Chinesische Investment-INVASION

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Über intensive Wirtschaftskooperationen übernimmt China in Lateinamerika auch langsam die politische Führung von den USA.

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Über intensive Wirtschaftskooperationen übernimmt China in Lateinamerika auch langsam die politische Führung von den USA.

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In der kühlen Pose eines Geschäftsmannes gab Panamas Präsident Juan Carlos Varela Mitte Juni in einer kurzen Fernsehansprache die Entscheidung bekannt, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen und künftig die Volksrepublik China anzuerkennen. China spiele eine immer größere Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung, weshalb man sich zu dem "historischen Schritt" entschlossen habe. China ist heute der zweitwichtigste Nutzer des Panama-Kanals, viele chinesische Unternehmen investieren in Panama. Erst kürzlich haben Panama und die Volksrepublik eine Vereinbarung zum Bau eines Containerhafens in Colón, auf der karibischen Seite des Panamakanals, getroffen.

Taiwan zeigte sich überrascht und enttäuscht über den "Verrat der Freundschaft". Panama war einer der wirtschaftlich stärksten und politisch einflussreichsten Staaten, die bisher noch auf der Seite Taipehs standen. Nur insgesamt zwanzig Staaten weltweit, darunter elf in Lateinamerika und der Karibik, erkennen Taiwan an.

Panamas Schwenk ist für die Regierung in Peking ein Erfolg ihrer "Ein-China-Politik", zugleich aber auch ein Zeichen für den wachsenden Einfluss Chinas in Lateinamerika -einer Region, die der damalige US-Präsident James Monroe vor knapp einhundert Jahren noch unmissverständlich als genuin US-amerikanischen Einflussbereich und Hinterhof deklarierte, aus dem sich fremde Mächte herauszuhalten hätten (Monroe-Doktrin).

Doch spätestens seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump werden die Karten neu gemischt. Das zeigt sich nicht nur am geplanten Bau einer Grenzmauer zum südlichen Nachbarn Mexiko, sondern auch an der Aufkündigung des Transpazifischen Freihandelsabkommens (TPP) kurz vor dessen Abschluss. Der große Gewinner der jüngsten Verwerfungen könnte China heißen. Denn während US-Präsident Donald Trump eine Grenzmauer am Rio Bravo errichten will, setzt Chinas Regierung verstärkt darauf, "Brücken" nach Lateinamerika zu bauen.

Peking zeigt Flagge

Ironischerweise ist es nun die Regierung in Peking, die dabei die Flagge des Freihandels hochhält. So warnte Chinas Präsident Xi Jinping Mitte Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in scharfen Worten vor globalen Handelskriegen und Protektionismus und skizzierte eine Führungsrolle für sein Land. "Es bringt nichts, die Globalisierung für die Probleme in der Welt verantwortlich zu machen", sagte Xi. Es sei unmöglich, "den Austausch von Kapital, Technologien, Gütern und Arbeitern zu stoppen".

Peking wird jetzt nicht nur in der Pazifik-Region seinen eigenen Freihandelspakt, die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), vorantreiben, dem sechzehn Staaten angehören, darunter China und Japan, aber nicht die USA. Das Land dürfte auch die sich aus dem Rückzug der USA ergebenden größeren Spielräume nutzen, um seinen Einfluss in Lateinamerika weiter auszubauen. Lateinamerika erscheint da folgerichtig als neuer Markt für Chinas exportorientiertes Entwicklungsmodell.

Bereits jetzt investieren chinesische Staatskonzerne kräftig auf dem Kontinent: So stieg China Anfang Dezember 2016 erstmals in den mexikanischen Erdölmarkt ein. Drei Jahre nach der umstrittenen Energiereform der mexikanischen Regierung ersteigerte der chinesische Staatskonzern China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) Förderlizenzen im Norden des Golfs von Mexiko -nur wenige Kilometer von der Seegrenze zwischen Mexiko und den USA entfernt.

