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Lateinamerika erholt sich

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Die Erholung Lateinamerikas nach der „verlorenen Dekade” versprechen die Daten: Insgesamt wuchs die Wirtschaft 1992 um 2,4 Prozent, was immerhin eine Steigerung der Pro-Kopf-Rate von 0,5 Prozent erlaubt. Unsicherheit herrscht allerdings wegen des Wirtschaftsprogrammes von US-Präsident Clinton.

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Die Erholung Lateinamerikas nach der „verlorenen Dekade” versprechen die Daten: Insgesamt wuchs die Wirtschaft 1992 um 2,4 Prozent, was immerhin eine Steigerung der Pro-Kopf-Rate von 0,5 Prozent erlaubt. Unsicherheit herrscht allerdings wegen des Wirtschaftsprogrammes von US-Präsident Clinton.

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Die Jahre der Schrumpfung gehören in Lateinamerika endgültig der Vergangenheit an. Ohne den Katastrophenfall Brasilien mit einem Minus Wachstum von 1,5 Prozent und einer Jahresinflation von 1.131,5 Prozent wären die Gesamtdaten des Subkontinents für 1992 noch besser. In Betracht gezogen werden muß auch, daß die Bevölkerung auf 442 Millionen gewachsen ist, und die Schuldenmarke 450,9 Milliarden Dollar erreicht hat (bei Ausbruch der Schuldenkrise 1982 stand sie bei 280 Milliarden).

Dennoch: Diese Krise gilt als durch die Umschuldungen entschärft. Ein Fragezeichen dabei bleibt jedoch die Ankün digung von Bill Clinton, das Schuldenabbau-Programm zu kürzen. =; Hinsichtlich der USA = fest unter Dach und == Fach haben ihre Umschuldungen nur Argentinien und Chile (die sich ohnehin als Teil der Ersten und nicht der Dritten Welt sehen und gebärden).

Das eigentliche Problem bei der lateinamerikanischen Konsolidierung zeichnet sich bei der Handelsbilanz ab: Die Exporte, die während der achtziger Jahre dramatisch gesteigert werden konnten, stagnierten 1992 bei 125 Milliarden Dollar. Die zusammengebrochenen Preise bei tropischen

Früchten und Rohstoffen lassen keine Steigerungen mehr zu. Die Liberalisierung, die auf dem Subkontinent so konsequent vorangetrieben wird, ließ obendrein die Importe explodieren, so daß aus den Überschüssen der achtziger Jahre 1992 erstmals ein Minus von 5,9 Mil-liarden Dollar wurde.

Die Zahlen der Cepal (UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika), die in Santiago de Chile vorgelegt worden sind, zeigen auch die regionalen Entwicklungstrends 1992: hohe Wachstumsraten für einige Schlüsselländer, Chile 9,5 Prozent, Venezuela und Panama 7,5 Prozent, Argentinien sechs Prozent, sogar die mittelamerikanischen Staaten, in den achtziger Jahren zerrissen von Kriegen und Bürgerkriegen, erreichten im Vorj ahr Raten zwischen vier und fünf Prozent; erhebliche Schrumpfungen werden nur noch aus Peru (minus 2,5 Prozent), Brasilien (minus 1,5 Prozent), Barbados und Haiti (beide minus fünf Prozent) verzeichnet (Kuba, das zusätzlich zum US-Embargo unter dem Erdölstopp aus der früheren UdSSR leidet, veröffentlicht keine Statistiken und wird von der Cepal nicht mehr bewertet).

Solide Inflation

Die wirtschaftliche Erholung läßt sich auch an den Inflationsraten ablesen: Zwar treibt Brasilien die Gesamtrate des Subkontinents für 1992 auf 410,7 Prozent hoch, doch im Schnitt kämpfen die meisten Staaten mit Jahresraten von unter 20 Prozent, was für lateinamerikanische Verhältnisse als solide zu bezeichnen ist. Die Ausnahmen: Brasilien 1.131,5 Prozent, Ekuador 66 Prozent, Peru 54 Prozent, Uruguay 58,6 Prozent und Venezuela mit 33 Prozent.

Versucht man, die Daten qualitativ zu bewerten, zu vergleichen etwa hinsichtlich Wirtschaftswachstum, Pro-Kopf-Einkommen, Befriedigung von Grundbedürfnissen und politischer Stabilität, so zeigt sich, daß die Zahl lateinamerikanischer Länder an der zufriedenstellenden Spitze der Pyramide geringer geworden ist (wobei Mikro-Staaten wie die Cayman-Inseln mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 10.000 Dollar unberücksichtigt bleiben). Da gibt es Gewinner und Verlierer, wobei (mit Kuba als der am meisten dramatische Fall) die Strukturkrise der achtziger Jahre die Verlierer vermehrt hat, die Pyramide an ihrem Sockel also breiter geworden ist. Gerade diese Entwicklung soll die sich jetzt abzeichnende Erholung umkehren.

Nafta-Vertrag bestätigt

Allerdings zweifelt man in Lateinamerika, daß die Wirtschaftspolitik der neuen US-Regierung dabei eine Unterstützung wird. Zwar löste Clintons Bestätigung des von der Bush-Administration ausgehandelten Naf-ta-Vertrages über eine Freihandelszone zwischen den USA, Kanada und Mexiko südlich des Rio Grande Erleichterung aus, aber der Preis, ein Clinton-Veto zu verhindern, war hoch: Mexiko mußte sich aus dem Ame-ritex-Investitionsfonds zurückziehen. Der Fonds sollte nordamerikanische Unternehmen aufkaufen, um sie in die arbeitskräftebilligeren Regionen nach Mexiko, Mittelamerika und in die Karibik zu verlegen. Auch durch die in Washington angekündigten Kürzungen beim Auslandshilfe- und Schuldenabbau-Programm und Clintons Plan zur Verringerung des Verbrauchs und folglich der US-Importe (Lateinamerika ist jetzt der zweitgrößte Handelspartner der USA), sowie durch die EG-Entscheidung über Einfuhrbeschränkungen für Bananen aus lateinamerikanischen Ländern sehen sich vor allen die Mittelamerikanischen und karibischen Staaten einer Hoffnung auf Wirtschaftsbelebung beraubt (siehe nebenstehenden Beitrag).

Ein verstärktes Auseinanderdriften von Nord und Süd wird befürchtet, weil Bill Clinton sich für eine Freihandelszone zwischen Alaska und Feuerland weit weniger zu interessieren scheint als sein Vorgänger.

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