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Der Astrologe im Schatten

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Die argentinische Präsidentin Maria Estela Martinez de Perön tritt in der Öffentlichkeit selten allein auf. Der Schatten hinter ihr heißt Josė Löpez Rega. Vor Jahrzehnten gehörte er zur polizeilichen Bewachung Peröns, wurde in der Madrider Emigration sein vertrauter Privatsekretär und kam dadurch in „Puerta de Hierro” in engen Kontakt mit „Isabelita”. Als Peröns Schatten kehrte er nach Buenos Aires zurück. Er wurde „Sozialminister” und „Privatsekretär”. Nach dem Tode Peröns spielte er die Hauptrolle in der „Casa Rosada” — oder noch mehr im Präsidentenpalais von Olivos. Man sprach davon, daß er Isabelitas „Ministerpräsident” werden sollte. Zu der dazu notwendigen Verfassungsänderung kam es nicht, aber de facto ist er es bereits. Anfang Jänner erließ die Präsidentin ein Dekret, nach dem das neue Präsidentschaftssekretariat alle ihre Audienzen organisieren und bestimmen wird, welche sie gibt und was in ihnen verhandelt werden soll. Diese neue „Behörde” kann von sich aus Informationen über Personen, Vereinigungen oder öffentliche Organe einholen. Sie kann die Minister und Staatssekretäre einberufen und soll die Tätigkeit der Präsidentschaft mit den Ministerien, dem Geheimdienst und der „Casa Militär” koordinieren. Damit ist Löpez Rega jetzt auch offiziell zu einer Schlüsselfigur des Regimes geworden, der alle Drähte der Macht in die Hand gegeben sind. In einem Interview machte er sich kürzlich über seine Feinde lustig, die zu ermitteln suchten, ob er ein „großer Astrologe oder ein Zauberer” sei. In der Tat beschäftigt sich Löpez Rega intensiv mit den Sternen; es war bekannt, daß Perön — wie Wallenstein, Napoleon und Hitler — großen Wert auf Astrologie legte und sich durch Löpez Rega für seine politischen Entschlüsse eine günstige Konstellation errechnen ließ. Inwieweit sonst Regas parapsychologische Neigungen reichen, ist umstritten. Während man ihm keinerlei Suggestionskraft auf die Masse nachsagt, ist sein ungewöhnlich starker Einfluß auf die Präsidentin unverkennbar. Als sie ihn unter dem Druck seiner Gegner vor einigen Monaten als „Privatsekretär” entthronen und nur als „Sozialminister” halten wollte, widerrief sie am nächsten Tag schon diesen Entschluß. In dem intensiven Machtkampf zwischen der linksrevolutionären Gruppe der Peronisten, die durch Peröns kurzfristigen Schatten- Präsidenten, Doktor Cämpora, verkörpert wurde, und der konservativ nationalistischen Fraktion, die noch unter der Ägide Peröns die Zügel ergriff, ist Löpez Rega der Repräsentant der Rechten. Freilich dementierte er, getreu der peronistischen Doktrin, für den Kapitalismus zu kämpfen und bestritt energisch, die rechtsradikale parapolizeiliche Terror-Organisation „AAA”, die weiter unverfolgt wütet, organisiert zu haben.

Die — jetzt offizielle — Isolierung der Präsidentin durch Löpez Rega gewinnt im Zusammenhang mit der Diskussion über ihre etwaige Wiederwahl besonderes Interesse. Amtlich wird freilich erklärt, daß Isabelita nicht an eine solche denke. Wenn man sie bei ihren Fernsehreden beobachtet, ist man bestürzt darüber, wie oft sich ihre Stimme überschlägt und wie oft sie in Tränen ausbricht.

Man gewinnt den Eindruck einer Frau, die, von echter Sorge um ihr Land erfüllt, am Ende ihrer Kräfte ist.

Für die Grenzen ihres politischen Unterscheidungsvermögens gibt es viele Beispiele. Eines davon: Beim Empfang von fünf DDR-Parlamentariern sagte sie: ‘

„Der Präsident Perön hat immer eine starke Neigung zu ihrer Nation gehabt, und ich habe aus seinen Worten gelernt, sie zu schätzen. Die Tore Argentiniens sind für sie offen wie das Haus einer großen Familie für eine andere.” Gleichzeitig teilte sie den Ostdeutschen mit, daß sie ihren Verteidigungsminister, Adolfo Mario Savino, soeben „nach Deutschland” schicke.

Er fuhr nach Bonn...

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