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Fidels Neo-Kolonialismus

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Es gehört zu den erstaunlichen politischen Entwicklungen der letzten Jahre, daß Fidel Castros Einfluß (— und Einflußnahme!) in Lateinamerika zurückging, gleichzeitig aber auf weltpolitischer Ebene wuchs. Seine Beziehungen zu den „rechten“ Regimen in Brasilien, Chile und Uruguay sind schlecht, zu der bis vor kurzem „linken“ peruanischen Militärregierung und zu den nördlichen Ländern Kolumbien, Venezuela und Mexiko sind sie freundlich, wie vor allem die Bildung der multinationalen „Karibischen Flotte“ beweist. Mit Panama sind sie wegen der gemeinsamen Feindschaft gegen die USA sogar herzlich. Ob die Gerüchte, denen zufolge dort kubanische Instruk-toren für den Freischärlerkampf tätig sein sollen, stimmen oder manipuliert sind, weiß man nicht. Jedenfalls droht der „starke Mann“ von Panama, Oberst Omar Torrijos, mit einer Guerrilla, falls die USA ihre

Herrschaft über den Panamäkanal nicht einschränken.

Ebenso beunruhigen Washington Fidel Castros enge Kontakte mit Jamaika und Guayana. Nun liegt die durch ihren Rum und als Reiseziel in den Großen Antillen bekannte Insel Jamaika (10.000 Quadratkilometer, 1,9 Millionen Einwohner) nur 145 Kilometer südlich von Kuba, also in dessen geopolitischem und geographischem Einflußgebiet. Daß dort Ingenieure und Ärzte, aber auch In-struktoren für Polizei und Heer aus Kuba tätig sind, erklärt sich schon aus der Nachbarschaft. Anders liegt die Situation in Guayana (800.000 Einwohner). Zwar bestreitet man in der Hauptstadt Georgetown die Nachrichten, denen zufolge kubanische Truppen und Ausbildner im Lande seien. Aber Venezuela erhebt (bis 1982 eingefrorene) Gebietsansprüche gegenüber Guayana, wobei Fidel Castro als einziger „Protektor“ auftreten kann. In beiden Staaten

sind „linke“, „sozialistische“ Negerparteien an der Macht, denen die Opposition vorwirft, das Land zum Moskau-Kommunismus an die Seite Fidel Castros führen zu wollen. Jedenfalls sind (wenn man von der winzigen Insel Barbados in den Kleinen Antillen absieht) Jamaika und Guayana zur Zeit die beiden einzigen für den Castrismus-Virus anfälligen Staaten auf dem amerikanischen Kontinent.

Während Castro die spektakulären „Interventionen“ früherer Jahre innerhalb der lateinamerikanischen Sphäre eingestellt hat, spielt er eine wachsende Rolle in allen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt. Dabei spricht er mit zwei Zungen. Im Mai schrieb er dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, er beschränke den Militäreinsatz auf Angola, von wo er die Hälfte seiner 20.000 Mann bis Ende 1976 zurückziehen werde, um sie dann weder in anderen Kontinenten noch in Lateinamerika zu verwenden. Bei dieser Gelegenheit wiederholte er den schon früher bekannt gewordenen Satz, daß Kuba nicht zum „Kreuzritter des 20. Jahrhunderts“ werden wolle. In einer Rede, die er bei seinem Besuch in Conakry, der Hauptstadt von Guinea, hielt, nannte er dagegen den Sieg in Angola ein „hervorragendes Beispiel“ für den „proletarischen Internationalismus“ und befürwortete die Bildung eines multinationalen afrikanischen Heeres mit kubanischen Ausbildnern. Die Erklärung, daß er die Truppen aus Angola ab-

ziehen werde, widerrief er kurze Zeit darauf. Derzeit rühmt er sich, daß er in Zusammenarbeit mit Moskau, das Waffen und Transportmittel liefere, bei allen „Befreiungskriegen“ interveniere.

Kubanische Militärberater, Guer-rilla-Spezialisten und Piloten (auf Sowjetflugzeugen) sind denn auch in Nahost bei der PLO und bei den Syrern anzutreffen. Sie sind auf dem afrikanischen Kontinent in Algier, Guinea, Guinea-Bissau, Mocambique, der Volksrepublik Kongo und der kleinen Insel Sao Tome höchst aktiv. Der Schah von Persien wußte, warum er die erst vor kurzem aufgenommenen diplomatischen Bezie-hugnen zu Kuba wieder abbrach. Castro unterstützt die Revolutionäre am Golf von Aden, in Oman, Südjemen, Somalia und Dschibuti. Zuweilen hilft er auch in Asien aus. So

sollen kubanische Ausbildner in Laos und Nordvietnam wirken.

Fidel Castro interveniert militärisch in fremden Erdteilen, betreibt also Kolonial-Imperialismus, den er zu bekämpfen vorgibt, wenn bei ihm auch nicht wirtschaftliche, sondern machtpolitische und ideologische Motive ausschlaggebend sind. Man fragt sich in Lateinamerika, ob Kuba etwa das Rad der Kolonialgeschichte jetzt in die umgekehrte Richtung lenken und Havanna zum Mittelpunkt eines „Commonwealth der Entwicklungsländer“ machen will. Es mag auf den ersten Blick grotesk erscheinen, wenn eine kleine karibische Insel Weltmacht zu spielen beginnt. Aber Kuba steht nicht allein. Das weltweite Engagement Castros erhält seinen Sinn, wenn man es als einen Versuch ansieht, als Partner der Sowjetunion die „Dritte Welt“ für eine „Achse Moskau—Havanna“ zu gewinnen.

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