Henri Massis. „Die Sonne Satans" erscheint, vorgestellt von Robert Vallery-Radot, in der eben von Maritain, Fumet und Lefevre begründeten Sammlung „Le Roseau d’Or". Der Erfolg ist sofort durchschlagend.

In der Meinung, fortan von seiner Feder leben zu können, verläßt er die Versicherungsgesellschaft und läßt sich mit seiner Familie in Bagneres- de-Bigorre nieder. Er schreibt an seinem zweiten Roman, der zuerst den Namen „Die Finsternis“ trägt und 1927 als „Der Betrug" erscheint. Ein Jahr später folgt ihm „Die Freude". Aus der gleichen Zeit stammt die Schrift über den heiligen Dominikus. Von 1927 bis 1930 lebt er in Clermont-de-l'Oise, dann übersiedelt er nach Paris. Für einige Monate übernimmt er mit Robert Vallery-Radot die Leitung des literarischen Teils des „Figaro", kehrt aber Paris bald wieder den Rücken und läßt sich mit den Seinen erst in Toulon nieder, später in der Nähe von Hyeres, in La Bayorre. September 1933 erleidet er bei Montebliard ein schweres Motorradungiück; der stämmige, großartig aussehende Mann wird von jetzt an nur noch auf zwei Stöcken gehen können.

In La Bayorre macht er sich, nach mehreren Jahren Unterbrechung, erneut an sein erzählendes Werk. Aus dem Versuch, einen Kriminalroman zu schreiben, wird »Ein Verbrechen“, aus welchem sich ein zweiter Roman, „Der böse Traum", loslöst. Gleichzeitig beginnt er „Die tote Gemeinde“, die er aber erst in Brasilien vollenden wird, und plant bereits „Das Tagebuch eines Landpfarrers".

Indessen ist aber die finanzielle Lage der Familie so schwierig geworden, daß der Dichter 1935 ohne Ankündigung La Bayorre verläßt, um auf den Balearen ein neues Leben zu versuchen. Ein Vertrag mit seinem Verleger sichert ihm ein schmales Einkommen bei terminmäßiger Ablieferung einer Anzahl von Seiten. Unter solchen Umständen vollendet er innerhalb von zwei Jahren so verschiedene Werke wie „Ein Verbrechen“, „Der böse Traum“, „Die neue Geschichte Mouchettes" und „Das Tagebuch eines Landpfarrers".

Er wird von jetzt an keinen Roman mehr schreiben; nicht als ob seine Gestaltungskraft sich erschöpft hätte, sondern weil das gequälte und unstete Leben und der dringliche Anruf der Wedtereignisse ihn vor andere Aufgaben stellen.

Der Erfolg des „Tagebuches“ und die Übersetzung seiner Werke in fast alle Sprachen der Welt hatten den Alltagssorgen vorübergehend ein Ende gesetzt. Aber schon bricht der spanische Bürgerkrieg aus, und angesichts der Greuel, die er miterlebt, vor allem der Haltung des spanischen Klerus, wird ihm das Schweigen unerträglich. Er schreibt ein Buch, „Die großen Friedhöfe unter dem Mond“, von der Presse überschwenglich oder mit Entrüstung empfangen, das an dem Gewissen der Katholiken rüttelt. Die nazistische Bedrohung, die er am Ende dieses Buches vorausgesagt hat, verstärkt sich immer mehr für Europa, das darauf nicht gefaßt ist. Vor der Kapitulation von München beschließt der tief Angeekelte, „seine Schmach anderswo ausbrüten“ zu gehen.

Im Juli 1938 siedelt er mit seiner Familie nach Paraguay über, geht dann nach Brasilien, wird Farmer, erlebt eine finanzielle Katastrophe nach der anderen. In den „Gedemütigten Kindern" drückt sich die Qual dieser Jahre aus, aber auch das Los des Emigranten. Nach dem Zusammenbruch Frankreichs im Jahre 1940 unternimmt er jenen glühenden Feldzug, der, vom unabhängigen Radio und in Büchern, wie „Kreuzweg der Seelen", „Frankreich wider die Roboter", verbreitet, in Frankreich heimlich gedruckt und gelesen, den Widerstand nährt und ihm seine besten geistigen Grundlagen schenkt.

Im Sommer 1945 kann Bemanos endlich nach Frankreich zurückkehren. Vorträge in Belgien, an der Sorbonne, in der Schweiz, in Nordafrika geben ihm Gelegenheit, die Völker Europas gegen die totalitären Mächte, gegen die Tyrannei der Technik, gegen die Lügen der modernen Zivilisation zu einer Revolution aufzurufen. Schon krank, erschöpft er sich in diesem einsamen Kampf und verläßt 1947 neuerlich Frankreich, um sich in Tunesien niederzulassen. Unter ewigen Geldsorgen schreibt er „Die begnadete Angst“, nimmt sich noch vor, ein „Leben Jesu" zu verfassen.

Die schwere Leberkrankheit, die ihn befällt, läßt ihm nicht Zeit dazu. Er wird überstürzt nach Paris gebracht, wo man einen verzweifelten Eingriff versucht. Er stirbt am 5. Juli 1948 im amerikanischen Spital von Neuilly. Seine Leiche wird nach Pellevoisin überführt, wo seine Eltern ruhen.

1940 hatte er geschrieben: „Ich begreife mehr und mehr, daß ich zur Wahrheit, deren Obhut mir anvertraut ist, nichts hinzufügen werde. Ich selber habe mich nach ihrem Maß zu richten, denn sie erstirbt in mir, ich bin ihr Gefängnis und nicht ihr Altar. Das Lächeln, das ich ihr schulde, ist das meiner ganzen Person. Befreien werde ich es erst mit meinem Tode.“

Aus „Georges Bernanos, Briefe an Bedrängte“, Johannes-Verlag, Einsiedeln.

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