Das Mexiko-Engagement des chinesischen Staatskonzerns CNOOC ist symptomatisch für Chinas Offensive auf dem gesamten amerikanischen Kontinent. Erst Ende November hatte Xi Jinping Ecuador, Peru und Chile besucht und dabei mehr als 40 bilaterale Kooperationsvereinbarungen in verschiedenen Bereichen abgeschlossen. Es war bereits die dritte Lateinamerika-Reise Xi Jinpings seit seinem Amtsantritt 2013. Im Anschluss an die Visite verbreitete die chinesische Regierung ein ambitioniertes Strategiepapier, in dem "eine neue Ära" der Beziehungen zwischen China und Lateinamerika umrissen wird.

Das elf Seiten lange Dokument, das wenige Tage nach Trumps Wahlsieg von staatlichen chinesischen Medien verbreitet wurde, enthält nicht viele Details, aber eine klare Botschaft: China wird sich verstärkt auf Lateinamerika konzentrieren und hat dabei einen methodischen Plan, sein 2008 begonnenes gesteigertes Engagement in der Hemisphäre weiter auszubauen.

Heute ist das asiatische Land laut Interamerikanischer Entwicklungsbank (IDB) Lateinamerikas zweitgrößter Handelspartner mit einem Anteil von 13,7 Prozent am Außenhandel der Region im vergangenen Jahr. Allein der Handel mit den vier Staaten Brasilien, Chile, Kolumbien und Peru machte dabei mehr als die Hälfte des Handelsvolumens von insgesamt 263 Mrd. US-Dollar aus. Dieses hat sich in den vergangenen 15 Jahren verzweiundzwanzigfacht. In den kommenden 15 Jahren könnte China laut "China Policy Review" dann die USA als wichtigsten Wirtschaftspartner Lateinamerikas ablösen.

Im Zeichen der Privatisierungen

Bisher hat vor allem Chinas Nachfrage nach Rohstoffen und Agrargütern das gemeinsame Verhältnis mit Lateinamerika bestimmt. Zugleich bedroht die chinesische Konkurrenz die lateinamerikanische Fertigwarenproduktion sowohl auf heimischen Märkten als auch auf dem Weltmarkt. Konfliktfrei ist das Verhältnis also nicht und dürfte es über Nacht auch nicht werden - zumal einige Staaten der Region (Mexiko, Brasilien, Argentinien) unter ihren neoliberalen Regierungen dazu tendieren, staatliche Rohstoffkonzerne zu privatisieren und damit wichtige Steuerungsinstrumente aus der Hand zu geben.

Doch Chinas wirtschaftliche Beziehungen zu Lateinamerika vertiefen sich in einem Maße, wie sie sich wegbewegen vom Rohstoffimport und dem Export von Fertiggütern. Tatsächlich investiert China beispielsweise verstärkt in Brasiliens Energie-und Infrastruktursektor; beide Staaten verhandeln zudem einen bilateralen Investitionsfond, zu dem China 15 Mrd. US-Dollar beisteuert.

Federführend bei Infrastruktur

Chinesische Unternehmen sind am geplanten Bau eines interozeanischen Kanals quer durch Nicaragua federführend, in Kuba wird der Hafen von Santiago de Cuba mit chinesischen Geldern ausgebaut, China investiert in eine Transamazonas-Eisenbahnstrecke von Brasilien nach Peru sowie eine weitere durch die Anden von Argentinien nach Chile, um auf diese Weise Atlantik und Pazifik miteinander zu verbinden.

Chinas Engagement auf dem Kontinent wird langfristig geostrategische Konsequenzen für die USA und Europa haben, die an wirtschaftlichem und politischem Einfluss in der Region verlieren werden. Das geoökonomische und geopolitische Zentrum der Welt verschiebt sich damit zunehmend vom Atlantik, wo sich in der Vergangenheit die Beziehungen zwischen den Staaten der westlichen Welt und die ungleichen Nord-Süd-Beziehungen konzentrierten, Richtung Asien-Pazifik. Chinas großes Interesse an Lateinamerika ist deutlicher Ausdruck dessen. Ob daraus wirklich eine Win-win-Situation entsteht, muss sich allerdings erst noch erweisen. Ebenso, ob und inwiefern Chinas Vormarsch in Lateinamerika neue Konflikte mit den USA erzeugt. Fürs Erste aber scheinen die USA das Interesse an ihrem früheren "Hinterhof" verloren zu haben.

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