6909599-1981_04_07.jpg
Digital In Arbeit

Knüppel aus dem Sack?

19451960198020002020

A nfang der dreißiger Jahre trommelte der demokratische Präsident Franklin D. Roosevelt die amerikanische Nation zusammen und führte sie in der Folge aus einer ihrer schwersten Krisen: der Depression. 50 Jahre später will es ihm der Republikaner Ronald Reagan gleichmachen. Dem Modell Roosevelts folgend, will er die USA durch die wirtschaftliche und politisch-moralische Krise hindurch zu neuer Größe führen. Viele Lateinamerikaner aus dem liberalen und linken Lager fühlen sich bei Reagan indes nicht an F. D. Roosevelt erinnert, sondern an dessen Cousin, Theodor Roosevelt, US- Präsident von 1901-1909. Dessen Devise für seine Lateinamerika-Politik: „Sprich leise und trage einen dicken Knüppel!“

19451960198020002020

A nfang der dreißiger Jahre trommelte der demokratische Präsident Franklin D. Roosevelt die amerikanische Nation zusammen und führte sie in der Folge aus einer ihrer schwersten Krisen: der Depression. 50 Jahre später will es ihm der Republikaner Ronald Reagan gleichmachen. Dem Modell Roosevelts folgend, will er die USA durch die wirtschaftliche und politisch-moralische Krise hindurch zu neuer Größe führen. Viele Lateinamerikaner aus dem liberalen und linken Lager fühlen sich bei Reagan indes nicht an F. D. Roosevelt erinnert, sondern an dessen Cousin, Theodor Roosevelt, US- Präsident von 1901-1909. Dessen Devise für seine Lateinamerika-Politik: „Sprich leise und trage einen dicken Knüppel!“

Werbung
Werbung
Werbung

Aber während liberale und linke Süd­amerikaner mit Bangen der künftigen Lateinamerika-Politik der neuen Ad­ministration in Washington entgegen­sehen, weil sie von Reagan erwarten, daß er wieder den „Big Stick“ aus der Rumpelkammer der Geschichte her­vorholt und blanke Machtpolitik be­treibt, wittern rechtsgerichtete Regime und regierende Militärs in Mittel- und Südamerika Morgenluft:

Sie erwarten sich von der Reagan- Regierung uneingeschränkte Unter­stützung in ihrem Kampf gegen „sub­versive Elemente“ (sprich: Oppositio­nelle, Sozialreformer, die in ihrer poli­tischen Bandbreite von Christlich-So­zialen bis zu Marxisten-Leninisten und Maoisten reichen).

Ein rechtsradikaler Aktivist in El Salvador erläuterte gegenüber dem US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“ die von ihm und seinen Gesinnungsge­nossen an Präsident Reagan geknüpf­ten Erwartungen: „Er ist unzuverlässig wie alle Gringos, aber zumindest haßt er die Kommunisten genauso sehr wie wir. Und bevor er Fidel Castro in den Hinterhof der Vereinigten Staaten hin­einläßt, wird er die Marines schik- ken ...“

25 Jahre lang kümmerten sich die Vereinigten Staaten kaum darum, was in der Region zwischen Mexiko und Kolumbien passierte. Sie ließen die Diktatoren und Militärregimes in Ni­karagua, El Salvador, Guatemala und Honduras gewähren, die Oppositio­nelle wie einfache Landarbeiter regel­recht abschlachteten.

Von der himmelschreienden sozialen Ungerechtigkeit in diesen Ländern nahm Washington offiziell mehr oder weniger keine Notiz.

Dann, 1977, übernahm Jimmy Car­ter das Amt des US-Präsidenten und er erklärte die Menschenrechte zu einem wichtigen Bestandteil der amerikani­schen Außenpolitik. Die Diktatoren und Militärjuntas Zentralamerikas sa­hen sich bei ihrem blutigen Handwerk im Umgang mit der Opposition plötz­lich gestört, reagierten auf den Druck aus Washington aber höchstens mit kosmetischen Reformen - so Anastasio Somoza in Nikaragua - die oligarchi­schen Machtstrukturen blieben diesel­ben.

Im Sommer 1978 brach in Nikara­gua eine Revolution aus. Schon bei den ersten Regungen des Aufstandes gab Somoza alle vorgetäuschten Reformen

wieder auf und schlug erneut mit bruta­ler Gewalt auf die Opposition los.

Wohl setzte Washington Somoza un­ter Druck, seine Präsidentschaft aufzu­geben. Aber der trotzte, und niemand war mit dem amerikanischen Vor­schlag einverstanden, eine inter-ameri­kanische Friedenstruppe nach Nikara­gua zu entsenden.

