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Rotes 01 aus Caracas?

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Das Jahreseinkommen in Ibero- amerika beträgt per capita kaum 30Ö Dollar, das heißt ungefähr .ein Drittel .des durchschnittlichen Jahreseinkommens eines Europäers und nur der siebente Teil des Verdienstes eines Nordamerikaners im selben Zeitraum. Diese Tatsache bildet jedoch, wie dies so oft behauptet wird, keineswegs ein schwarzes Panorama. Denn sowohl die hohe demographische Wachstumsrate und der dadurch wachsende Konsummarkt als auch der natürliche Reichtum dieses Kontinents ziehen gewaltsam das Interesse der großen Industriemächte auf sich, die sich durch die möglicherweise schon nahe Geburt riesiger übernationaler Blöcke bedroht sehen.

Im Jahre 2000 werden China und

Iberoamerika die weitaus größten Bevölkerungszahlen der Erde 'auf- weisen; China zirka 800 Millionen Einwohner und- Iberoanaecik eine annähernd große Zahl.

Neben der bereits traditionellen Aufmerksamkeit Europas und der Vereinigten Staaten für Iberoamerika unternimmt nun aus diesem Grunde auch die Sowjetunion große Anstrengungen, um sich nicht nur politisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich in diesem Kontinent festzusetzen. Dies einerseits, um ihren internationalen Markt zu erweitern, und zum anderen, um eine gewisse Kontrolle hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung Iberoamerikas ausüben zu können.

Der Katholische Informationsdienst Iberoamerikas veröffentlichte in dieser Hinsicht folgende Daten:

• 1967 belief sich der Zuwachs der sowjetischen Wirtschaftshilfe für die Länder Iberoamerikas auf 240 Millionen Dollar. Dies sind 36,6 Prozent der gesamten finanziellen Unterstützung, die im genannten Jahr von der UdSSR den Ländern des Ostblockes zur Verfügung gestellt wurde.

• Im Jänner 1967 unterzeichneten Rußland und Chile ein Wirtschaftsabkommen sowie einen Technischen Beistandsvertrag im Mai desselben Jahres.

• Brasilien und Uruguay erhielten sowjetische Kredite oder sonstige Hilfeleistungen in der Höhe von 105 beziehungsweise 20 Millionen Dollar.

• Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und Kolumbien im Jänner des vergangenen Jahres führte zum

Besuch einer sowjetischen Wirtschaftsdelegation in Bogota. Im Juli 1968 wurde ein Wirtschaftsabkommen zwischen diesen beiden Ländern unterzeichnet.

• Weitere sowjetische Wirtschaftsdelegationen besuchten Costa Rioa und Ecuador. Seit Jänner 1968 beabsichtigt die venezolanische Regierung, ihrerseits eine Wirtschaftskommission in die Sowjetunion zu entsenden. — Die Mitgliedsstaaten des kommunistischen Blocks halten Schritt mit der Sowjetunion. Ungarn schloß 1967 verschiedene wirtschaftliche Verträge mit Chile, Ostdeutschland und Kolumbien unterzeichneten im Juli 1967 ein Handelsabkommen für 1969 in der Höhe von 250 Millionen Dollar, ungarische und polnische Delegationen wurden kürzlich nach Peru entsandt

Unvermeidliche Integration

Die Tageszeitung El Mundo (Caracas) teilte mit, daß die Sowjetunion wahrscheinlich im „See von Maracaibo“ Erdölbohrungen vornehmen werde. Am 4. Juli gab die „Corporación Venezolana de Petró- leo“ bekannt, daß sie elf Ansuchen ausländischer Bohrunternehmen erhalten hatte, die sich um eine Bohrkonzession im südlichen Teil dieses Sees bewarben. Unter ihnen die belgische Firma „Petrofina“, mit Sitz in Antwerpen. Hauptaktionär der „Petrofina“ ist die sowjetische Regierung. Aus diesem Grunde, sagt „El Mundo“, ist anzuniehmen, daß „Petrofina“ die Konzession erhalten wird, da die venezolanische Regierung großes Interesse an der Vertiefung der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Ostblock hat.

Die Charakteristiken der momentanen Wirtschaft führen zur Bildung von Wirtschaftsblöcken. Der Kampf hat jedoch erst begonnen, und sowohl Rußland wie auch die westlichen Industriemächte werden versuchen, sich diese Blöcke zunutze zu machen, während gleichzeitig verschiedene Gruppen bemüht sind, die Bildung und Entwicklung dieser Assoziationen zu verlangsamen oder zu verhindern.

Solche Assoziationen sind zum Beispiel der „Mercado Común Cen- troamertcano“ (die am sichersten fundierte Wirtschaftsgemeinschaft dieses Kontinents); die „Asociación Latinoamericano de Libre Comer- cio (ALALC)“; die „Andengnuppe“, der Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Peru und Chile angehören — gewissermaßen als Gegengewicht zu den drei Großen: Mexiko, Brasilien und Argentinien.

Die sozialökonomische Entwicklung zwingt Iberoamerika zur Integration. Gelingt es den Ländern dieses Kontinents nicht, sich zu festen Blöcken oder Regionen zu vereinigen, so werden sie unfähig bleiben, sich von der Vormundschaft und den Kolonialansprüchen der „Mächtigen der Welt“, die diese unter sich aufzuteilen versuchen, zu befreien.

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