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Kein Programm für Lateinamerika
Zu Beginn der Reagan-Ära wurde in Washington wenigstens über Lateinamerika noch nachgedacht. Jetzt rangiert der große Subkontinent nur an dritter oder vierter Stelle.
Und keiner der beiden Präsidentschaftsanwärter hat ein besonderes Programm für Lateinamerika im Ärmel.
Ronald Reagan, der abtretende US-Präsident, der mit seinem „machismo“ in Lateinamerika persönlich gut ankam, hatte fabelhaftes Glück. Die strategische Bedrohung durch die Revolution in Grenada und Nikaragua und später durch den Südatlantikkrieg entschärfte sich durch die militärische Niederlage der Argentinier und mit der Invasion unter US-Führung auf der Insel-Republik Grenada.
Nikaragua schließlich wurde nie Schauplatz für eine intensive Ost-West-Konfrontation, sondern köchelte als lokales Ärgernis an der Peripherie der Großmacht vor sich hin.
Kaum jedoch sind solche strategischen Gefährdungen vorbei, verliert Washington jedes Interesse. So war es bei Ronald Reagan, und so wird es auch bei seinem Nachfolger sein. Die letzte politische Attraktivität Verlor der Subkontinent mit der Schuldenkrise, mit der er zum Gegenstand einer Bankendebatte reduziert worden ist; mit 280 Milliarden Dollar als Schuld 1981 und 400 Milliarden heute.
Politische Unterstützungsprogramme der Reagan-Regierung blieben aus; das CBI-Programm für befreundete Karibikstaaten kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Sowohl George Bush als auch Michael Dukakis stehen in dieser Tradition, denn sie fanden es nicht einmal notwendig, in ihren TV-Duellen Lateinamerika ernsthaft anzusprechen. Auch nicht als Raum für Demokratie-Experimente zwischen Mexiko und Argentinien.
Allerdings rächt sich diese Vernachlässigung Lateinamerikas für die USA auf perverse Weise.
In der unseligen Drogendebatte nimmt der Subkontinent sehr wohl eine zentrale Stellung ein. Vor allem Lateinamerikas „informeller Sektor“ hat in der Talsohle der Schuldenkrise die Einträglichkeit der Drogenproduktion und des Drogenschmuggels entdeckt: Offiziell ist Lateinamerika während dieser Dekade verarmt (und das ist die Wirklichkeit für breite Bevölkerungsschichten!); als „Parallelwirtschaft“ wurde jedoch kräftig zugelegt.
Schwarzdollars, die in bestimmten Regionen in üppigen Mengen herumschwappen, lassen ein smartes und aggressives Lateinamerika entstehen, das Establishments und Regierungen untergräbt.
Hier sieht Washington die Wurzel allen Übels. General Noriega wird deshalb zum „Gangster“, der zu eliminieren ist, damit die US-Welt wieder in Ordnung sei. Für Washington (und dies gilt auch für die kommende Regierung) sind Drogenschmuggler Subversive oder Kommunisten; Kommunisten sind Pornographen und Atheisten; Noriega umarmt Fidel Castro und Daniel Ortega - womit die in Washington so wirksame Beweiskette der Vereinfachungen geschlossen ist.
Ein aufwendiges quasi-militä-risches US-Programm der Drogenbekämpfung überzieht Lateinamerika. Es verlangt von den befreundeten demokratischen Regierungen bedingungslose Unterstützung; was diese nicht nur ihrer Staatshoheit entkleidet, sondern sie auch in den Augen des Volkes zu Kollaborateuren des „Imperialismus“ macht.
Lateinamerikas Armeeoffiziere, die in der Antidrogenschlacht die schmutzige Arbeit machen müssen, fühlen sich von den US-Beratern gedemütigt und entehrt.
So schlägt das Drogenproblem der Vereinigten Staaten, wo die Konsumseite die eigentliche Wurzel des Problems ist, voll auf Lateinamerika zurück. Und daran werden weder Bush noch Dukakis etwas ändern.
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