Als Somoza Mitte Juli 1979 nach Miami fliehen mußte, standen die USA vor dem Scherbenhaufen ihrer Mittel­amerika-Politik:

In den Augen der Rechtsdiktatu­ren der Region hatte Carter ihnen durch seine Menschenrechtspolitik die Suppe eines linksgerichteten Regimes in Ni­karagua erst eingebrockt. Für sie war klar, daß der Machtwechsel in Nikara­gua der erste Schritt zu einer „Kubani- sierung“ ganz Mittelamerikas war.

Diskreditiert war die US-Außen- politik aber auch in den Augen der San­dinisten, hatte ihnen Washington wäh­rend ihres Aufstandes gegen das So- moza-Regime doch keine Unterstüt­zung zukommen lassen.

Die neutrale Haltung der USA im Nikaragua-Konflikt brachte den USA also letzten Endes eines: den Verlust ih­rer Glaubwürdigkeit - sowohl bei den Machthabern wie bei der Opposition.

Für El Salvador fürchteten die USA eine ähnliche Entwicklung wie in Nika­ragua. Sie unterstützten deshalb aktiv einen Putsch jüngerer Offiziere gegen den rechtsextremen Diktator, General Romero, am 15. Oktober 1979.

Mit Hilfe Washingtons wurde von der aus Militärs und Zivilisten gebilde­ten Junta an einem Reformprojekt ge­bastelt, durch das der linksgerichteten Opposition der Wind aus den Segeln genommen werden sollte.

Doch die Reformpolitik der Junta war von vorneherein zum Scheitern verurteilt: Die Landreform kam spät, wurde von Militärs und rechtsradikalen Gruppen organisiert und überwacht (die sich als die neuen Gutsbesitzer auf­spielten und Landarbeiter ermordeten, die den ihnen übergebenen Boden bear­beiten wollten); schließlich blieb die linke Opposition bei der Planung und Durchführung der Reform ausge­schlossen.

Politische Gewaltakte forderten in El Salvador im Laufe des Jahres 1980 um die 10.000 Menschenleben. Über 1000 Menschen sind allein im Monat Jänner bei Kämpfen zwischen den Unter­grundkämpfern und der Armee ums

Leben gekommen. Und jetzt droht eine Internationalisierung des Konfliktes, weil Guatemala und Honduras auf kei­nen Fall ein „zweites Nikaragua“ an ih­ren Grenzen dulden wollen, die Gueril­las andererseits von Kuba und Nikara­gua aktive Unterstützung erhalten.

Ein „zweites Nikaragua“ in der Re­gion aber wollen auch die USA auf je­den Fall verhindern.

Dem neuen US-Präsidenten Ronald Reagan bleiben - ebenso wie seinem Vorgänger Jimmy Carter - nicht allzu viele Möglichkeiten in seiner Mittel­amerika-Politik:

• Er kann sich völlig zurückziehen und den Dingen in Zentralamerika ih­ren Lauf lassen. Gegen eine solche Poli­tik spricht, daß die Region dann über kurz oder lang ganz gewiß „kubani- siert“ würde. Denn Fidel Castro würde eine solche günstige Gelegenheit für den Export seiner Revolution gewiß nicht ungenützt verstreichen lassen.

• Reagan kann den Prozeß des so­zialen und politischen Wandels in Mit­telamerika unterstützen - in der Hoff­nung, daß die USA dadurch einen ge­wissen Grad an politischem und wirt­schaftlichem Einfluß aufrechterhalten können. Vor allem aber ließe sich durch eine solche Politik verhindern, daß Kuba (und im Hintergrund die Sowjet­union) sich in der Region festkrallen.

• Die neue Administration kann sich aber auch voll hinter die herrschen­den Regime stellen, ihnen Waffen so­wie Militärberater schicken und die Ar­meen der einzelnen Staaten ausbilden. Eine solche Politik würde wohl auch den Einsatz amerikanischer Marinein­fantristen in der Region nicht ausschlie­ßen, wenn ein Regime unter dem Druck der Opposition umzukippen drohte.

Allerdings: Langfristig gesehen wäre das wohl das Unklügste, was Washing­ton tun kann. Die Region käme wohl nie zur Ruhe (außer einer Art Fried­hofsruhe), außerdem würde einer „Ku- banisierung“ damit nur Vorschub ge­leistet.

Man wird an Reagans Mittelameri­ka-Politik schon bald ablesen können, in welche Richtung sich die gesamte künftige Lateinamerika-Politik Was­hingtons tatsächlich entwickeln wird. Ob er wirklich den „dicken Knüppel“ hervorholen wird, wie viele erwarten und wie Aussagen seiner Mitarbeiter schließen lassen? Reagan war für „"Über­raschungen“ schon immer gut...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung