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EI Salvador als Prüfstein der amerikanischen Außenpolitik

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Noch ist Ronald Reagan und seine Regierung nicht allzulange im A mt. Doch schon zeichnen sich bedeutende Änderungen in der amerikanischen Politik ab - vor allem auch in der A ußenpolitik. Besonders deutlich wird dies in der Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Mittel- und Lateinamerika.

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Noch ist Ronald Reagan und seine Regierung nicht allzulange im A mt. Doch schon zeichnen sich bedeutende Änderungen in der amerikanischen Politik ab - vor allem auch in der A ußenpolitik. Besonders deutlich wird dies in der Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Mittel- und Lateinamerika.

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Die drei Hauptkomponenten der Außenpolitik Carters - Menschenrechte, Nonproliferation und Waffenexportbeschränkungen - hatten sich auf Lateinamerika am konkretesten ausgewirkt und waren noch durch das Ziel der Demokratisierung in diesem Teil der Welt ergänzt worden.

Dies wollte man durch eine selektive Unterstützung reformistischer Kräfte bewerkstelligen, die eine Änderung der oligarchischen und repressiven Verhältnisse herbeiführen sollten, ohne gleichzeitig der Sowjetunion oder Kuba Einfluß oder politischen Spielraum zu überlassen.

Diese Haltung läuft der Reagan- schen Politik fundamental zuwider, zumal sich das Verständnis der neuen Regierung für Lateinamerika folgendermaßen summieren läßt:

• Die Unruhen und Guerillabewegungen Lateinamerikas sind im wesentlichen die Folge sowjetisch-kubanischer Agitations- und Expansionspolitik;

• Lateinamerika liegt eindeutig in der Interessenssphäre der USA;

• Der sowjetisch-kubanischen Unterwanderung, die eine Bedrohung der amerikanischen Sicherheit darstellt, muß daher mit allen Mitteln Einhalt, geboten werden.

Dies ist aus jüngsten Erklärungen Außenminister Alexander Haigs sowie diversen Berichten konservativer „Denk-Fabriken“ wie der Hoover Institution, dem American Enterprise Institute und Georgetowns Center for Strategie and International Studies - alle drei Primaerquellen Reaganscher Mitarbeiter und Konzepte - zu entnehmen.

Demgemäß müsse Lateinamerika besondere strategische Bedeutsamkeit zugemessen und Nord- und Südamerika wieder zu einer Bastion der Freiheit verbunden werden: Lateinamerika, der traditionelle Allianzpartner der USA, sei von sowetischer Macht bedrängt. Die Vorstellung von der Karibik als „mare nostrum“ und Zentralamerika als „Weichteil“ der Vereinigten Staaten ist wieder hoch im Kurs. Um der kommunistischen Unterwanderung Herr zu werden, werden von diesen Experten als Gegenmaßnahmen empfohlen:

• weniger Betonung auf Menschenrechte. Das heißt, Unterstützung antikommunistischer Regimes, selbst wenn es sich nach den Worten Jeane Kirpa-

tricks, der neuen UNO-Botschafterin, um „moderat repressive Autokratien“ handelt;

• härtere Gangart gegenüber Kuba:

• Wiederbelebung des Konzeptes „lin- kage“ (Koppelung) im Verhältnis zur Sowjetunion, was bedeutet, daß Fortschritte auf dem Gebiet der Rüstungsbegrenzung vom „Wohlverhalten“ der Russen in der internationalen Arena abhängig gemacht werden;

• Wiedereinbeziehung der Regionalmächte Mexiko, Venezuela, Brasilien und Argentinien in eine enge Allianz unter Führung der USA.

