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Brüchige Stellung der USA

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Nach acht Jahren der Wirren in Mittelamerika geht den meisten Akteuren die Zeit aus. Die Sandinisten agieren relativ gelassen und verhandeln jetzt direkt mit der „Contra“.

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Nach acht Jahren der Wirren in Mittelamerika geht den meisten Akteuren die Zeit aus. Die Sandinisten agieren relativ gelassen und verhandeln jetzt direkt mit der „Contra“.

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In Mittelamerika ist in den letzten Tagen eine heftige Aktivität zu beobachten. Zeit scheinen lediglich die Sandinisten zu haben. Am eiligsten hat es die Reagan-Administration, deren Tage bereits gezählt sind.

Ihre Mittelamerika-Politik ist heute ein Trümmerfeld. Sogar der früher so verläßliche Bündnispartner Panama unter General Noriega präsentiert sich heute als unsicherer Kantonist, ja als Herausforderer Washingtons.

Deshalb nimmt die Reagan-Verwaltung einen Großangriff der Sandinisten auf Stellungen der „Contra“ zum Anlaß, um die Situation zum Siedepunkt aufzuschaukeln: überstürzt wurden US-Müitäreinheiten (natürlich auf den Hilferuf Honduras“ hin, wie die USA betonen) nach Honduras verlegt; die USA ermunterten Honduras, dessen Luftwaffe als einzige der Region über moderne F-15-Jäger verfügt, nikaraguanisches Grenzgebiet zu bombardieren. '

Aber die Stellung der USA ist brüchiger denn je. Intern hält der Kongreß die Entscheidungsmacht des Präsidenten in legislativen Fesseln. Extern halten sich die Verbündeten in Mittelamerika kaum noch an das nordamerikanische Drehbuch.

Soferne jetzt keine Panikreaktion passiert, bleibt Mittelamerika in der heutigen Schwebe der Koexistenz von Sandinisten und US-Verbündeten - was für Washington unter Ronald Reagan wohl dem Eingeständnis einer Niederlage gleichkommt.

Immer sagte Reagan deutlich, was er wollte, nämlich die Sandinisten beseitigen oder diese zumindest zum Kleinbeigeben zwingen („they must cry uncle“). Aber die Präsidentschaft verfügt nicht mehr über die imperiale Entscheidungsmacht von früher und kann heute nur noch indirekt auf ein solches Ziel losgehen.

Die Taktik, über einen Stell vertreterkrieg — mit Hilfe der „Contra“ - Nikaragua militärisch und vor allem wirtschaftlich zu zerreiben (das Konzept des „low-inten-sity-war“), hat eine Zeitlang gut funktioniert — bis Kostarika den mittelamerikanischen Friedensprozeß in die eigenen Hände nahm.

Was in den frühen achtziger Jahren von der „Contadora-Gruppe“ (Mexiko, Panama, Kolumbien, Venezuela) als Friedensplan verfochten wurde, konnte Washington ignorieren, weil die mittelamerikanischen Akteure nie voll zustimmten. Doch seit August 1987, dem Zeitpunkt der Unterzeichnung der Absichtserklärung der“ fünf mittelamerikanischen Präsidenten zugunsten von Frieden und Demokratie in der Region, gibt es eine Dynamik, die erstmals nicht mehr von den Vereinigten Staaten kontrolliert wird.

Inzwischen hat sogar Nikaragua alle Vorleistungen, welche die Initiative des kostarikanischen Präsidenten Oskar Arias (der dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist) vorsieht, erfüllt.

Der Freiraum für die Opposition wurde erweitert; für die Indianerbevölkerung an der Atlantikküste gibt es ein Autonomiestatut; mit der „Contra“ wurde über Kardinal Obando y Bravo mehrfach verhandelt. Die Sandi-nistas waren sogar bereit, noch im März Direktverhandlungen über eine Amnestie zu führen.

Es ist die „Contra“, die diese Gespräche im Bewußtsein ihrer schwierigen Lage hinauszögern wollte. Deshalb löste Managua vergangene Woche eine vernichtende militärische Offensive gegen Contra-Stützpunkte auf eigenem Territorium aus.

Contra-Einheiten, solchen massiven militärischen Attacken nicht gewachsen, fluteten ungeordnet auf honduranischen Boden zurück. In den vergangenen Jahren hat Nikaraguas Armee mehrmals die Verfolgung dorthin aufgenommen und die „Contra“ auch gestellt. Jedesmal unter Benachrichtigung der Regierung in Tegucigalpa, die daraufhin souverän über die Grenzverletzungen durch Nikaragua hinwegsah.

Diesmal beharrt Managua darauf, keine Grenzüberschreitung begangen zu haben, womit die Drohgeste der Vereinigten Staaten unglaubwürdig erscheint.

Mit der erneuten militärischen Niederlage der „Contra“, die zudem finanziell austrocknet, verfügt Washington heute über keine Stellvertreter-Krieger mehr.

Auch keiner der mittelamerikanischen Verbündeten ist bereit, für die USA vorzupreschen. Lediglich Honduras Luftwaffe zieht hoch mit. Dies bedeutet, daß die USA nur noch ihre eigenen Truppen zur Intervention haben — und gerade das würde die US-Öffentlichkeit heute nicht akzeptieren.

So zerrinnt den USA ihre Mittelamerikapolitik unter den Fingern, während Nikaragua mit jedem Tag zuversichtlicher in die Zukunft blicken kann.

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