Die Beurteilung der Lage in Lateinamerika erfolgt also vor allem im Lichte der Ost-Westauseinanderset- zung und im Rahmen der US-Sicher- heitspolitik. Dies bedeutet auch die Rückkehr zu jenen Prinzipien, die alte Konstanten der amerikanischen Außenpolitik darstellen:

die Monroedoktrin, die sich nunmehr einerseits gegen die Aktivität der Sowjetunion und Kuba, andererseits auch gegen das Engagement der Westeuropäer in Lateinamerika richtet;

die Dominotheorie, deren Richtigkeit in Indochina unter Beweis gestellt worden ist, behält ihre Gültigkeit auch für Zentralamerika, wo die USA einen „Fall“ El Salvadors als Auftakt zur kommunistischen Machtübernahme in Honduras, Guatemala und schließlich Mexiko werten würden;

schließlich die Politik der Eindämmung der expansionslüsternen Sowjetunion als Grundlage jeglicher Beurteilung der Beziehungen zwischen den Supermächten.

El Salvador ist von der Reagan-Administration zum Prüfstein ihrer neuen Politik auserkoren worden. Hier müsse - so Haig - die Grenze gezogen werden. In diesem kleinen, verarmten Land wollen die USA ihr wiedergewonnenes Selbstverständnis als Weltmacht und ihre neue Zuverlässigkeit als Bündnispartner unter Beweis stellen.

Die verstärkte amerikanische Militärhilfe an die Junta in El Salvador war im Lichte dieser außenpolitischen Kon

zeption keine Überraschung, ebensowenig wie die Entsendung von Militärberatern. Auf Nicaragua wurde durch die Einstellung der Wirtschaftshilfe Druck ausgeübt, damit das sandinisti- sche Regime den Nachschub an die Guerillas einstellt. Und gegenüber Kuba wird eine Blockade nicht ausgeschlossen, um damit ebenfalls die Waffenlieferungen an die Aufständischen zu unterbinden.

Es wird also mit allen Mitteln versucht, eine militärische Lösung des Konfliktes in EI Salvador herbeizuführen. In Anbetracht des Kräfteverhältnisses und der geographischen Gegebenheiten ist eine solche Lösung über kurz oder lang wohl auch zu erwarten.

Dies würde jedoch auch unweigerlich zu einer weiteren Aushöhlung der Position des Präsidenten von El Salvador, Jose Napoleon Duarte, zugunsten der starken Männer, Oberst Gutierrez und Oberst Garda, innerhalb der Junta führen was letztlich auch das Ende der Reformversuche bedeuten könnte.

Daß die Amerikaner eine kurzfristige Stabilisierung einer langfristigen Lösung unter Einbeziehung aller Parteien vorziehen, ergibt sich auch aus der Weigerung des State Departments, zwischen der Opposition unter Guil- lermo Ungo und der Junta zu vermitteln.

Der Ost-West Raster macht die Amerikaner auf einem Auge blind: um ein Exempel zu statuieren, übersieht man geflissentlich die strukturellen Ursachen des Bürgerkriegs in El Salvador, obwohl Präsident Duarte selber und Exbotschafter White immer wieder auf die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit als Hauptgrund des Konfliktes hingewiesen haben.

Auch die Kirche gehört zu den härtesten Kritikern dieser Mißstände und muß dafür einen hohen Blutzoll leisten.

Immer mehr taucht der Vorwurf auf, die Amerikaner hätten nur wenig aus der jüngsten Geschichte gelernt. Vergleiche mit Vietnam werden gezogen, nicht zuletzt deshalb, weil auch hier versucht wird, ein nicht allzu populäres Regime durch Reformen von oben zu legitimieren.

Es ist kein Zufall, daß Professor Pro- sterman, der wesentlich zur Planung der Landreform in El Salvador beigetragen hat, auch die kläglich gescheiterte Agrarreform in Vietnam in den sechziger Jahren konzipiert hatte. Der ohne Teilnahme der Lokalbevölkerung vorbereiteten und schlecht ausgeführten Reform in El Salvador könnte ein ähnliches Schicksal bevorstehen.

Der Autor studiert Lateinamerikanistik an der John Hopkins University in Washington D. C.

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